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Nachdem ich mein Auto in der Tiefgarage geparkt habe, atme ich gestresst aus. Ich streiche gedankenverloren über mein Lenkrad und lasse mich seufzend nach hinten fallen. Verdammt Sophia, was hast du nur getan? Die Realität beginnt sich langsam um mich zusammenzuziehen. Ich starre auf die Tiefgaragenwand vor mir und spüre, wie sich mein Herzschlag beschleunigt, während die Gedanken in meinem Kopf immer lauter werden. Was habe ich getan? Die Vertrautheit und das Verlangen, die mich gestern völlig vereinnahmt haben, weichen plötzlich einer kalten, schneidenden Klarheit. Larissa ist meine Auszubildende. Die Schwere dieser Erkenntnis drückt auf meine Brust, sodass es mir schwerfällt zu atmen. Ich schließe die Augen, doch die Bilder der vergangenen Nacht flackern unaufhörlich vor meinem inneren Auge. Ihr Lächeln, ihre Berührungen, ihr Körper, die Art, wie sie mich angesehen hat - alles war so intensiv und real. Aber jetzt? Jetzt fühle ich mich wie in einem Strudel aus Schuld und Angst gefangen. 

Was, wenn jemand davon erfährt? Was, wenn sie es bereut? Ich schlage verzweifelt auf mein Lenkrad und raufe meine Haare. Als ich sie vorhin angesehen habe, hat sich alles in mir zusammengezogen. Diese Unschuldigen Augen, ihre junge Ader. All das sollte ich schützen. Stattdessen habe ich die Grenze überschritten, die ich nie hätte überschreiten dürfen. Der Gedanke ihr auf der Arbeit gegenüber treten zu müssen, lässt mich beinahe panisch werden. Wie soll ich weiter als ihre Ausbilderin fungieren? Alles, was wir aufgebaut haben, ihr Vertrauen, ihre Entwicklung, könnte jetzt in Gefahr sein. Mein Ruf, meine Karriere, aber vor allem Larissa. Was, wenn ich ihr mit diesem Schritt mehr geschadet habe, als sie es mir jemals zeigen würde? Ich muss mich von ihr irgendwie wieder distanzieren, auch wenn ich das nicht will. Aber wie könnte ich das tun? Sie bedeutet mir mittlerweile so viel mehr, als ich zugeben würde. Das ist genau das Problem. Ich habe zugelassen, dass meine Gefühle die Kontrolle übernehmen, dass ich die Professionalität, die Distanz und all das verloren habe, was uns schützen sollte. Fuck Sophia, was hast du nur getan? 

Mit schlechter Laune steige ich nach einer langen Zeit aus meinem Wagen und schließe ihn ab. In meiner Wohnung angekommen, lüfte ich erstmal durch und versuche so Larissas Geruch aus meiner Nase zu bekommen. Ich kann und will nicht über sie nachdenken. Gedankenverloren räume ich die Spülmaschine aus und seufzte schwer, als ihr Gesicht wieder vor meinem inneren Auge erscheint. Reiß dich zusammen, verdammt. Ich greife nach meinem Handy und checke erstmal die Nachrichten der letzten Stunden. Cassy hat mir ebenfalls geschrieben, was ich sogleich lese.

C: Hey Soph! Wer war denn das Mädchen gestern Abend? Du hast mir sie und einen Jungen schon einmal vorgestellt, aber woher kennst du denn beide? Ich hoffe ihr hattet einen amüsanten Abend! ;) 

Ich lächle leicht und muss unwillkürlich schmunzeln, als ich mal wieder an vergangene Nacht denke. Ich schreibe ihr schnell zurück, muss natürlich lügen und lege mein Handy anschließend wieder beseite.

S: Hey Cass! Ich habe beide mal im Blue kennengelernt und dann immer mal wieder gesehen. Die Nacht war tatsächlich sehr gut. Ich glaube es war aber keine gute Idee mit ihr zu schlafen. 

Irgendwann stehe ich am Herd und koche mir eine Pasta, da mein Magen langsam wirklich rebelliert. Heute ist das Wetter ziemlich schön, sodass ich vorhabe in den Whirlpool zu gehen. Larissa hat mich gestern darauf gebracht. Schon wieder sie. Während meine Nudeln vor sich hin köcheln, entschließe ich ihr zu schreiben. Ich habe ihr gesagt, dass ich es tue. Ich kann sie nicht ghosten oder sowas. Schließlich sehe ich sie sowieso auf Arbeit, wenn man sich mal über den Weg läuft. Ich muss sowieso mit ihr über uns reden. Aber eigentlich hat das doch auch noch ein wenig Zeit oder nicht? Ach scheisse bin ich manchmal unreif. Ich muss das, so schnell wie es geht, klären. Ich tippe immer wieder den Ansatz einer Nachricht und lösche es schließlich wieder. Vielleicht sollte ich doch noch ein wenig warten. 

POV Larissa:

"Ja und danach sind wir eingeschlafen.", erzähle ich Sven von der vergangenen Nacht, als er mir gegenüber auf dem Balkon sitzt. Seine Augen wurden während der Erzählung immer größer, sodass ich mich oft zusammenreißen musste, nicht laut loszulachen. "Das ist so krass. Ich kann es gar nicht fassen, dass sie dich ernsthaft flachgelegt hat.", staunt Sven und nippt aufgeregt an seinem Wein, den ich für heute extra kalt gestellt habe. Ich schüttle den Kopf und murmle: "Ich kann es selbst kaum glauben. Was ich aber mittlerweile glaube ist, dass ich doch auf Frauen stehe." Sven lacht laut und antwortet: "Das denke ich schon etwas länger als gestern. In meinen Augen bist du eine richtige Lesbe." Ich schüttle lachend den Kopf und schenke uns beiden noch etwas Wein ein. Als mein Handy vibriert, wenden wir beide unsere Köpfe darauf. Sven flüstert: "Ist sie das?" Ich hebe mein Handy an und nicke aufgeregt. 

SophiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt