„Das ganze ist irgendwie unheimlich."
Blaise saß auf seinem Bett und zog die Beine an den Körper, um sie mit den Armen zu umschlingen.
Greg und Vince hatten es sich im Sitzbereich am Kamin gemütlich gemacht, Theo saß neben Draco auf dessen Bett, auf dem er sich lang ausgestreckt hatte.
Irgendwie unheimlich traf es schon irgendwie, fand Draco.
Seit dem Vorfall gestern hatten sie kaum ein anderes Gesprächsthema.
Filch hatte versucht, die Schrift mit „Mrs Skowers Allzweck-Magische-Sauerei-Entferner" wegzuschrubben, doch ohne Erfolg. Die Worte leuchteten so hell wie zuvor an der Wand.
Es war unheimlich, ja, und gleichzeitig übte die ganze Situation eine merkwürdige Faszination auf Draco aus, genauso wie die Verbotene Abteilung in der Bibliothek oder... ja, ein guter Vergleich war die Nokturngasse. Draco erinnerte sich an seinen letzten Besuch dort, kurz vor Schulbeginn, als er mit seinem Vater da gewesen war, bei Borgin & Burkes. Die dunklen Gestalten in der Gasse machten ihm einerseits Angst, auf der anderen Seite strahlten sie eine düstere Macht aus, die ihn ansprach. Das gleiche galt für die schwarzmagischen Artefakte, die dort verkauft wurden. Vielleicht hatte sein Vater deshalb eine so große Sammlung schwarzmagische Gegenstände Zuhause. Möglicherweise faszinierten sie auch ihn.
Kaum, dass er den Gedanken daran zu Ende gedacht hatte, bildete sich am Rande seines Bewusstseins ein anderer. Er dachte an die Prügelei zwischen seinem Vater und Weasley Senior. Wie erbärmlich die Weasleys doch waren, keiner von ihnen konnte sich mit Worten wehren, ständig wurden sie handgreiflich. Draco dachte daran, wie sein Vater angegriffen worden war von diesem Weasley, der Hausdurchsuchungen wegen des Besitzes schwarzmagischer Artefakte anordnete. Bei seinem Vater würden sie tatsächlich fündig werden... Und kurz, ganz kurz, kratzte etwas am Rande seines Bewusstseins, eine Erinnerung, die von Bedeutung sein könnte und-
„Ich finds spannend", brummte Greg und Draco spürte, wie ihm der Gedanke wie ein widerspenstiger Schnatz entglitt. „Ich frage mich, welcher Erbe da wohl gemeint ist."
„Theo, hattest du nicht eine Idee?", fragte Vincent.
Theo, der bei Gesprächen über den Vorfall an Halloween immer seltsam still wurde, zögerte einen kurzen Moment.
„Keine Idee", sagte er dann. „Ich habe nur gesagt, dass ich glaube, mal was über eine Kammer gelesen zu haben. Und mir hat denke ich auch jemand was erzählt."
„Wer?", hakte Blaise nach.
„Mein Vater", antwortete Theo knapp.
Vincent, der das Kippen der Stimmung nach dieser Aussage nicht zu bemerken schien, fragte: „Was hat er gesagt?"
„Weiß nicht mehr", behauptete Theo und Draco war sich sicher, dass er log.
Er setzte sich auf und sah Theo neben sich an.
Sein bester Freund wirkte angespannt.
„Kannst du ihn nicht noch mal fragen?", hakte Vincent nach.
„Nein", war Theos kühle Antwort.
„Aber-"
„Ich schreibe ihm nicht", ließ Theo Vincent nicht zu Wort kommen. „Und an Weihnachten bleibe ich wieder hier in Hogwarts. Es gibt also keine Möglichkeit, ihn zu fragen."
Vincent schien die Aussage stumm hinzunehmen, aber Draco versuchte, Theos Blick einzufangen.
Er wollte darin lesen, was Theo wissen könnte und ob Theo ihm später, in Abwesenheit der anderen, mehr erzählen würde, aber Theo wich seinem Blick aus.
Wieder einmal überkam Draco kurz das merkwürdige Gefühl, dass Theo ihm irgendwie entglitt.
Es war kein gutes Gefühl.„Salazar, es ist einfach nur peinlich und lächerlich, wie dieses Weasley-Mädchen das Narbengesicht anschmachtet", sagte Draco, bewusst so laut, dass die Rothaarige und ihre Erstklässler-Freundinnen es hörten.
