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Ich betrete die Bar, wie so oft in den letzten Wochen und suche nach einem freien Platz für meine beste Freundin und mich. Es ist ein seltsamer Trost an diesen Ort zu kommen, auch wenn er nicht unbedingt die schönsten Erinnerungen weckt. Die erste Begegnung damals im Badezimmer mit Larissa, unser erster Kuss und so viele intensive Augenblicke mit ihr. All das an diesem Ort. Ich runzle die Stirn, da ich sofort spüre, dass sie auch hier ist. Es ist nicht wunderlich, denn schließlich kommen sie und Sven ständig hierher, aber ich merke sie sofort. Ich folge Cassy an einen leeren Tisch und sehe mich um, sobald ich sitze. So viele Menschen an diesem Freitagabend und irgendwo zwischen ihnen muss sie sein. Wie ein Stalker scanne ich die Bar ab und schließlich finde ich mein Ziel. Vorne an der Bar - dort steht Larissa. 

Sofort sehe ich ihr Lächeln strahlen. Wie sie dort angelehnt an der Bar steht und an ihrem Getränk nippt. Aber das Lächeln ist nicht für mich. Es ist für eine andere Frau. Eine fremde Brünette, die ihr viel zu nahe steht, die sie viel zu interessiert ansieht. Mein Magen zieht sich schmerzhaft zusammen, als ich beobachte, wie sie miteinander sprechen. Der leichte, unbeschwerte Flirt in ihren Gesten, das Funkeln in Larissas Augen, wenn die Frau ihr etwas ins Ohr flüstert. Es trifft mich wie ein Schlag ins Gesicht. Ich weiß, dass ich diejenige bin, die sie ignoriert hat. Ich weiß auch, dass ich das hätte anders lösen sollen, aber die Angst und die Unsicherheit in mir, haben mir keine andere Wahl gelassen. Sie haben mich dazu getrieben Larissa auf Abstand zu halten. Jetzt sehe ich, was das angerichtet hat. Sie hat mich losgelassen, scheint nicht an mich zu denken, als hätten wir nie gemeinsame Augenblicke gehabt. 

Ich blicke mich um und suche Cassy, die uns Getränke holen wollte, aber immer noch nicht zurück ist. Nachdem ich sie nicht entdeckt habe, wandert mein Blick sofort wieder zu Larissa. In mir tobt ein Sturm aus Eifersucht, Angst und Selbstvorwürfen. Wie konnte ich nur zulassen, dass es soweit kommt? Wie konnte ich glauben, dass sie einfach da sein würde, auf mich warten würde, während ich mit meinen Gefühlen kämpfe. Jetzt steht sie da, lacht, flirtet mit jemand anderem. Und ich? Ich habe mich selbst ins Aus geschossen. Ein Teil von mir will zu ihr rübergehen, sie packen, sie von dieser Frau wegziehen und ihr sagen, dass sie nur mir gehört. Aber was habe ich überhaupt ein Recht dazu? Ich bin diejenige, die auf Abstand gegangen ist, die nicht weiß, wie sie mit ihren eigenen Gefühlen umgehen soll. Trotzdem kann ich diesen Anblick kaum ertragen. Der Gedanke, dass jemand anderes ihr die Aufmerksamkeit schenkt, die ich ihr so lange verweigert habe, zerreißt mich innerlich in zwei. Plötzlich geht Larissa in die Richtung der Toiletten. Das ist meine Chance. Ich muss mit ihr reden, sofort!

POV Larissa: 

Als ich die Türe des Badezimmers aufstoße, atme ich erstmal tief durch. Stacy hat mich ziemlich unter den Tisch getrunken. Der Abend hat mit ihr eine unerwartete Wendung genommen und meine Gedanken schwirren. Die Begegnung mit Stacy, das Flirten - es hat sich so gut angefühlt, aber gleichzeitig ist da diese Leere, die mich aktuell nicht mehr loslässt. Bevor ich meinem Gedankenstrudel nachgehen kann, wird die Türe hinter mir aufgerissen und Sophia steht vor mir. Ihr Blick ist hart, fast durchdringend. Schweigend stehen wir voreinander, unsere Münder leicht geöffnet. "Sophia?", frage ich heißer und starre sie durchdringend an, während ich meine Fäuste balle. "Wer war das?", knurrt sie schon fast. Ihre Stimme klingt hart, fast vorwurfsvoll. Ich sehe in ihre wunderschönen Augen und erkenne einen Sturm aus Wut und etwas anderem, das ich nicht sofort einordnen kann. Ist das Eifersucht? Sofort fühle ich mich nüchtern und muss kurz durchatmen, um zu realisieren, was sie gerade gesagt hat. 

