Geschenke und Rätsel

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Der unfaire Sieg der Gryffindors war noch lange bei ihnen Thema und Lucian und Ava versuchten alles, um eine Wiederholung des Spiels zu erreichen, aber sie stießen bei allen außer bei Snape damit auf taube Ohren. Scheinbar freute sich die ganze Schule, inklusive der Lehrkräfte, darüber dass Gryffindor gewonnen hatte und alle schienen Potter den Sieg zu gönnen.
„Ach ja, armer Waisenjunge, aus Mitleid sagt wohl keiner was", schnarrte Draco einmal im Gemeinschaftsraum und Vincent und Greg hatten genickt und Marcus hatte ein zustimmendes Geräusch von sich gegeben.
Neben Potter regte ihn außerdem Hermine Granger auf.
Sie fing ihn ein paar Tage nach dem Spiel tatsächlich in der Bibliothek ab und wollte mit ihm reden.
Draco, in Panik, dass sie jemand zusammen sah, blaffte sie an, und sie besaß tatsächlich die Frechheit, zu sagen: „Ich glaube dir nicht, dass du mich nicht leiden kannst, dafür warst du die ganze Zeit viel zu nett. Und dass es daran liegt, dass ich in Gryffindor bin, glaube ich auch nicht, das wusstest du auch die ganze Zeit schon. Wenn es wegen dieses Quidditch-Spiels ist-"
„Hau einfach ab, du Nervensäge!", hatte er sie angeknurrt und sie dann einfach stehen lassen.
„Fein", hatte sie ihm hinterhergerufen. „Wenn du wieder zur Vernunft gekommen bist, sag bescheid. Ich renne niemandem hinterher."
Und das tat sie tatsächlich nicht, denn von diesem Tag an ignorierte sie ihn.
Draco wusste, er sollte froh darüber sein - sie war ein Schlammblut, sie stammte von Muggeln ab und war im Grunde nichts wert. Im Gegenteil, Menschen wie sie gefährdeten auf Dauer die Magie, hatten seine Eltern ihm erklärt. Durch die Mischung mit Muggelblut wurden magische Fähigkeiten abgeschwächt.
„Im Prinzip sind Muggelgeborene auch Muggel", hatte sein Vater ihm erklärt. „Und du siehst doch selbst, dass wir besser sind und mehr wissen und können als die, oder etwa nicht?"
Und Draco hatte zustimmend genickt.
Jedenfalls hatte er nun Ruhe vor Hermine Granger und das erfüllte ihn mit Genugtuung.
Das bohrende Gefühl im Magen, was er jedes Mal hatte, wenn er sie im Unterricht sah, ignorierte er.
Die Weihnachtsferien rückten immer näher, und ein weiteres Thema beschäftigte Draco, Blaise und Theo: Nämlich die Frage, wie es ein dummer Troll geschafft hatte, in Hogwarts einzudringen.
Sie diskutierten zu Dritt viel darüber, und ihnen war klar, dass ein Troll es niemals alleine geschafft haben konnte. Hogwarts war gut verborgen, es war gesichert, es gab Schutzmaßnahmen. Sicherlich waren gewisse Schutzzauber, die Wassermenschen und die Fallen an den Treppen nur die Spitze des Eisberges.
Sie waren sich einig, dass sie mehr darüber herausfinden wollten, wie der Troll ins Schloss gekommen war. Außerdem wollten sie endlich genau wissen, ob es möglich war, mit den Wassermenschen zu kommunizieren.
„Hast du nicht gesagt, die Wassermenschen lieben Musik, Theo?", fragte Blaise. „Vielleicht kann man sie mit Musik irgendwie anlocken."
„Gute Idee", befand Theo.
„Wir können uns in den Weihnachtsferien treffen und zusammen überlegen", sagte Draco. „Also..."
Er warf Blaise einen unsicheren Blick zu.
„Ich muss fragen, ob ich mich mit dir treffen darf...", ergänzte er zögernd.
Kurz sah Draco etwas in Blaise' Augen aufblitzen, eine gewisse Traurigkeit, aber sehr schnell grinste er wieder.
„Na klar, frag nach", bestätigte er neutral.
