Die Weihnachtsferien rückten näher, und es gab eine Flut an Abmeldungen für diesen Zeitraum - auch ansonsten reisten die meisten Schülerinnen und Schüler über Weihnachten nach Hause, aber dieses Mal schien so gut wie niemand in Hogwarts bleiben zu wollen.
Was kein Wunder war, denn es hatte weitere Opfer gegeben - den Hufflepuff Finch-Fletchley und den Geist der Gryffindors, den Fast-kopflosen-Nick.
Interessanterweise ängstigte gerade diese Tatsache die meisten. Welches Wesen war so gefährlich, dass es selbst jemanden schaden konnte, der bereits tot war?
Denn ja, genauso wie der Hufflepuff war auch der Geist versteinert worden.
Theo sagte, dass das ganze gar nicht so dramatisch sei, schließlich würde Pomfrey ja gerade Alraunen züchten und sobald ein Trank fertig war, konnten schließlich alle Versteinerten wieder erweckt werden.
Draco fand den Gedanken, versteinert zu werden, schon ein wenig gruselig, aber er begriff auch, dass Theo sie alle beruhigen wollte, schließlich blieben sie fast als einzige im Schloss zurück.
Sie mussten eine ziemliche Schimpftirade von Pansy über sich ergehen lassen, die, genauso wie Millicent und die beiden anderen Mädchen aus ihrem Jahrgang, die unscheinbare Tracey und die blonde Daphne, über Weihnachten nach Hause fuhr. Sie war sauer, weil Draco ihr nicht bescheid gesagt hatte, dass er und die anderen Jungs im Schloss blieben.
Zumindest fast alle Jungs.
Denn ja, Theo hatte es bereits vor einer gefühlten Ewigkeit eingerichtet, dass er nicht zu seinem Vater musste in den Ferien, und nachdem Draco seine Eltern ebenfalls überredet hatte, hatten Greg und Vincent nachgezogen. Auch sie würden Weihnachten dieses Jahr in Hogwarts verbringen.
Blaise allerdings konnte in seinem Brief so viel betteln wie er wollte - seine Mutter erlaubte ihm partout nicht, die Ferien mit seinen Freunden zu verbringen.
Dementsprechend niedergeschlagen packte Blaise einen Tag vor Abreise einen kleinen Koffer mit den nötigsten Dingen.
Dann begannen endlich die Ferien.
Eine Stille, so tief wie der Schnee auf den Ländereien, senkte sich über das Schloss.
Lustigerweise hatte es etwas Gemütliches, mit so wenigen im Slytherin-Gemeinschaftsraum zu sitzen. Draco lag häufig langgestreckt am Kamin und Theo las ihm etwas vor. Oder sie spielten zusammen mit Vincent und Gregory Zauberschnippschnapp. Sie konnten auch nicht widerstehen, ein paar Schokofrosch-Wetthüpf-Bewerbe zu veranstalten, obwohl das eigentlich etwas für Erstklässler war. Draco nahm sich außerdem die Zeit, auch selber viel zu lesen - und zu zeichnen. In seinem Notizbuch füllte er nach und nach eine Doppelseite mit allem, was zum Quidditch gehörte: Schnatz, Klatscher, Quaffel, Besen und Schläger. Außerdem zeichnete er eine komplette Slytherin-Quidditch-Uniform. Theo zeigte sich ehrlich begeistert von seinen Zeichenkünsten.
Draco achtete sehr darauf, dass Theo nur die Seiten mit den Zeichnungen sah, die unbedenklich waren. Er durfte weder die Bilder von Granger sehen noch den Brief von ihr, den Draco in das Buch geklebt hatte.
Ein paar andere Slytherins waren auch geblieben, unter anderem Lucian und Ava. Die beiden sah man allerdings nicht viel und keiner von ihnen kommentierte, dass die beiden abends zusammen im Trakt der Jungen verschwanden und auch morgens gemeinsam von dort wieder in den Gemeinschaftsraum kamen. Zumindest in den Ferien schienen die beiden tatsächlich ein Zimmer zu teilen.
Einmal waren Theo und Draco nachts zu dem Zimmer geschlichen, weil die Neugierde sie einfach dazu trieb und sie sanftes Licht unter der Tür hindurch scheinen sahen. Aber kein Geräusch war aus dem Zimmer zu hören, obwohl die Türen eigentlich sehr hellhörig waren, und sie waren sich sicher, dass die beiden einen Stillezauber über das Zimmer gelegt hatten.
Schließlich brach der Weihnachtsmorgen an, kalt und weiß.