"Was meinst du?", frage ich, obwohl ich natürlich genau weiß, worauf sie hinaus will. Es ist ein Reflex, eine Abwehr, die sich in mir aufbaut. Sophias Stimme zittert leicht, während sie sagt: "Die Frau an der Bar Larissa. Wer ist sie? Was hast du mit ihr gemacht?" Ich merke wie sehr sie es mitnimmt, aber das macht mich nur noch wütender. "Warum interessiert dich das Sophia?", kontere ich, meine Stimme fester, als ich erwartet hätte. "Du bist diejenige, die mich die letzten Wochen ignoriert hat, nachdem ich mich auf dich eingelassen habe. Ich dachte du willst nichts mehr mit mir zutun haben." Sie blinzelt und ich sehe, wie ihr Gesicht kurz zuckt, als hätte ich sie körperlich getroffen. "Das ist nicht der Punkt Larissa. Ich habe dich gesehen. Wie du mit ihr geflirtet hast.", sagt sie leise, beinahe verletzlich und das überrascht mich. "Oh, jetzt bist du plötzlich Eifersüchtig?", frage ich mit schneidender Stimme und füge hinzu: "Vielleicht solltest du dir überlegen, wie du mich behandelt hast, bevor du mir Vorwürfe machst." Das hat gesessen, denn Sophia schaut mich mit unsicheren Augen an. Ihre Augen, die voller Emotionen sind, die sie offensichtlich versucht zu verstecken. "Ich - ich wusste nicht, wie ich mit dem ganzen umgehen soll Larissa. Es war alles zu viel und ich habe dich auf Abstand gehalten, weil ich Angst hatte. Das musst du verstehen. Aber als ich dich mit ihr gesehen habe...es hat mich fast umgebracht." 

Die Härte in ihrer Stimme bricht und ich sehe das echte, rohe Gefühl, das sie so lange vor mir versteckt hat. "Ich habe dich vermisst. Larissa, mehr als ich mir eingestehen wollte. Und als ich dich vorhin mit ihr gesehen habe...ich kann das nicht ertragen." Ich spüre, wie sich mein eigener Zorn langsam legt und einer Mischung aus Verwirrung und Mitleid weicht. "Sophia..", beginne ich sanft, "ich verstehe, dass das alles schwierig für dich ist, aber du kannst nicht einfach erwarten, dass ich hier sitze und auf dich warte, während du mich ignorierst. So läuft das eben nicht." Sie sieht zu Boden und ich merke, dass ihre Fassade gerade anfängt zu bröckeln. "Ich weiß, dass ich es vermasselt habe. Aber bitte, Larissa, lass mich es erklären. Lass es mich wieder gutmachen." Für einen Moment herrscht Stille zwischen uns. Nur das leise Tropfen des Wasserhahns füllt den Raum. Wieso kommen hier so wenig Leute ins Badezimmer? Ich räuspere mich, trete ein Schritt näher zu ihr und sage: "Sophia, ich bin hier. Aber du musst ehrlich zu mir sein und vor allem zu dir selbst. Sei dir im klaren, was du wirklich willst. Wir müssen uns zusammenstellen, wenn das klappen soll. Keine halben Sachen mehr, ganz oder gar nicht." 

Sie hebt ihren Kopf und sieht mich an. In ihren Augen liegt Entschlossenheit, die ich lange nicht mehr so deutlich gesehen habe. "Ich will das wirklich Larissa. Ich will dich. Ich werde dir beweisen, dass ich es ernst meine. Ich habe dich jetzt oft genug von mir weggestoßen.", sagt sie entschlossen und nimmt meine Hand in ihre. Unsere Blicke verhaken sich ineinander und ich spüre, wie sich die negative Spannung zwischen uns endlich wieder auflöst. Vielleicht gibt es ja doch noch Hoffnung, dass das mit uns gut endet. Das funktioniert aber auch nur, wenn wir beide bereit sind, uns dem zu stellen, was wirklich zwischen uns ist. 

SophiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt