Zaubertränke

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Draco streckte sich genüsslich.
Er hatte außerordentlich gut geschlafen.
Aber im nächsten Moment stutzte er.
Sein Fuß berührte einen anderen Körper, und über seinem Bauch lag ein fremdes Bein.
Er benötigte mehrere Sekunden, ehe die Erinnerungen wieder präsent waren: An seine Unruhe gestern Abend, die Wassermenschen, die Unterhaltung in Blaise' Bett.
Himmel, er war in Blaise' Bett eingeschlafen!
Das Bein auf ihm bewegte sich leicht.
„Guten Morgen, Schlafmützen!"
Draco blinzelte und sah Blaise am Kopfende des Bettes sitzen. Er grinste breit.
„Was...?", murmelte Draco verwirrt und hob leicht den Kopf an.
Neben ihm blinzelte Theo müde, das braune Haar noch wirrer als es sonst ohnehin schon immer war.
Draco begriff: Sein Fuß hatte Blaise berührt, und das Bein auf ihm gehörte Theo, der es nun träge beiseite zog.
„Was'n los?", nuschelte auch er.
Blaise lachte.
„Ihr seid hier eingeschlafen. Das wird jetzt aber nicht zur Gewohnheit, ok?"
Draco richtete sich schlaftrunken auf und Theo griff nach einem Zipfel der Decke, um sie sich über den Kopf zu ziehen.
„Wie... wie spät ist es?", fragte Draco.
„Keine Ahnung", sagte Blaise fröhlich und Draco fragte sich, wie er schon so wach sein und am frühen Morgen so gute Laune haben konnte. „Aber Lucian war grad hier und hat uns geweckt - oder mich geweckt, wie man es nimmt, außer mir hat nämlich keiner den Kopf hinter dem Vorhang vorgestreckt."
„Müssen wir aufstehen?"
„Ja, Lucian meinte, ich soll euch allen bescheid sagen, dass wir in einer halben Stunde beim Frühstück sein sollen."
Ein dumpfes Stöhnen drang unter der Decke hervor.
Theo wirkte nicht so, als würde ihn der Gedanke in Begeisterung versetzen.
„Ich geh schon mal ins Bad", verkündete Blaise und setzte seine Worte dann auch sofort in die Tat um.
Draco schüttelte den Kopf darüber, wie schnell er unter der Decke hervorkrabbelte und durch den Vorhang verschwand.
Er ließ sich wieder nach hinten kippen und starrte einen Moment an den grünen Baldachin des Himmelbetts.
Irgendwann drehte er sich auf die Seite und zog Theo die Decke vom Gesicht.
„Uah, lass das", maulte dieser und wollte die Decke zurückerobern, aber Draco hielt sie eisern fest.
„Wir müssen aufstehen", sagte er.
Und ja, eigentlich würde er jetzt gerne bald ins Bad, denn seine Blase fing ziemlich an zu drücken.
„Gleich", brummte Theo und Draco gab es auf.
Auch er wäre noch gerne liegengeblieben, aber der Unterricht würde bald beginnen und er hatte keine Lust, daran mit leerem Magen teilzunehmen.
Also stand er auf und sah sich im Zimmer um, das genauso aussah wie tags zuvor.
Sie hatten ihre Sachen in Schränken verstaut und das leere Gepäck in einer Ecke gestapelt. Neben jedem Bett stand ein Hocker, auf dem ihre Schuluniformen bereit lagen, die sie gestern abgelegt hatten. Auf diesen Hockern lagen bereits gestern, als sie den Raum betreten hatten, die Slytherin-Krawatten und die Umhänge mit dem Wappen ihres Hauses bereit.
„Greg? Vince?"
Es kam keine Reaktion hinter den Vorhängen hervor, nur hinter Vincents Vorhang hörte man immer noch ein leises Schnarchen.
Draco zuckte mit den Schultern, holte sich eine frische Boxershorts aus dem Schrank und starrte ungeduldig auf die Badezimmertür.
Als diese endlich geöffnet wurde, sauste er an Blaise vorbei.
„Schlafen die anderen etwa immer noch?", echauffierte der sich und brüllte dann: „Ey! Aufstehen jetzt!"
Draco achtete nicht mehr auf ihn und die anderen, sondern schloss sich im Bad ein.
Er hatte gestern Abend nicht geduscht, wollte er dies doch heute Morgen erledigen, aber die Zeit war dafür nun definitiv zu knapp, mussten Theo, Gregory und Vincent schließlich auch noch ins Bad.
Also erledigte er schnell seine Morgentoilette und beließ es bei einer Katzenwäsche, ehe er in die frische Boxershorts schlüpfte, um dann das Bad frei zu machen und seine Uniform für seinen ersten Schultag anzulegen. Er war gespannt, wie die erste Woche verlaufen würde.