Vincent und Gregory lachten, Theo grinste. Blaise schien nicht richtig hingehört zu haben, er war damit beschäftigt, einer Gruppe Viertklässlerinnen hinterher zu starren, die in einiger Entfernung vorbei gingen und zwar aufgrund des Wetters dicke Strumpfhosen trugen, es aber trotzdem deutlich war, dass sie ihre Uniformröcke stark gekürzt hatten.
Draco ging mit seinen Freunden gerade hinter den Gryffindors her, da sie gleich zusammen Geschichte der Zauberei haben würden. Eigentlich hoffte er, dass Potter, Granger und Weasley auf seinen Spruch reagieren würden, aber sie waren wohl zu weit vorweg gelaufen und hörten ihn offensichtlich nicht.
Die Schwester des Weasley-Deppen hatte ihn allerdings gehört. Sie warf Draco einen scheelen Seitenblick zu, ging dann aber hastig weiter, die Schultasche über der Schulter und ein dunkles Buch fest an ihre Brust gepresst.
Merkwürdig. So, wie sie sich bei Florish & Blotts präsentiert hatte, hätte Draco mit einer saftigen Erwiderung der Weasley gerechnet. Sie wirkte seit ein paar Tagen sowieso seltsam, fand Draco. Nicht, dass er besonders auf sie achtete, aber hatte sie ihre erste Zeit in Hogwarts noch viel gelacht, war sie nun ständig ernst, wirkte fahrig und bedrückt. Himmel, sie hatte hoffentlich nicht Liebeskummer wegen dieses dämlichen Potters, oder etwa doch?
Vielleicht sollte Draco sie im Auge behalten. Möglicherweise fand er etwas heraus, um Potter zu ärgern.
Er hakte die Weasley gedanklich ab und folgte mit seinen Hauskameraden den Gryffindors in den Klassenraum für Geschichte der Zauberei.
Seufzend suchten sie sich Plätze auf den unbequemen Stühlen. Blaise legte ein kleines Kissen, das er aus seiner Schultasche zerrte, auf den Tisch vor sich, um seinen Kopf abzulegen. Theo faltete seinen Umhang und polsterte so seinen Rücken. Gregory und Vincent, die hinter Draco saßen, packten in aller Seelenruhe ein Kartenspiel aus. Draco sah, dass Pansy und Millicent sich zusätzliche Stühle heranzogen, um ihre Beine hochzulegen. Daphne und Tracey legten Pergament und Feder bereit, wirkten dabei aber nur bedingt motiviert.
Draco sah, dass die Gryffindors ähnlich vorgingen. Lediglich Hermine Granger setzte sich in die erste Reihe und ordnete fleißig Pergamente, Bücher, Tintenfass und Schreibfeder.
Draco schnaubte. Blöde Streberin. Als ob irgendetwas von dem wichtig war, was Professor Binns schwafelte.
Kurz darauf schwebte der Geist auch schon durch die Wand herein und stoppte, wie immer, mitten im Lehrerpult.
Keine drei Minuten später befand sich die ganze Klasse in einer Art Dämmerschlaf, nur das Geräusch von Karten, die gemischt wurden, war zu hören, sowie das Kratzen der Feder von Hermine Granger auf Pergament war zu hören.
Auch Draco wurde schläfrig.
Da er nichts zu tun hatte, schließlich hatte er die ganzen geschichtlichen Aspekte der Zauberergemeinschaft bereits vor Hogwarts mit Privatlehrern erarbeiten müssen, zog er schließlich sein Notizbuch, das er mittlerweile ständig bei sich trug, hervor.
Lustlos blätterte er darin herum, überflog seine Notizen und blieb dann an der Zeichnung der Seeschlange hängen. Mit einiger Zeit Abstand musste Draco sich selber sagen, dass das Ergebnis wirklich nicht schlecht war, dafür, dass er vorher so selten gezeichnet hatte und eigentlich nur, wenn er musste. Und es hatte ihm überraschenderweise Spaß gemacht.
Nachdenklich sah er sich um.
Sein Blick blieb am Slytherin-Wappen an der Kleidung seiner Hauskameraden hängen und er begann, es auf der nächsten freien Seite zu zeichnen.
Im Vergleich zu der Seeschlange war das eine leichte Übung und er war schnell fertig.
Binns monotones Geschwafel schien kein Ende zu nehmen, und Dracos Blick wanderte zu Hermine Granger, die fleißig Namen und Daten mitschrieb, während ihre beiden bescheuerten Freunde eine Reihe hinter ihr bereits in einen leichten Dämmerschlaf gefallen waren.
Draco sah seitlich auf sie, immer wieder fielen Locken vor ihr Gesicht, wenn sie den Kopf neigte, um etwas zu notieren.
Er senkte den Blick wieder auf sein Notizbuch und blätterte um.
Zwei weiße Seiten leuchteten ihm entgegen und schienen nur darauf zu warten, befüllt zu werden.
Die ersten Striche machten sich praktisch von alleine und ohne Dracos bewusstes Zutun.
Als ihm klar wurde, was er da tat, war eine grobe Gesichtsstruktur und jede Menge Locken bereits erkennbar.
Dracos Stift schwebte einen Augenblick über der Seite.
Er sollte aufhören. Sofort. Er sollte das Blatt herausreißen und verbrennen.
Er tat nichts davon.
Erneut wanderte sein Blick in die erste Reihe, instinktiv sog er jedes Detail ein.
Dann zeichnete er.
Die Spitze des Stifts schien wie von alleine übers Pergament zu gleiten. Dünne Striche, stärkere Striche. Viele Kringel für viele Locken. Und Punkte und Tupfen. Die ganze Nase und ein Teil der Wangenknochen war voll davon. Eine gestreifte Krawatte als letzter Schliff, dann war das Bild fertig.
In seinem Notizbuch befand sich nun eine perfekte Zeichnung der Gryffindor.
Draco erschrak. Einerseits darüber, dass er tatsächlich Hermine Granger gezeichnet hatte, und andererseits darüber, dass die lebendige Granger mit einem Ruck den Arm hob.
Hastig klappte Draco das Buch zu.
Hatte sie etwas mitbekommen und würde es nun bei Binns melden? Es vor der ganzen Klasse herausposaunen?
Dracos Herz schlug ihm bis zum Hals.
Professor Binns, inmitten eines sterbenslangweiligen Vortrags über die Internationale Zaubererversammlung von 1289, sah verdutzt zu ihr herüber.
„Ja, ähm... Miss...?"
„Granger, Professor", sagte sie und Draco fragte sich, wie man zu einem Professor, der so grauenhaften Unterricht machte und obendrauf auch noch tot war, immer noch so freundlich sein konnte. „Ich frage mich, ob sie uns etwas über die Kammer des Schreckens erzählen können."
Die Reaktion im Klassenraum war verblüffend.
Tracey fiel vor Schreck die Schreibfeder aus der Hand, Blaise schreckte auf, und bei den Gryffindors war es ähnlich: Lavender Brown riss den Kopf von ihren Armen, Neville Longbottoms Ellbogen rutschte vom Tisch.
Draco war im ersten Moment einfach nur erleichtert, dass er nicht aufgeflogen war.
Daher benötigte sein Hirn ein paar Sekunden, um Grangers Frage richtig zu verarbeiten.
Bei Merlin, sie hatte eine Lehrkraft tatsächlich nach der Kammer des Schreckens gefragt.
Theo rutschte unruhig auf dem Stuhl hin und her.
Tat ihm einfach der Hintern weh von diesem sadistischen Mobiliar oder beunhruhigte ihn die Frage?
„Mein Fach ist Geschichte der Zauberei", sagte Binns pikiert. „In meinem Unterricht geht es um Tatsachen, nicht um Mythen und Legenden."
Draco spürte Enttäuschung in sich aufkeimen, aber da schoss Grangers Arm wieder in die Höhe.
Binns runzelte verärgert die Stirn.
„Miss Grant?"
„Granger. Sir, verzeihen Sie, aber gehen Legenden nicht immer auf Tatsachen zurück?"
„So könnte man argumentieren, ja..."
Binns sah sich um und bemerkte, dass die ganze Klasse wie gebannt an seinen Lippen hing, was ihm außerordentlich zu schmeicheln schien.
Also begann er zu erzählen.
