Zurück nach Hogwarts

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Da stand sie. Alleine.
Sie wirkte mindestens genauso irritiert wie Draco. Suchend glitt ihr Blick über die Menge.
Nachdem Draco seinen Eltern eingehend versichert hatte, dass er alleine durch die Barriere zwischen den Gleisen neun und zehn gehen konnte, hatten sie sich noch auf dem Muggelbahnhof verabschiedet.
Draco hatte seine Freunde ziemlich schnell gefunden, und zu fünft hatten sie ihr Gepäck in den Hogwartsexpress gehievt, ehe sie sich zusammen ein Abteil suchten.
Er hatte seine Freunde alle in den Ferien gesehen - er war mit Pansy schwimmen gewesen und Eis essen, hatte mit den Jungs Quidditch gespielt oder einfach gequatscht. Vincent und Greg klebten in den ganzen Wochen extrem aneinander, aber natürlich traf auch Draco sich mit den beiden. Theo sah er regelmäßig, zwei Wochen hatte dieser sogar komplett im Manor gewohnt. Das waren die beiden besten Wochen der gesamten Ferien gewesen und Draco hatte das Gefühl, Theo wäre gerne sogar noch länger bei ihm geblieben, was Draco ihm nicht verdenken konnte. Er hatte Mr Nott nur ein einziges Mal in den Ferien gesehen, und das hatte ihm schon gereicht. Draco traute sich in seiner Gegenwart kaum zu atmen, so streng war er.
Blaise hatte er am wenigsten gesehen, einerseits, weil seine Eltern ihm ein Treffen mit Blaise zwar nicht verboten, sie es aber nicht so gerne sahen und andererseits, weil auch Blaise' Mutter nicht begeistert davon war, sagte sie doch, Ferienzeit sei eben Familienzeit.
Blaise war froh, jedes Mal, wenn er sich mit Draco oder Theo oder beiden zusammen treffen durfte. Freizeit hatte er in seinen Ferien nämlich Dank seiner Mutter kaum, da sie ihn für einen Intensivkurs Russisch angemeldet hatte - nicht, dass Blaise nicht bereits fließend Französisch, Spanisch und Italienisch sprach, aber scheinbar reichte das nicht - und er musste einen Tanzkurs besuchen sowie seine Klavier- und Geigenkünste auffrischen.
Auch Theo und Draco selbst sprachen fließend Französisch und auch ein wenig Spanisch, und auch sie mussten viel zu viele Tage der Ferien am Klavier sitzen und üben, aber es war nichts im Vergleich zu dem, was Blaise durchmachen musste.
Draco beneidete weder ihn noch Theo, der wieder einmal nicht über die blauen Flecken sprach, die man auf seinem Körper sah, als er mit seinem Koffer für die zwei Wochen vorm Herrenhaus der Malfoys stand.
Aber nun würde sowieso wieder alles anders werden, denn bald würden sie auf dem Weg nach Hogwarts sein.
Noch hatte sich der Zug aber nicht in Bewegung gesetzt, es waren auch noch nicht alle Schülerinnen und Schüler eingestiegen.
So auch Hermine Granger.
Draco hatte das Fenster herunter geschoben und stand auf dem gepolsterten Sitz, um sich hinauslehnen zu können.
So konnte er Hermine Granger gut im Blick behalten.
Merkwürdig. Wo waren Potter und Weasley?
Die Freundin der beiden schien sich das selbe zu fragen, sie wurde immer nervöser und sah sich zunehmend hektisch um.
Schließlich, als auf dem Bahnsteig nur noch Erwachsene und ein paar jüngere Geschwister standen, gab sie es offensichtlich auf und schob mühsam ihren schweren Koffer in den Zug.
„Na, genug gestarrt?"
Draco drehte sich im Stehen um, hielt sich am geöffneten Fenster fest und sah zu Theo, der ihn angesprochen hatte.
Blaise war dabei, zusammen mit Vince und Greg irgendeinen Scherzartikel zu begutachten, denn offensichtlich hatte Blaise den Laden Freud und Leid besuchen dürfen.
Theo saß daneben, in einer lässigen Haltung, die er sich irgendwie in den Sommerferien angewöhnt hatte, widmete seine ganze Aufmerksamkeit aber nicht dem Scherzartikel, sondern Draco.
Das braune Haar seines Freundes war verwuschelt wie Draco es kannte, die dunkelblauen Augen blitzten ihn merkwürdig neckisch an.
„Hm?"
„Ob du genug gestarrt hast?"
Draco hüpfte vom Sitz und setzte sich.
„Hab mich nur ein bisschen umgesehen", sagte er.
Theo lupfte eine Augenbraue.
„Hm", machte er.
Draco warf einen Blick auf den Scherzartikel in Blaise' Hand, nahm aber gar nicht so richtig wahr, um was es sich handelte. Seine Gedanken kreiste um etwas anderes.
„Er war nicht auf dem Bahnsteig", stellte er fest.
„Wer?", fragte Theo.