Der Zaubertrankunterricht fand tief unten bei ihnen im Kerkerbereich statt.
Es war das erste Mal in dieser Woche, dass sie Unterricht bei ihrem Hauslehrer haben würden.
Diesen hatten sie bereits kennengelernt. Er hatte sich am ersten Schultag abends kurz im Gemeinschaftsraum bei ihnen vorgestellt, aber es war ein kurzer, nichtssagender Auftritt gewesen, für Draco ohnehin unspektakulär, denn er kannte Professor Severus Snape bereits.
Draco wusste, er und sein Vater kannten sich von früher, aus der Schule, wobei sein Vater mal in einem Nebensatz erwähnt hatte, dass sie gar nicht so viele Berührungspunkte gehabt hatten, als sie jung waren. Dracos Vater war Vertrauensschüler, als Snape eingeschult wurde, soviel wusste Draco. Aber er wusste auch, dass sie später, nach der Schule, irgendwann mehr Kontakt gehabt haben mussten. Dracos Vater sagte etwas davon, sie hätten sich nach der Schule einem gemeinsamen Interessenkreis angeschlossen, was immer das heißen sollte. Es klang für Draco nicht nach einer lustigen Truppe, die zusammen Zauber-Schnipp-Schnapp spielte oder so, aber sein Vater wollte nicht mehr dazu sagen.
Jedenfalls war Snape schon ein paar mal bei ihnen Zuhause gewesen, zweimal sogar kurz vor Dracos Fahrt nach Hogwarts, und er hatte, ruhig, geduldig, aber sehr griesgrämig und kurz angebunden, ein paar Zaubertränke mit Draco gebraut, um ihn so auf das Unterrichtsfach vorzubereiten.
Draco fand diesen Mann zu diesem Zeitpunkt schon... merkwürdig, und daran änderte sich nichts, als er sich im Gemeinschaftsraum der Slytherins vorstellte.
Der Professor war ernst, um nicht zu sagen, sein Gesicht wirkte wie eingefroren. Er trug lange schwarze Roben und flatternde Umhänge in der gleichen Farbe, was ihm ein wenig das Aussehen einer Fledermaus verlieh, fand Draco. Die dunklen Augen erinnerten an kalte Tunnel, das schwarze, fast schulterlange Haar hing traurig herab. Über die große Hakennase hinweg musterte er die Erstklässler, erzählte ihnen kurz, dass sie bei ihm Zaubertrankunterricht haben würden und bei wichtigen Fragen auch außerhalb des Unterrichts zu ihm kommen konnten, dann rauschte er wieder davon.
Draco war sich sicher, dass er Snape niemals außerhalb des Unterrichts aufsuchen würde und er war sich auch recht sicher, dass der Professor dies auch nur gesagt hatte, weil sein pädogisches Amt es von ihm verlangte. Er schien nicht wirklich daran interessiert, mit ihnen Kontakt zu haben.
Etwas ähnliches erwähnte er Marcus Flint und Adrian Pucey gegenüber, worauf diese schallend lachten.
„Nein, Snape zieht seinen Unterricht durch und interessiert sich ansonsten null für das, was wir tun", bestätigte Adrian schmunzelnd.
„Aber das hat fast nur Vorteile", ergänzte Marcus mit einem wölfischen Grinsen. „Bei Problemen helfen wir uns sowieso gegenseitig, und anders als die anderen Häuser können wir machen, was wir wollen. Snape ist es egal, wann und wie oft wir feiern, ob wir Mist machen oder was weiß ich. Er schaut über alles hinweg, was wir machen, und guckt dafür bei den anderen Häusern besonders hin. Dadurch haben wir ein ziemlich gemütliches Leben."
„Aber wenn du Probleme hast, kannst du bestimmt zu ihm gehen", meinte Adrian. „Schätze ich. Wissen tun wir es alle nicht, ich glaube, es ist noch keiner auf sein Angebot eingegangen."
Das konnte Draco nur zu gut verstehen. Auch er verspürte kein Bedürfnis, sich seinem Hauslehrer mit irgendetwas anzuvertrauen.
Nein, bereits in den ersten Tagen ging er, wenn er Fragen hatte oder wegen etwas unsicher war, zu Marcus oder Lucian, die immer geduldig und freundlich waren, ebenso wie Ava, die er einmal um Hilfe bat, als er unsicher war, wie er einen Klassenraum finden sollte.
Nun saßen sie also im Klassenraum für Zaubertränke - Draco neben Vincent und Greg, die hier in Hogwarts in den wenigen Tagen noch mehr zusammengeschweißt zu sein schienen - und Theo neben Blaise in der Reihe direkt vor ihnen.
Draco hatte unter den Gryffindors auch das Mädchen mit den Locken, Hermine Granger, entdeckt und ihr kurz zugenickt. Sie hatte mit einem flüchtigen, verlegenen Lächeln reagiert und dann schnell ihre Hände auf ihre Wangen gelegt, ehe sie sich rasch abwandte, und Draco fragte sich, warum sie ständig errötete, wenn sie sich ansahen. Sie schien ihn wohl sehr zu... mögen? Was das möglich? Sie hatten schließlich nur ein paar Worte gewechselt.
Andererseits war sie ihm auch gleich recht symphathisch gewesen.
Wie die anderen Lehrkräfte begann Snape die Stunde mit der Verlesung ihrer Namen von einer Liste.

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