„Falls dir doch etwas fehlen sollte, senden wir es dir per Eule nach, Liebling, ja?"
Seine Mutter tätschelte ihm den Kopf und beinahe entsetzt entzog er sich ihr.
Himmel, was dachte sie eigentlich, wie alt er war?
„Und was, wenn es etwas so Großes ist, dass so eine dämliche Eule es nicht tragen kann?", maulte er, wütend darüber, dass seine Mutter ihn hier, auf dem Bahngleis, blamiert hatte.
Er konnte nur hoffen, dass niemand es gesehen hatte, insbesondere die Jungs nicht.
„Was solltest du denn so Großes vergessen haben, was eine Eule nicht tragen könnte?", erkundigte sich seine Mutter mit hochgezogener Augenbraue und skeptisch gekräuselter Nase.
„Ach, ich weiß nicht...", sagte er möglichst unschuldig.
„Draco", mischte sich sein Vater ein. „Du weißt sehr wohl, dass größere Pakete von mehreren Eulen getragen werden. Außerdem bin ich Schulrat, wie du weißt. Es ist also möglich, dass ich gelegentlich in Hogwarts bin, dann kann ich dir auch etwas vorbeibringen."
„Einen Besen zum Beispiel?", fragte er hastig.
Das Gesicht seines Vaters verfinsterte sich.
„Draco, das Thema hatten wir ja nun wohl schon zu Genüge."
„Aber Vater! Ich will einen eigenen Besen! Es ist unfair, dass Erstklässler keinen haben dürfen, ich fliege so gut, und-"
„Lass es, Draco. Schulregel ist Schulregel, und auch wenn es eine fragwürdige Regel ist, ist es eben eine Regel."
„Du hast selbst gesagt, zumindest Reinblutkindern sollte erlaubt werden-"
„Ich weiß, was ich gesagt habe", fiel sein Vater ihm erneut ins Wort. „Kinder wie du haben auch genug Erfahrung mit Rennbesen. Aber in Hogwarts wird eben auch Rücksicht auf... die anderen genommen, so ist das nun einmal."
Draco fand es schrecklich unfair, dass er keinen Besen haben durfte, weil es Kinder gab, die vor Hogwarts noch nie auf einem gesessen hatten.
„In Durmstrang hättest du dieses Problem nicht gehabt", ergänzte sein Vater in ätzend belehrendem Ton. „Aber deine Mutter und, wie ich dich erinnern darf, auch du, ihr wolltet unbedingt, dass du nach Hogwarts gehst."
Draco brummte ungehalten, schwieg nun aber.
Ja, seine Mutter hatte sich dagegen ausgesprochen, ihn nach Durmstrang zu schicken, weil sie ihn nicht so weit weg von sich wissen wollte, und wenn er ehrlich war, machte ihm der Gedanke, in einem fremden Land zur Schule zu gehen schon ein wenig Angst. Außerdem gingen alle seine Freunde nach Hogwarts. Hinzu kam, dass seine Mutter ihm einen zweiten Geburtstagskuchen versprochen hatte, wenn er seinem Vater deutlich sagte, dass er nicht nach Durmstrang gehen wollte.
„Wir sollten langsam das Gepäck einladen", stellte seine Mutter fest und mit einem Schlenk ihres Stabes ließ sie seinen Koffer und sein Handgepäck durch eine geöffnete Waggontür in den Zug schweben.
„Kommst du drinnen alleine mit dem Gepäck klar? Es ist schwer."
Draco verdrehte die Augen.
„Natürlich, Mutter. Der Koffer hat Rollen."
„Gut, dann sollten wir uns nun verabschieden", stellte seine Mutter fest.
Widerwillig ließ Draco sich von ihr umarmen. Sein Vater klopfte ihm kurz auf die Schulter.