Zuerst erzählte er, was Draco bereits wusste: Hogwarts wurde gegründet von Rowena Ravenclaw, Helga Hufflepuff, Godric Gryffindor und Salazar Slytherin. Die vier arbeiteten in Eintracht und Hand in Hand. Zu diesem Zeitpunkt mussten Hexen und Zauberer sich vor Muggeln schützen, da diese Angst vor ihnen hatten und sie verfolgten. Dementsprechend wurde Hogwarts mit Schutzzaubern und -bannen ausgestattet.
Draco horchte auf.
Rasch öffnete er sein Notizbuch, sehr darauf bedacht, die Seite mit dem Porträt von Granger nicht zu zeigen, und suchte die Seite, auf der er die möglichen Schutzmaßnahmen der Gründer notiert hatte.
Groß schrieb er darunter: Schutzmaßnahmen wegen Muggel?
Dann lauschte er wieder Binns, der erzählte, wie es zum Streit zwischen Slytherin und den anderen gekommen war, da Slytherin es für gefährlich hielt, Muggelgeborene in Hogwarts aufzunehmen. Auch das war Draco nicht neu.
„So viel zu den Tatsachen", sagte Binns. „Diese Tatsachen wurden überwuchert von Legenden um irgendeine Kammer des Schreckens. Demzufolge hat Slytherin eine Kammer in Hogwarts gebaut, von der die anderen Gründer nichts wussten."
Draco notierte rasch „Kammer des Schreckens" neben der bereits aufgelisteten Schutzmaßnahme bei Slytherin, nämlich „Wassermenschen".
War es möglich, dass Slytherin neben den normalen Schutzmaßnahmen eine weitere eingebaut hatte? Heimlich? Um Hogwarts zu schützen? Vor Angriffen? Zum Beispiel vor Muggeln, die ihnen schaden wollten?
„Die Legende behauptet des Weiteren", fuhr Binns fort und Draco lauschte gespannt. „dass Slytherin die Kammer so versiegelt hat, dass niemand außer er selbst oder sein wahrer Erbe sie öffnen kann."
Eifrig notierte Draco hinter „Kammer des Schreckens": Entsiegelung nur durch wahren Erben Slytherins möglich.
Er stockte.
Sein Blick heftete sich auf zwei Worte.
Hastig unterstrich er sie mehrfach: wahrer Erbe.
Da nicht mehr genug Platz dahinter war, schrieb er ganz unten auf die Seite:
Feinde des Erben, nehmt euch in acht.
Auch hier unterstrich er das Wort „Erbe".
War es möglich, dass die Notiz an der Wand tatsächlich vom wahren Erben Slytherins geschrieben worden war? Wenn ja: Wer zur Hölle sollte das sein?
„Er wollte, dass sein wahrer Erbe sein Werk irgendwann vollendet", hörte er den Geist sagen. „Er sollte die Kammer entsiegeln und den Schrecken im Innern entfesseln."
„Warum?"
Draco bemerkte erst, dass er gesprochen hatte, als Binns seine Aufmerksamkeit auf ihn lenkte und Hermine Granger sich umdrehte.
Er hatte peinlicherweise seinen Gedanken einfach laut ausgesprochen.
„Bitte?"
„Warum soll der Erbe die Kammer öffnen?", präzisierte Draco.
„Um Slytherins Werk zu vollenden und die Schule von Muggelgeborenen zu befreien", erklärte Binns.
Draco runzelte die Stirn.
Das leuchtete ihm nicht ein. Slytherin musste die Kammer bereits gebaut haben, bevor der Streit mit den anderen Gründern begonnen hatte, zum Schutz, so wie andere Maßnahmen auch, schließlich war Hogwarts zu Zeiten der Aufnahme der ersten Muggelgeborenen bereits fertig. Der „Schrecken" in der Kammer musste ursprünglich für etwas anderes eingeplant gewesen sein. Vielleicht wirklich, um die Schule zu verteidigen, sollte sie angegriffen werden?
Sein Blick begegnete dem von Granger, die ihn giftig ansah, und deutlich las er ihren Gedanken in den braunen Zimtaugen: Da siehst du, auf welcher bösen Grundlage euer Haus aufgebaut ist.
Draco starrte einen Augenblick finster zurück.
Was konnte er dafür, was Salazar Slytherin vor einer Ewigkeit getan hatte?
Angespanntes Schweigen herrschte im Klassenraum. Die Gryffindors warfen den Slytherins böse und misstrauische Blicke zu.