Beim Frühstück wurde Draco durch Posteulen mit Päckchen überhäuft. Seine Eltern sendeten ihm Süßigkeiten und viele andere Dinge, unter anderem ein Buch über Quidditch: Auf Jagd mit den Cannons. Außerdem bekam er einen hübschen Adlerfederkiel und vieles mehr. In dem beiligenden Brief stand, dass er weitere Geschenke zum Beginn der Sommerferien bekommen würde, da seine Eltern ihm nicht so viel schicken konnten, wie sie ihm Zuhause vor Ort geschenkt hätten.
Sein Vater hatte ihm außerdem ein besonderes „Geschenk" beigelegt.
Draco stutzte, als er sah, dass ihm ein Exemplar des Tagespropheten beigelegt worden war. Er las für gewöhnlich eher selten Zeitung. Aber dann grinste er breit, als er begriff, warum sein Vater den Propheten geschickt hatte: Es war ein großer Artikel über Arthur Weasley darin.
Dort hieß es, dass Weasley wegen Verzauberung eines Muggelwagens zu einer Geldbuße von fünfzig Galleonen verurteilt wurde. Draco war sich sicher, für die Weasleys musste dies ein horrender Betrag sein, der sie sicherlich in Schwierigkeiten bringen würde. Geschah diesem Weasley Recht. Draco verzieh ihm nicht, dass er seinen Vater angegriffen hatte.
Er packte die Zeitung zu den Geschenken. Theo hatte den Artikel beim Essen mitgelesen, aber Greg und Vince waren lachend so sehr in ein Gespräch und das Frühstück vertieft, dass Draco ihnen den Artikel später zeigen wollte.
Den Vormittag verbrachten sie im Gemeinschaftsraum, am wärmenden Kamin eingekuschelt. Sie alberten herum und erzählten sich lustige Geschichten, und Draco vermisste Blaise. Sein dunkelhäutiger Freund war stets so fröhlich und mit ihm wäre es hier sicher noch witziger. Es tat ihm leid, dass Blaise vermutlich gerade einen todernsten Spaziergang mit seiner strengen Mutter und seinem neuen Stiefvater, den er nicht leiden konnte, machen musste, und heute Nachmittag sicherlich auf eine der langweiligen Reinblutveranstaltungen musste.
Aber Draco war auch gespannt auf das Festessen am Abend. Theo hatte es bereits im letzten Jahr erlebt und sehr davon geschwärmt.
Nach dem Mittagessen hatten sie Hummeln im Hintern und konnten nicht mehr still sitzen. Also zogen sie sich warm an und erkundeten die Ländereien im hohen Schnee. Schließlich blieben sie im Innenhof hängen, der zwar gerade menschenleer war, in dem aber andere Kinder die unterschiedlichsten Schneemänner gebaut hatten, von Hauselfengröße bis riesengroß, fast so hoch wie der Wildhüter, Hagrid.
Theo begann eine Schneeballschlacht, und ohne Absprache bildeten sie Teams, Theo und Draco gegen Vincent und Gregory. Sie rannten lachend über den ganzen Innenhof und suchten Schutz hinter den Schneemännern vor den fiesen Schneebomben der anderen.
Innerhalb kürzester Zeit waren sie trotz der Kälte verschwitzt und hatten rote Wangen. Greg und Vince waren ernstzunehmende Gegner - aufgrund ihres höheren Gewichts waren sie zwar bedeutend schwerfälliger und nicht so schnell und wendig wie Draco und Theo, aber sie hatten überraschenderweise viel mehr Kraft und warfen die Schneebälle sehr zielsicher und mit einem ordentlichen Wumms.
Irgendwann sagten Vince und Greg, sie wollten kurz rein gehen und zum Aufwärmen einen Kakao trinken - das Getränk stand an den Weihnachtsfeiertagen ununterbrochen in der Großen Halle zum Ausschank bereit - aber Theo und Draco hatten dazu keine Lust. Stattdessen warfen sie sich lachend in den Schnee, der noch relativ unberührt war und wo noch nicht so viele Fußspuren zu sehen waren, und machten durch Rudern mit Armen und Beinen Schneeengel.
Irgendwann wurde das langweilig und sie begannen, einen kleinen Schneemann zu bauen.
Mittendrin verkündete Theo, er müsste aufs Klo, und flitzte ebenfalls rein.
Alleine war es im Innenhof ziemlich öde, und kurz überlegte Draco, in die Große Halle zu Vince und Greg zu gehen, aber dann fiel ihm ein, dass Theo ihn dann vielleicht suchen würde, also blieb er, wo er war.
Gerade versank er in dem Gedanken, dass dies viel bessere Weihnachtsferien waren als seine letzten und erneut dachte er mit Bedauern an Blaise, als er sie sah.
Hermine Granger kam auf den Hof und sie wirkte, als hätte sie es eilig.
Rasch versteckte Draco sich hinter einem besonders großen Schneemann.
Ja, zu seinem Leidwesen waren es Sankt Potter und seine beiden Freunde, die ebenfalls zu den wenigen gehörten, die über Weihnachten im Schloss blieben. Von den Gryffindors war es außerdem dieser Vertrauensschüler-Weasley, den Draco kürzlich mit der Vertrauensschülerin der Ravenclaws, Clearwater, hatte Händchen halten sehen.
Draco konnte nicht widerstehen.
Rasch bildete er mit den Händen einen Schneeball und warf ihn nach Granger.
Er traf sie, zielgenau, im Nacken.
Draco grinste, als sie aufquiekte, denn sie trug zwar Mantel und ihre übliche bordeauxrote Mütze, aber dummerweise keinen Schal, so dass der Schnee sie kalt in Haar und Nacken traf und vermutlich auch in ihren Kragen rieselte.
Er versteckte sich, als sie herumfuhr, aber er war sich ziemlich sicher, dass sie ihn gesehen hatte.
Schnell klaubte er Schnee auf und formte den nächsten Schneeball.
Aber er hatte sie unterschätzt.
Als er hinter dem Schneemann hervor werfen wollte, traf ihn Schnee direkt ins Gesicht.
„Das geschieht dir Recht! Du-"
Weiter kam Granger nicht, denn nun hatte er ihr seinen Schneeball direkt ins Gesicht geworfen.
Draco ließ ihr nicht die Zeit, mit ihm zu schimpfen oder gar zum Gegenangriff auszuholen. Er machte einen raschen Satz nach vorne, packte ihr Handgelenk, zog sie zum Schneemann und drückte sie dagegen. Sie quietschte, als ein Teil des Schnees hinter ihr bröckelte und ihr erneut in den Kragen rieselte.
„Was soll das?", fuhr sie ihn an, als sie bemerkte, dass sie zwischen Schneemann und Draco eingeklemmt war. „Lass mich los, oder ich erzähle Professor McGonagall, dass du mich gegen meinen Willen-"
„Klar", unterbrach Draco sie schnarrend, natürlich ohne sich auch nur einen Zentimeter zu entfernen, so dass sie nicht weg konnte. Ihm wurde nur allzu bewusst, dass er einem Mädchn noch nie so nahe gewesen war, vielleicht abgesehen von Pansy, aber das zählte nicht so richtig, die kannte er schließlich schon, seit dem sie Babys waren. Sein Körper lehnte gegen ihren, und trotz der dicken Wintermäntel spürte er deutlich ihre schnelle, hastige Atmung. „Erzähl ihr doch auch gleich, dass du meinen Hauslehrer beklaut hast."
Ihre Augen weiteten sich. Die ohnehin geröteten Wangen wurden dunkelrot.
In ihren langen, dunklen Wimpern hatte sich Schnee verfangen, stellte er geistesabwesend fest.
„Also", fuhr er mit einem leichten Grinsen fort. „Ich lasse dich erst gehen, wenn du mir gesagt hast, was du geklaut hast."
„Ich habe nichts geklaut", hauchte sie, das pure schlechte Gewissen im Gesicht.
„Du bist eine miserable Lügnerin", stellte er sachlich fest.
„Lass mich los", verlangte sie, wich dabei aber seinem Blick aus und wirkte nicht so bestimmend, wie sie es vermutlich gerne hätte.
Er las so viel in ihrem Gesicht.
Sie war wütend, weil er sie einfach so fixierte. Aber sie schämte sich auch, weil sie einen Lehrer beklaut hatte. Und da war immer noch ein schlechtes Gewissen ihm gegenüber, er spürte es deutlich. Warum, verstand er allerdings immer noch nicht. Außerdem machte er sie nervös, warum auch immer.
Himmel, er konnte sie lesen wie ein offenes Buch.
„Also, Granger-", begann er, aber dann hörte er Stimmen und brach ab.
Hastig ließ er sie los und machte einen großen Schritt rückwärts.
Sie nutzte die Chance sofort und flüchtete.
Vincent und Gregory, dessen Stimmen Draco gehört hatte, sahen die flüchtende Gryffindor irritiert an, ehe ihre Blicke zu Draco huschten.
Dieser verfluchte sich innerlich. Er hatte doch vorsichtig sein wollen!
Was genau hatten seine beiden Freunde gesehen? Hatten sie überhaupt etwas gesehen?
Salazar, er hatte schon wieder Kontakt zu dem Schlammblut gehabt! Und sie berührt!
Ehe die beiden etwas sagen konnten, ergriff Draco rasch das Wort.
„Kommt, wir gehen Theo suchen", sagte er und ging vor, ohne Vince und Greg anzusehen.
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A Death Eater's Tale
FanfictionJeder kennt sie - die Geschichte vom Jungen, der überlebte. Auch Draco Malfoy muss in seinem Leben immer wieder feststellen, dass die Geschichte dieses Jungen Einfluss auf seine eigene Geschichte hat. Auch wenn er es anfänglich nicht bemerkt und spä...