„Potter", erklärte Draco. „Von ihm war nichts zu sehen. Von Weasley auch nicht."
Nun legte sich Theos Stirn leicht in Falten.
„Merkwürdig", sagte er.
Das schätzte Draco so an seinem Freund. Er nahm die Dinge stets ernst, wenn Draco sie ernst nahm, und spielte sie niemals herunter.
„Lasst uns durch den Zug gehen und uns umhören, ob jemand was mitbekommen hat, wo sie stecken", mischte sich Blaise ein, der den Scherzartikel weggepackt hatte.
Mit einem leichten Ruck setzte sich der Hogwartsexpress in Bewegung.
Blaise und Theo hatten sich bereits erhoben.
„Passt ihr auf das Gepäck auf?", fragte Theo Vincent und Gregory.
„Klar", antwortete Greg sofort.
Während sie zu Dritt durch den Gang tingelten, begann die Landschaft immer schneller an ihnen vorbeizuziehen.
Unterwegs trafen sie auf allerlei Schülerinnen und Schüler aus allen Häusern und Jahrgangsstufen, auch ein paar verwirrte Erstklässler.
Ein Mädchen mit langen blonden Haaren und auffällig großen, wässrig blauen Augen kam ihnen fröhlich entgegen, sie strahlte sie an, als seien sie alte Freunde, und als sie mit ihnen auf einer Höhe war, machte sie ein paar verspielte Hüpfer, so dass die bunten Ohrringe an ihren Ohrläppchen wippten.
Draco, Theo und Blaise tauschten rasche Blicke.
Das Mädchen war geringfügig jünger als sie selbst und eindeutig sehr merkwürdig.
Sie dachten aber nicht viel über das Mädchen nach, denn beim nächsten Abteil wurde abrupt die Tür aufgeschoben und zusammen mit einem Schwall Qualm wurde Marcus Flint herausgespült, der laut „Ihr Wichser!" rief, dabei aber lachte.
Sie erfuhren nicht, was die anderen Jungs im Abteil mit Marcus gemacht hatten, denn dieser entdeckte sie in diesem Moment und es gab ein großes Hallo. Kurz steckten sie auch die Köpfe ins zugequalmte Abteil und wurden ebenso freudig von Marcus' Freundeskreis begrüßt, der zum größten Teil aus den Mitgliedern der Quidditch-Mannschaft bestand.
Draco fand es ziemlich mutig, dass sie im Hogwartsexpress rauchten - andererseits, wer sollte sie schon erwischen? Die Vertrauensschüler und -schülerinnen gingen erst am Ende der Zugfahrt rum, und die einzige, vor der sie sich noch in Acht nehmen mussten, war die Hexe mit dem Servierwagen.
Nach ein paar rasch ausgetauschten Worten gingen sie weiter.
Es war Draco zu weit hergeholt vorgekommen, Marcus und die anderen nach Potter zu fragen, und hätten diese etwas mitbekommen, hätten sie es sicherlich von alleine erzählt.
Aber vielleicht trafen sie ja ein paar Gryffindors, Freunde von Potter oder Geschwister von Weasley, die sie belauschen konnten.
War es möglich, dass Potter und Weasley in den Ferien so großen Mist gebaut hatten, dass sie von der Schule geflogen waren? Das wäre ja tatsächlich ein Traum.
Andererseits - was sollte der heilige Potter Schlimmes getan haben, um von der Schule zu fliegen? Ihm wurde ja so ziemlich alles verziehen.
Ein Stück weiter den Gang hinunter kamen sie tatsächlich an einem Abteil vorbei, in dem die Weasley-Zwillinge mit ihren Freunden saßen, aber durch die Scheibe konnten sie nicht hören, was sie redeten, allerdings lachten sie und alberten herum, es wirkte nicht so, als würden sie sich um ihren jüngeren Bruder und dessen besten Freund sorgen.
Alle weiteren Abteile, an denen sie vorbeikamen, waren geschlossen, und durch die Scheiben konnten sie sehen, dass niemand darin saß, der irgendwie in Verbindung mit Potter stand.
Schließlich kamen sie an einer kleinen Gruppe Drittklässlerinnen vorbei, Draco wusste nicht, aus welchem Haus sie waren, er konnte nur mit Sicherheit sagen, dass es keine Slytherins waren, denn die kannte er mittlerweile alle. Er konnte auch nur schätzen, dass die Mädchen in der Dritten sein mussten.
Sie tuschelten, als Draco und seine Freunde näher kamen, und instinktiv spannte Draco sich an. Unbewusst musste er sofort an seine erste Zugfahrt nach Hogwarts denken, als er auf diese dämliche Ravenclaw, Milana, getroffen war, die sich über seinen Namen lustig gemacht hatte.
Zu Dracos Überraschung zwinkerte Blaise den Mädchen verschmitzt zu, woraufhin sie leise kicherten, aber es war kein Kichern, weil sie sich lustig machten, sondern eher ein verlegenes Kichern, was sich noch steigerte, als Theo sie flüchtig angrinste.

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