Sophia

5

"Ich habe dir gesagt, dass sie mich nicht ausstehen kann.", motze ich und schaue hilfesuchend zu Sven herüber, der nur lacht. "Ach Quatsch. Sophia ist super nett. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie ein Problem mit dir hat.", schmunzelt er und wählt gerade irgendeine Nummer. Ich antworte ihr kurz und widme mich dann wieder meinen Aufgaben zu. Was will sie denn von mir? Ich trinke grübelnd meinen Kaffee aus und schrecke zusammen, als mein Telefon klingelt. An der Nummer sehe ich, dass es ein interner Anruf ist. Ich wickle das Gespräch mit einer Kollegin aus dem Haus ab, schicke ihr die Rechnung zu und begebe mich dann in Richtung Kaffeemaschine. In Gedanken tippe ich das nächste Anschreiben, als Sven mich mit seiner lauten Stimme aus den Gedanken reist: "Hallo Lary! Es ist schon fast halb zehn. Du solltest schon längst bei Sophia sein." Fuck, Fuck. Schnell bedanke ich mich bei ihm und sprinte zum Aufzug. Zum Glück ist er gerade im richtigen Stock, aber die Fahrt fühlt sich trotzdem wie Stunden an. Vor ihrem Büro schnaufe ich noch einmal durch und klopfe schließlich an. Nach ihrem "Herein" betrete ich den Raum und blicke in ihr ernstes Gesicht. Ihre sonst so straffe Haut, sieht faltig aus, wenn sie so griesgrämig schaut.

"Entschuldige, ich habe die Zeit total vergessen.", murmle ich ehrlich und setze mich vor ihrem Schreibtisch auf einen der Stühle. Seit dem Vorfall im Restaurant habe ich wirklich Respekt vor ihr. "Alles gut, es gibt schlimmeres.", antwortet sie kalt und blättert desinteressiert in ihren Unterlagen. Was kommt jetzt? Sie blickt mich kurz an und erklärt: "Ich habe dich hergeholt, weil mir noch Beurteilungsbögen von dir fehlen." Fuck, die habe ich wirklich vergessen. Einmal im Monat müssen wir uns von dem Abteilungsleiter bewerten lassen und die dann abgeben. Bei dem ganzen Stress habe ich sie total vergessen abzugeben. "Ach Mist. Die liegen unten im Büro. Habe sie total vergessen abzugeben.", sage ich vorsichtig und knete meine schweißnassen Hände. Sie schaut mich schief an und meint: "Hast du sie unten im Büro liegen oder musst du sie erst noch ausfüllen lassen?" Nicht ihr Ernst. Denkt sie wirklich, ich würde sie anlügen? "Ich habe sie wirklich unten liegen Sophia. Kannst selber mitkommen und sie dir anschauen.", sage ich gereizt und verschränke meine Arme vor der Brust. Unbeeindruckt starrt sie mich an und sagt schnippisch: "Nun gut, dann hole sie. Jetzt." Schnell stehe ich auf, werfe ihr noch einen genervten Blick zu und verlasse mit schnellen Schritten das Büro. 

"Jetzt denkt die Schlange wirklich, ich habe meine Bögen nicht abgegeben. Die spinnt doch völlig.", klage ich, als ich in Sven und mein Büro hereinstürme. Verdutzt schaut er mich an und fragt verwirrt: "Warte, was ist los?" Während ich anfange in meinen Schreibtischschubladen zu wühlen, kommt er zu mir rüber. "Ich habe meine Beurteilungsbögen nicht abgegeben und Alicia hat die letzten zwei Monate nichts gesagt. Wegen dem Stress hier, habe ich sie völlig vergessen.", erkläre ich schnaufen und nehme mir gerade die nächste Schublade vor. Er nickt und legt seinen Zeigefinger an seine Lippe. Fuck, wo sind denn diese Scheiß Bögen? Langsam läuft mir der kalte Schweiß den Rücken hinunter, weil ich mittlerweile bei der letzten Schublade angekommen bin und immer noch nichts gefunden habe. "Findest du sie?", fragt Sven vorsichtig und legt mir die Hand auf die Schulter. Er weiß genau, dass er mich jetzt nicht stressen darf, sonst explodiere ich wirklich. Langsam dämmert es mir: "Ich- Nein ich finde sie nicht. Ich bin mir sicher, dass sie zuhause sind. Sie müssen dort sein. Scheisse, was sage ich ihr jetzt?" Meine schwitzigen Finger, wische ich an meinem Rock ab. "Jetzt hat sie bekommen, was sie wollte diese Hexe.", murmle ich verzweifelt und schaue Sven hilfesuchend an. Das Blut rauscht mir in den Kopf und ich merke, dass ich auf der Stelle weinen könnte. "Ach Engel, sag ihr, dass sie zuhause liegen und du sie morgen mitbringst. Sie wird das verstehen. Wieso hast du denn so eine Angst?", fragt er aufmunternd. Naja, weil ich ihr wohl dreckigstes Geheimnis weiß Sven. Ich verstehe die Augen und erkläre: "Nein Sven, sie wird es nicht verstehen. Sie. Hasst. Mich. Wenn ich hassen sage, dann meine ich auch wirklich hassen."

Langsam gehe ich wieder in Richtung des Aufzugs und hoffe inständig, dass der Aufzug einfach stecken bleibt. Ohne Bögen verlasse ich ihn wieder und steuere auf das Büro der Hexe zu. Okay Larissa, du schaffst das. Die Türe ist angelehnt. Langsam öffne ich sie und starre direkt in ihre eisblauen Augen. Mit verschränkten Armen lehnt sie an ihrem Schreibtisch und hat nur darauf gewartet mich bloßzustellen. Gerade als ich meinen Mund öffne, schneidet sie mir jeglichen Versuch ab, mich zu äußern. "Das habe ich mir gedacht.", sagt sie trocken und ihre Mundwinkel zucken verräterisch nach oben. Ich werfe die Arme in die Luft und sage verzweifelt: "Sie müssen zuhause liegen. Ich habe sie immer pünktlich abgegeben, wirklich. Ruf Herr Braun an, er wird dir das gleiche sagen." Ich gehe einen Schritt auf sie zu und sie wendet sich ab, um sich auf ihren Stuhl zu setzen. Dann greift sie nach ihrem Telefon und schaut mich mit einem "Bist du dir sicher, dass ich da jetzt anrufen soll?" Blick an. Ich verschränke die Arme und nicke ihr auffordernd zu.