„Gut... dann... bis Weihnachten", sagte Draco, in bemüht ruhigem und schleppendem Tonfall, den er stets anschlug, wenn er eigentlich nervös und aufgeregt war und es nicht zeigen wollte. „Wir sehen uns an Weihnachten."
Merlin, er würde das erste Mal in seinem Leben monatelang von Zuhause fort sein!
Eine Mischung aus Aufregung und Angst ergriff von ihm Besitz.
„Hey, Draco!"
Ein Grinsen stahl sich auf seine Lippen, als er den Jungen aus der Menge auf sich zukommen sah, der ihn gerufen hatte und der seinen Koffer hinter sich herzog. Zusätzlich hatte er eine Tasche geschultert.
„Hi", begrüßte er seinen Freund möglichst lässig.
„Ich habe dich schon überall gesucht! Ah, hallo, Mr Malfoy, Mrs Malfoy."
Höflich nickte er Dracos Eltern zu.
„Theodore! Wie schön, dass du Draco gefunden hast."
Seine Mutter schenkte dem Ankömmling ein schmales, flüchtiges Lächeln.
„Ja, ich freue mich auch", bestätigte Theo und grinste Draco an. Seine dunkelblauen Augen funkelten unternehmungslustig.
Und plötzlich hatte Draco es viel eiliger, in den Zug zu kommen.
Bei Merlin, er würde nun jeden Tag mit Theo und den anderen verbringen können. Das wurde ihm erst jetzt so richtig bewusst.
Er kannte Theo und einige andere Reinblutkinder von klein auf, aber sie hatten sich viel zu selten gesehen.
Meistens sahen sie sich bei Geburtstagen und großen Reinblutveranstaltungen, aber da waren sie eher selten unter sich.
Seine Mutter half Theo, der alleine da war, mit dem Koffer und ließ ihn neben Dracos schweben.
Die anschließende, erneute Verabschiedungsprozedur ließ er widerwillig über sich ergehen, dann stiegen sie endlich ein.
Auf dem Gang im Zug war viel los, hauptsächlich viel ältere Schülerinnen und Schüler suchten sich gerade Plätze, unterhielten sich lautstark, alberten herum oder winkten aus dem Fenster.
Sofort wurde Draco etwas unsicher. Erst jetzt wurde ihm bewusst, mit wieviel fremden Jugendlichen und Kindern er sich in der nächsten Zeit auseinander setzen musste.
Gesehen hatte er schon ein paar in der Winkelgasse, als er mit seinen Eltern alles für den Schulbesuch besorgt hatte, aber unterhalten hatte er sich bisher nur mit einem. Ein dünner, schwarzhaariger Junge mit Brille, der etwas verloren wirkte und neben ihm bei Madam Malkins angekleidet wurde. Draco hatte versucht, ihn in ein Gespräch zu verwickeln, nachdem er sich versichert hatte, dass der Junge aus einer Zaubererfamilie kam. Er hatte es mit den Dingen versucht, über die er mit seinen Freunden redete, wie Quidditch, aber der Junge wirkte nicht interessiert daran, also hatte Draco über Hogwarts geredet, aber auch darauf war der Junge nicht eingegangen. Ein merkwürdiger Typ war das gewesen, wenn er jetzt so rückblickend darüber nachdachte. Irgendwie verschlossen, und dadurch hatte er ziemlich überheblich gewirkt und so, als wenn er mit anderen nichts zu tun haben wollte.
Draco sah Theo an, der sich an den Griff seines Koffers klammerte und auch etwas verunsichert wirkte.
„Komm", sagte er deshalb. „Lass uns ein Abteil für uns suchen."
DU LIEST GERADE
A Death Eater's Tale
FanfictionJeder kennt sie - die Geschichte vom Jungen, der überlebte. Auch Draco Malfoy muss in seinem Leben immer wieder feststellen, dass die Geschichte dieses Jungen Einfluss auf seine eigene Geschichte hat. Auch wenn er es anfänglich nicht bemerkt und spä...