„Aber wir können zusammen recherchieren und überlegen, Theo", meinte Draco. „Und natürlich auch ein bisschen zusammen auf anständigen Besen fliegen."
Theo antwortete nicht und wich seinem Blick aus.
„Theo?", hakte Draco verwirrt nach.
„Ähm... Tut mir leid, Draco, ich wollte es dir schon eher sagen, aber... Naja, wir werden uns in den Ferien nicht treffen können."
„Wieso?", fragte Draco verwirrt.
Theo hob sichtlich widerwillig den Blick und sah ihn an.
„Ich... habe meinem Vater ehrlich gesagt schon vor ein paar Wochen geschrieben, dass ich Weihnachten gerne in Hogwarts verbringen würde, und er hat zugestimmt."
Einen kurzen Moment war Draco sprachlos.
Aber dann dachte er sich, dass es eigentlich nicht überraschend war.
Er wusste um das eher... kühle Verhältnis zwischen Mr Nott und seinem Sohn. Und es war nicht unbedingt besser geworden nach dem Tod von Mrs Nott im Frühjahr.
Es würde das erste Weihnachten für Theo ohne seine Mutter werden, und eigentlich hätte man denken müssen, dass es ihn gerade deshalb nach Hause zog, damit er wenigstens seinen Vater um sich hatte.
Aber dem war nicht so.
Draco hatte sicherlich nicht alles mitbekommen, was im Hause Nott passierte (und darüber war er genau genommen froh), aber er hatte genug mitbekommen.
Dracos Vater hatte sehr rüde auf die einmalige Erwähnung seines Sohnes bezüglich Theos ständiger blauer Flecken und gelegentlich auch der Striemen auf dem Rücken, die Draco gesehen hatte, wenn sie im Sommer zusammen im Garten spielten, reagiert. Er sagte, es würde sie nichts angehen und Draco solle sich aus den Angelegenheiten anderer Familien heraushalten.
Einmal hatte Draco auch Theo angesprochen, aber dieser hatte nur mit den Schultern gezuckt und war nicht darauf eingegangen.
Draco wusste, die Krankheit seiner Mutter hatte Theo schwer zu schaffen gemacht. Er erinnerte sich noch gut an Mrs Nott. Sie war eine hübsche junge Frau mit dunklen Augen und braunem Haar gewesen, bedeutend jünger als ihr Ehemann. Irgendwie war sie immer ganz anders als Dracos eigene Mutter gewesen, sie hatte ihnen stets mehr durchgehen lassen und hatte ein sanftes Lächeln. Draco hatte zeitweise ziemlich für sie geschwärmt und Theo fand es immer etwas irritierend, dass sein Freund seine Mutter so anhimmelte.
Mr Nott dagegen war streng, ernst, und schaute ständig böse. Keiner von ihnen traute sich, ihm zu widersprechen und Theo wurde auch immer recht still, wenn er in der Nähe war.
Draco hatte sich gelegentlich gefragt, wieso eine Frau wie Theos Mutter einen Mann wie Mr Nott geheiratet hatte.
Sie waren bei Mrs Notts Beisetzung gewesen, also Draco und seine Eltern, und auch alle anderen Reinblut-Familien, die er so kannte.
Auch heute noch erinnerte er sich an den blassen, schwarzgekleideten Theo mit roten, geschwollenen Augen, der still zu Boden sah, während der Sarg an ihm vorbei in die Familiengruft getragen wurde.
Für Draco war es vollkommen unvorstellbar, dass in diesem Holzkasten tatsächlich Theos Mutter liegen sollte, die so jung und vor Kurzem noch so lebendig gewesen war.
Eine ganze Weile wusste er nicht so richtig, wie er mit Theo umgehen sollte, und er traf sich mehr mit Vincent und Gregory. Theo war viele Wochen traurig und in sich gekehrt, und Draco war sich sicher, dass er bis heute den Tod seiner Mutter noch nicht richtig verarbeitet hatte.
Dass er nicht nach Hause wollte, konnte Draco allerdings verstehen. Was erwartete ihn denn dort? Ein griesgrämiger Vater, der ihn im besten Fall ständig kritisierte und kalt behandelte oder ihm im schlimmsten Fall sogar körperlich wehtat, wenn ihm irgendetwas an Theo nicht passte - und Draco wusste, Mr Nott fand schnell Dinge, die ihm nicht passten - sowie Erinnerungen in Form von Bildern und Einrichtungsgegenständen, die ihn an seine verstorbene Mutter, die er so geliebt hatte, erinnerten.
Wäre Draco an Theos Stelle, wäre er auch in Hogwarts geblieben. Es war in diesem Fall tatsächlich das schönere Zuhause.
„Oh... ok", sagte er daher nur.
Theo senkte den Blick erneut, fuhr sich mit der Hand durchs Haar und kratzte sich dann im Nacken, ehe er zögerlich wieder wieder zu Draco sah.
„Du bist nicht sauer?"
„Quatsch!", sagte Draco sofort.
Nein, er war nicht sauer, er war ein wenig enttäuscht, hatte er sich doch darauf gefreut, auch in den Ferien etwas mit Theo zu unternehmen.
„Sicher?"
Theo sah ihn unsicher an.
„Sicher, Theo", bestätigte Draco und dann grinste er, ehe er die Hand hob und Theo den kleinen Finger hinhielt. „Hast du es etwa vergessen?"
Theo grinste auch und hakte seinen kleinen Finger in Dracos.
„Nein", schmunzelte er.
„Siehst du", meinte Draco, dann sagte er feierlich: „Freunde für immer und egal was kommt."
Theos kleiner Finger hakte immer noch in seinem.
„Freunde für immer und egal was kommt", bestätigte er.
Sie hatten einen Unbrechbaren Schwur auf ihre Freundschaft ableisten wollen, als sie acht waren, aber nicht herausgefunden, wie er funktionierte - heute war Draco klar, was für ein komplizierter Zauber es war, den er immer noch nicht hinbekommen würde - und hatten dann nach etwas anderem gesucht, waren aber auch nicht gut genug gewesen, einen einfachen Zauber hinzubekommen, also hatten sie sich schlicht auf diese Art ewige Freundschaft geschworen.
Blaise schmunzelte, als sie ihre Finger wieder voneinander lösten.
„Gut, da wir das geklärt haben", sagte er. „halten wir einmal fest: Draco und ich schauen, ob wir uns treffen können, wenn nicht, überlegt sich jeder alleine, wie man Kontakt zu den Wassermenschen aufnehmen kann und inwiefern man Musik dazu nutzen könnte."
„Genau", bestätigte Theo. „Und ihr solltet mal schauen, ob ihr etwas über die Erwachsenen herausbekommt, welche Schutzmaßnahmen es in Hogwarts noch so geben könnte und ob die Wassermenschen tatsächlich ein Teil davon sind. Also Draco, du fragst deine Eltern und Blaise, du fragst deine Mutter."
„Und ihren neuen Verlobten", seufzte Blaise.
Draco und Theo sahen ihn überrascht an.
„Sie hat es mir im letzten Brief mitgeteilt", erklärte Blaise auf ihre fragenden Blicke hin.
„Ach? Wer denn?", fragte Draco.
„Weiß nicht", brummte Blaise und sah weg. „Irgendein reicher Zauberer, den ich nicht kenne."
Draco und Theo tauschten einen betretenen Blick.
Sie wussten, wie schwer Blaise sich damit tat, dass seine Mutter häufig wechselnde Partner hatte.
„Bist du dann an Weihnachten gar nicht in eurem Haus?", fragte Theo zögernd.
„Nein, wohl irgendwo bei diesem Mann, keine Ahnung, wo", sagte Blaise, ohne Theo anzusehen.
Verrückt, dachte Draco. Vermutlich wäre es für Blaise sogar vertrauter, hier in Hogwarts zu bleiben.
Theo schien einen ähnlichen Gedanken zu haben.
„Kannst du nicht auch hier bleiben?", fragte er.
„Nein", antwortete Blaise niedergeschlagen. „Ich habe es sogar in einem Brief bei meiner Mutter angedeutet, ehrlicherweise. Also dass ich auch hier bleiben könnte. Aber sie will, dass ich ihn kennen lerne."
Dem konnten sie nichts entgegen setzen, also schwiegen sie.

A Death Eater's Tale Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt