16 Salz

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Vor Runa glitzerte das Wasser des Flusses. Hinter ihr ragten die Schornsteine einer Fabrik empor und spuckten grauen Wasserdampf. Die Sonne senkte sich hinab und tauchte den Horizont in ein Flammenmeer. Der Aarus zog sich grün und trüb dahin. Zuvor war das Wasser klarer gewesen, dachte sie sich. Runa blickte an dem Ufer entlang. Keiner ihrer Freunde war zu sehen. Sie war allein.

Runa rief über die sanften Wellen. Die Wassermenschen mussten dort noch immer auf sie warten. Sie ging den Fluss abwärts, bis zu der Stelle, an der sie am Morgen aus dem Wasser gestiegen waren.

Auf den Steinen unter der Brücke sah Runa die Rücken der schuppigen Echsen. Langsam näherte sie sich den Tieren, die sich auf den Steinen zu wärmen schienen. Als sie näherkam, sah Runa, dass die Echsen sich nicht regten. Vorsichtig stiess sie mit dem Fuss gegen ein schuppiges Ungeheuer. Das Tier öffnete seine Augen. Runa machte vorsichtshalber einen Schritt rückwärts, doch bis auf ein tiefes Schnaufen gab das Tier nichts von sich. Irgendetwas stimmt nicht mit ihnen. Wo waren ihre Reiter?

Plötzlich vernahm Runa ein Geräusch. Sie sprang hinter den Brückenpfeiler und sah eine Gruppe Schattensoldaten die nahe am Ufer vorbeiging. Sie beachteten die Echsen kaum. Runas Herz schlug laut. Sie wagte sich nicht zu regen. Stumm wartete sie und hoffte nicht entdeckt zu werden.

Als die Schattensoldaten sich ein Stück entfernt hatten, schlich Runa zurück zu den Häusern. Ein Stein fiel neben ihr von einem Dach. Sie sah nach oben und entdeckte die Silvaridin zwischen den Giebeln.

Zika winkte ihr, ohne einen Laut von sich zu geben und deutete auf eine Mauer. Runa kletterte empor und konnte sich von dort auf ein Vordach ziehen. Vorsichtig krabbelte sie über die rutschigen Ziegel, jedoch war das Dach nicht Steil. Kurz darauf erreichte sie das Hauptdach und kletterte zu Zika hinauf.

Die Silvaridin deutete zu den Schornsteinen der Fabrik die sich Flussaufwärts befanden.

«Das Wasser vergiftet», flüsterte Zika.

Runa sah zurück zu den Echsen, die noch immer reglos dalagen.

«Hast du einen der Wassermenschen gefunden?»

Zika schüttelte den Kopf ihre Augen glitzerten traurig.

Wehmütig dachte Runa an die Wassermenschen, die auf sie gewartet hatten. Sie hatte sie nicht gut gekannt, doch sie hatten den Wald verlassen, um ihnen zu helfen. Wie viele mussten noch sterben? Das Bild von Orell blitzte vor ihrem inneren Auge auf. Die Trauer erfüllte sie.

Runa umarmte Zika einen Moment und wischte sich dann über ihre nassen Augen.

«Was war mit den Flughunden?»

Zika verzog das Gesicht und presste die Hände auf die Ohren. Ein Schaudern verlief durch ihren grünen Körper.

«Schrille hohe Töne viel Schmerz in meinen Ohren.»

Verflucht, dachte Runa. Die Schattensoldaten hatten ihre beiden Fluchtpläne zerstört. Offensichtlich versuchten sie zu verhindern, dass Runa und die anderen Basin verliessen.

«Sie patrouillieren Stadtgrenze und am Himmel.»

Runa sah hinauf und bemerkte in einiger Entfernung die Umrisse eines Hypogriffen, der in ihre Richtung flog.

«Schnell», flüsterte Runa.

Sie krabbelten über das Dach bis zu einer Stelle, wo die Äste einer alten Eiche über das Haus ragten. Unter den Blättern kauerten sie sich nieder. Der Hypogriff zog seine Kreise und entfernte sich langsam wieder.

«Wo sind die anderen?», fragte Runa.

Zika zuckte mit den Schultern.

«Ich dich gesucht, als du auf Flughund weggeflogen. Darum weg von anderen gegangen.»

Runa: Chaos der ErinnerungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt