Draco benötigte eine Weile, um sich von dem Schreck zu erholen, den er sich im Verbotenen Wald zugezogen hatte.
Blaise, Theo, Greg und Vincent waren schockiert, als sie hörten, was seine Strafarbeit gewesen war. Theo merkte an, dass er von älteren Schülern mitbekommen hatte, dass Schulregeln abschreiben tatsächlich nicht zwingend zu den typischen Strafaufgaben in Hogwarts gehörte, sondern eher Dinge wie Pokale abstauben oder Gartenarbeit in den Gewächshäusern.
Wie die Schulleitung auf die Idee gekommen war, Erstklässler an einem so gefährlichen Unterfangen teilhaben zu lassen und auch noch nur von jemandem wie dem Wildhüter begleiten zu lassen, war ihm ein Rätsel.
„Du solltest es deinen Eltern erzählen", befand Theo, aber das wollte Draco nicht.
Er war sich nicht sicher, ob sein Vater ihn dann nicht von der Schule nehmen würde.
Schockiert waren die Jungs außerdem über dieses Wesen, was das Blut des Einhorns getrunken hatte. Keiner konnte sich erklären, was es gewesen sein könnte und welches Wesen Einhornblut trank und außerdem überhaupt die Macht besaß, ein Einhorn zu töten.
Theo versuchte, etwas in den Büchern darüber herauszufinden, aber er fand nicht einmal den kleinsten Hinweis.
„In der üblichen Literatur steht sowas nicht", meinte er. „Sowas findet man bestimmt nur in der Verbotenen Abteilung."
Die Verbotene Abteilung. Ein Bereich in der Bibliothek, der vom ersten Tag an Faszination auf Draco und seine Freunde ausgeübt hatte. Mit neidischen Blicken hatten sie stets beobachtet, wie ältere Schülerinnen und Schüler mit der schriftlichen Erlaubnis einer Lehrkraft hineingingen und recherchierten.
Was wohl alles Spannendes und Geheimes in den Büchern dort stand?
Leider hatten sie durch die Prüfungen weder Zeit, sich darüber Gedanken zu machen noch über die Kreatur im Wald oder eine Kontaktaufnahme mit den Wassermenschen.
Draco fügte seinen Notizen lediglich hinzu, dass Hufflepuff vermutlich den Verbotenen Wald als Schutzmaßnahme angelegt oder zumindest magisch verändert hatte - außerdem legte er eine neue Notiz an: gruselige Kreatur - Hinweis in der Verbotenen Abteilung?
Jedenfalls rückte das Schuljahresende in riesigen Schritten immer näher und Hooch hatte bei ihrer allerletzten Flugstunde eine kleine Überraschung für sie: Bisher waren die Stunden immer von ihr angeleitet, in dieser Stunde durften sie das Quidditchfeld und auch das Gelände darum herum nutzen und frei ausprobieren, was sie wollten.
Sie erklärte, dass sie ab dem zweiten Schuljahr sowieso frei fliegen durften in ihrer Freizeit und so konnten sie in dieser Stunde schon einmal beweisen, dass sie verantwortungsvoll damit umgingen.
Draco war froh, dass die Gryffindors sich genauso automatisch zusammenrotteten wie die Slytherins und sie kommentarlos eine Aufteilung auf dem Quidditch-Feld machten: Die Gryffindors bekamen einen Quaffel und die Slytherins einen anderen, beides alte, ausrangierte Exemplare, und spielten damit auf genau den entgegengesetzen Seiten des Feldes.
Draco stellte fest, dass die meisten Mädchen schnell das Interesse verloren und auf den Rängen irgendetwas anderes taten, beispielsweise die spielenden Schüler beobachten. Bei den Gryffindors achtete Draco nicht darauf, wer noch spielte und wer nicht, aber in seinem eigenen Haus verschaffte er sich einen Überblick.
Während Greg, Vince, Theo, Blaise und er selbst nicht genug davon bekamen, eine leicht abgewandelte Form von Quidditch zu spielen, übten Tracey Davis und Daphne Greengrass das korrekte Starten und Landen.
Pansy und Millicent hatten sich auf die Ränge gesetzt und beobachteten ihre Hauskameraden und die Gryffindors beim Spielen. Draco sah selbst über die Entfernung, dass sie über die Gryffindors lästerten.
Und irgendwann fiel es Draco auf: Egal, was sie gerade taten, alle Schülerinnen und Schüler waren hier, auf dem Quidditch-Feld.
Alle, bis auf eine.
Von Hermine Granger war nichts zu sehen.
Sie war aber zu Beginn des Unterrichts definitiv dagewesen.
Nun, sie hatte ja auch keine Pflicht, hier zu sein. Hooch hatte deutlich gesagt, dass sie tun konnten, was sie wollten, solange es im weitesten Sinne etwas mit Besen und Fliegen zu tun hatte. Vielleicht flog das Gryffindor-Mädchen einfach über das Gelände.
Es war ihm egal. Er wollte selbstverständlich nicht wissen, wo sie war.
Und ebenso selbstverständlich wollte er wirklich einfach mal selbst eine kleine Runde über das Gelände fliegen, als er dies seinen Freunden verkündete. Er war natürlich nicht neugierig, was sie wohl machte.
Draco fand sie ziemlich schnell.
Sie stand versteckt hinter der Tribüne, der Besen lag neben ihr auf dem Boden.
Draco landete in der Nähe und versteckte sich halb hinter einem breiten Trägerpfosten, um sie zu beobachten.
Ihr Haar war vollkommen chaotisch, vielleicht hatte sie darin gewühlt? Theo hatte die Angewohnheit, das zu tun, wenn ihn irgendetwas aufregte.
Aber über was sollte sie sich aufregen?
„Hoch!", befahl sie dem Besen, aber erst beim zweiten Mal reagierte dieser und schwebte - fast ein wenig widerwillig - auf Hüfthöhe.
Draco hatte aber auch deutlich ihr Zögern herausgehört. Er wusste, man musste einen Zauber auch so meinen, sonst funktionierte er nicht. Offensichtlich war Hermine Granger zu zögerlich.
Aber warum?
„Ok, ich schaff das", hörte er sie leise zu sich selbst sagen, ehe sie sich auf den Besen schwang.Deutlich sah er, wie sie tief einatmete.
„Na komm schon", murmelte sie so leise, dass er es gerade noch so verstand.
Dann stieß sie sich vom Boden ab.
Unsicher schwebte sie einen lächerlichen halben Meter über dem Boden. Der Besen wackelte dabei, da sie einfach nicht still saß.
Als sie versuchte, unsicher ein paar Meter weit zu fliegen, geriet sie endgültig ins Trudeln und landete unsanft.
„Was wird das, wenn es fertig ist?"
Sie zuckte erschrocken zusammen und fuhr zu ihm herum, während er gemächlich, den eigenen Schulbesen in der Hand, auf sie zu schlenderte.
„Was machst du hier?", fauchte sie.
Draco zog eine Augenbraue hoch.
„Wow, Potters und Weasleys Freundlichkeit färbt aber schnell ab", bemerkte er sarkastisch.
Ihre Wangen färbten sich rot, dann holte sie tief Luft.
„Tut mir leid, ich war nur überrascht", sagte sie dann.
„Überrascht oder ertappt?", feixte er und sie wurde noch röter.
„Beides", entgegnete sie dann beinahe trotzig.
„Ertappt? Wobei?", fragte er und schlenderte noch näher, so dass er nun direkt bei ihr stand. „Man könnte fast meinen, du hast Angst vor dem Fliegen. Aber in den bisherigen Flugstunden hast du doch bei allem mitgemacht."
Sie presste fest die Lippen zusammen.
„Du hast Angst", stellte er fest.
Erstaunlich, wie leicht man Gryffindors durchschauen konnte, dachte er.
Trotzig warf sie den Kopf zurück. Die Locken flogen.
„Und wenn schon", schnaubte sie. „Fliegen ist ja nun auch wirklich nicht ungefährlich."
„Wenn du es gefährlich findest und Angst hast, warum hast du dann im Unterricht bei allem mitgemacht?"
„Da war Madam Hooch dabei, der vertraue ich und die hatte immer ein Auge auf mich, aber jetzt sollen wir alleine üben. Da kann sonstwas passieren."
„Sogar Longbottom fliegt ein bisschen", meinte Draco überrascht.
Sie musste wirklich große Angst haben. Das passte gar nicht zu den ansonsten so leichtsinnigen Gryffindors.
„Ich fliege ja auch", sagte sie patzig.
„Na, wenn du das fliegen nennen willst", schnarrte er und trieb ihr somit endgültig die Röte in die Wangen.
Draco verstand nicht so ganz, warum es ihm eine solche Freude machte, sie zum Erröten zu bringen. Aber vermutlich gefiel ihm einfach, wenn sie sich aufregte.
„Ich weiß, dass du es viel besser kannst", fuhr sie ihn an. „Aber ich übe ja gerade, damit ich auch besser werde."
Draco spürte gegen seinen Willen, wie nach ihren Worte seine Brust stolz anschwoll.
Er konnte es viel besser, hatte sie gesagt.
„Naja, ich saß schon auf einem Besen, als ich angefangen habe zu laufen", prahlte er. „Das wirst du so schnell nicht aufholen können."
Sie schnalzte ungeduldig mit der Zunge.
„Ich habe auch alles andere in Bezug auf Magie später angefangen und kriege es gut hin, da werde ich ja wohl auch das mit dem Fliegen hinkriegen."
„Na, wenn du meinst."
Er hielt es bei ihr als Schlammblut für sehr unwahrscheinlich, dass sie alles so gut hinbekommen würde wie ein Reinblut.
Ihre Augen blitzten wütend.
„Seit wann redest du überhaupt wieder mit mir?"
Stimmt, da war ja was.
Er sollte auf keinen Fall mit einem Schlammblut Kontakt pflegen, aber aus irgendeinem Grund zog sie ihn wie magisch an.
Und hier war gerade niemand, also warum sollte er nicht versuchen, vielleicht noch etwas über diesen dämlichen Potter herauszufinden?
„Ich war nur neugierig, warum du nicht bei deinen Lieblingen Potter und Weasleys bist."
„Sie sind nicht meine-"
„Du bist in Potter verknallt, stimmt's?"
Er behielt sie aufmerksam im Blick.
Da war nichts als Überraschung in ihrem Blick, aber vielleicht spielte sie das auch nur vor.
„Quatsch."
„Frag ihn doch einfach, ob er dir beim Fliegen hilft", schlug Draco vor.
„Nein", sagte sie, überraschend bestimmt.
Draco war verwundert. Offensichtlich schämte sie sich wohl vor ihren Freunden.
„Du darfst den Besen nicht so verkrampft festhalten", sagte er ruhig. „Auch wenn du Angst hast, lass die Hände etwas lockerer. Und fass den Stiel nicht so nah an deinem Körper an, mach die Arme etwas länger. Dann kannst du das Gleichgewicht besser halten und hast den Besen auch mehr unter Kontrolle."
„Hm", machte sie skeptisch.
„Vertrau mir", rutschte ihm heraus.
Nachdenklich musterte sie ihn.
„Du bist merkwürdig", stellte sie fest. „Aber danke."
Merkwürdig. Ja, er verstand die Aussage. Es musste durchaus merkwürdig für sie sein, dass er Anfang des Schuljahres so nett zu ihr gewesen war, er sie dann monatelang ignoriert hatte und nun wieder normal mit ihr redete.
Er musste mit Letzterem auch dringend wieder aufhören. Das hier musste eine einmalige Ausnahme gewesen sein.
Draco nickte ihr stumm zu und schwang sich lässig auf seinen Besen, ehe er gekonnt abhob und ein Stück weit flog.
Deutlich bemerkte er, wie sie ihn dabei aufmerksam beobachtete, und er war sich ziemlich sicher, eine gewisse Bewunderung in ihrem Blick zu sehen.
Er flog zurück Richtung Quidditch-Feld, über die Tribüne hinweg, aber als er sich noch einmal im Flug umdrehte, sah er, dass sie ebenfalls vorsichtig vom Boden abgehoben war.
Draco grinste, denn er sah, dass sie seine Tipps beherzigte.
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A Death Eater's Tale
FanficJeder kennt sie - die Geschichte vom Jungen, der überlebte. Auch Draco Malfoy muss in seinem Leben immer wieder feststellen, dass die Geschichte dieses Jungen Einfluss auf seine eigene Geschichte hat. Auch wenn er es anfänglich nicht bemerkt und spä...