„Ich kann Ihnen versichern, so eine Kammer gibt es nicht", sagte Binns in die Stille hinein.
Selbst seinem toten Geist schien die unangenehme Stimmung nicht zu entgehen.
Grangers Hand schoss schon wieder in die Höhe.
„Miss Gray?"
„Granger. Sir, was ist dieser Schrecken im Innern der Kammer?"
Draco hatte sich bereits die gleiche Frage gestellt und sah gespannt zu Binns.
„Es soll ein Monster sein, das nur der Erbe Slytherins im Griff hat."
Dracos Herz schlug hart in seiner Brust.
Kurz war da die verrückte Fantasie in ihm, er sei der Erbe Slytherins. Wie aufregend musste es sein, über dieses Monster gebieten zu können! Er würde es nutzen, um die Schule zu schützen.
Natürlich kam ihm einerseits der Gedanke, dass es nichts gab, wovor die Schule geschützt werden musste und er andererseits auch noch wusste, dass er ja wohl kaum der Erbe sein konnte. Das hätten seine Eltern ihm sicherlich erzählt. Seine Ahnenreihe konnte bis in die Zeiten der Gründer zurückverfolgt werden.
Trotzdem war es ein aufregender Gedanke. Er und sein Haus würden endlich Anerkennung erfahren.
Welcher Junge wünschte sich denn nicht, ein Held zu sein?
Leider war Draco nicht der Erbe und somit nicht Gebieter über das Monster.
Aber wer konnte denn ansonsten der Erbe Slytherins sein?
Die Klasse tauschte derweil beunruhigte Blicke.
„Ich versichere Ihnen, weder eine solche Kammer noch ein Monster existieren", sagte Binns hastig.
Es gab allerlei Proteste und weitere Nachfragen aus Reihen der Gryffindors, aber Binns schnitt alles wütend ab.
„Es reicht. Es gibt nicht einmal den kleinsten Hinweis, dass Slytherin hier auch nur eine geheime Besenkammer eingebaut hat. Die ganze Legende ist Unfug! Und nun kehren wir zu Tatsachen zurück."
Binns begann, seinen langweiligen Vortrag wieder aufzunehmen.
Draco sah, wie Hermine Granger nachdenklich auf ihrer Unterlippe kaute und einen unzufriedenen Gesichtsausdruck aufsetzte.
Draco klappte sein Notizbuch zu und lehnte sich zurück.
Er wollte zwingend mehr über diese Kammer und den Erben Slytherins herausfinden.
Rasch zog er ein leeres Blatt Pergament aus seiner Tasche.
Er würde jetzt sofort einen Brief an seinen Vater verfassen.
Sponsor werden und Werbung komplett deaktivierenDraco konnte nicht einschlafen.
Nach Unterrichtsschluss war er mit Vincent und Gregory in die Eulerei gegangen, um eine der Schuleulen mit dem Brief zu ihm nach Hause zu schicken. Darin bat Draco, über Weihnachten so wie Theo in Hogwarts bleiben zu dürfen. Außerdem hatte er seinen Vater deutlich nach der Kammer des Schreckens gefragt. Zum Schluss hatte er kurz von seinem erfolgreichen Quidditch-Training berichtet und Grüße an seine Mutter ausrichten lassen.
Nun lag er im Bett und starrte den Baldachin über sich an.
Tausend Gedanken schwirrten ihm durch den Kopf. Über Slytherin, über die Schutzmaßnahmen, über die Kammer und das Monster.
Und über sein Notizbuch.
Sein Notizbuch, das neben ihm auf dem Nachttisch lag. Sonst flog es immer irgendwo herum, in seiner Tasche, im Gemeinschaftsraum auf dem Tisch, auf einem Sessel hier im Schlafsaal.
Seit heute hatte er es nicht aus den Augen gelassen.
Bei Merlin, in seinem Notizbuch befand sich eine Zeichnung von Hermine Granger!
Was hatte er sich dabei bloß gedacht? Hatte er sich überhaupt etwas dabei gedacht?
War ihm das schlichte Buch bisher vollkommen unauffällig vorgekommen, hatte er nun das Gefühl, es würde leuchten wie ein Lumos Maxima und alle darauf hinweisen, dass sich darin etwas Verbotenes befand.
Schließlich hielt er es nicht mehr aus.
Leise richtete er sich auf und schob den dunkelgrünen Vorhang seines Himmelbetts ein Stück beiseite, um seinen Arm auszustrecken und nach dem Buch zu greifen.
Der Vorhang fiel wieder zu, als er den Arm zurückzog, und versteckte so seine Sünden.
Er griff nach seinem Zauberstab, der stets irgendwo neben seinem Kopfkissen lag.
„Lumos", flüsterte er.
Nachdem er in der Ersten ohne Licht durch die Gänge gestolpert war, wenn er heimlich etwas gemacht hatte - zum Beispiel Potter nachspionieren - hatte er sich von den älteren Schülern diesen Zauber beibringen lassen. Sehr nützlich, fand er.
Im Schein des Lumos schlug er sein Notizbuch auf und blätterte direkt zu der Seite mit der Zeichnung.
Er hatte sie erschreckend gut getroffen. Das wilde Haar. Die Sommerprossen. Die langen, dichten Wimpern.
Niemand durfte dieses Bild sehen. Er musste es vernichten.
Draco griff nach der Seite und setzte an, sie herauszureißen, um sie anschließend im Kamin zu entsorgen - doch er zögerte.
Sein Blick blieb an den Zimtaugen hängen, die hier ja gar nicht herbstlich oder zimtig waren wie im Original, denn er hatte lediglich mit Bleistift gezeichnet.
Er fühlte einen unfassbaren Widerwillen, das Bild herauszureißen.
Natürlich. Er mochte sein Notizbuch. Es waren wichtige Informationen darin und auch die grandiose Zeichnung der Seeschlange. Das musste der Grund sein, warum etwas in ihm sich so sträubte, eine Seite herauszureißen.
Draco ließ die Seite wieder los.
Nein, er würde sein Buch nicht malträtieren. Er hasste es, wenn andere Leute Seiten aus Büchern oder Notizheften herausrissen, ebenso wenig mochte er Eselsohren oder andere Knicke in Seiten.
Er würde einfach aufpassen, dass niemand die Zeichnung sah.
Nachdenklich betrachtete er das Porträt.
Wie von selbst wanderte seine Hand erneut zum Nachttisch und griff einen der zahlreichen Bleistifte, die dort lagen.
Auf die freie Seite neben Grangers Porträt begann er, eine weitere Zeichnung anzufertigen.
Bisher war Draco nicht bewusst gewesen, wie sehr ihm der Anblick im Kopf geblieben war: Hermine Granger am Ende der Sommerferien bei Florish & Blotts.
Er zeichnete sie am Bücherregal stehend, so wie er sie damals auch heimlich beobachtet hatte.
Draco startete mit den langen Locken, zeichnete die wilde Mähne von hinten, Grangers Gesicht war vom Betrachter abgewandt. Er skizzierte Arme und die schmale Taille, ließ danach auch diese Körperteile mit Schattierungen plastischer wirken, so wie das Haar zuvor. Das enge Top mit den dünnen Trägern war mit wenigen Strichen fertig gestellt.
Draco kaute kurz nervös auf seiner Unterlippe, während er die Rundungen ihres Pos und die schlanken Beine zeichnete - er nahm sich die künstlerische Freiheit, ihre Shorts um einiges kürzer zu zeichnen als sie an jenem genannten Tag tatsächlich gewesen war. Dann nahm er sich die Zeit, Po und Beine genauso plastisch zu schattieren wie die Haare.
Verrückterweise raste sein Herz in der Brust während des Zeichnens so schnell wie eine wildgewordene Herde Hippogreife.
Er konnte nicht genau sagen, wie lange er die Zeichnung von Grangers Rückseite anstarrte, als sie fertig war. Vermutlich viel zu lang.
Irgendwann zwang er sich, das Buch zu schließen und das Licht zu löschen.
Er legte alles - Buch, Stift und Zauberstab - neben sein Kopfkissen, um es sicher vor neugierigen Blicken zu wissen.
Nur zur Sicherheit.
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A Death Eater's Tale
FanficJeder kennt sie - die Geschichte vom Jungen, der überlebte. Auch Draco Malfoy muss in seinem Leben immer wieder feststellen, dass die Geschichte dieses Jungen Einfluss auf seine eigene Geschichte hat. Auch wenn er es anfänglich nicht bemerkt und spä...