"Ich kann nicht glauben, dass es wahr ist!“
Marcus sagte den Satz nun zum gefühlt hundersten Mal und Draco konnte ihm nur zustimmen.
Tags zuvor war Draco nach dem Abendessen in Begleitung von Vincent und Gregory zum Gryffindor Tisch gegangen und hatte so getan, als wüsste er nicht von Hermine Granger, dass Potter keine Strafe bekommen hatte.
Er provozierte, indem er Potter fragte, ob er seine Sachen schon gepackt habe, doch es stellte sich heraus, dass es stimmte: Er durfte in Hogwarts bleiben.
Statt dessen machte Potter blöde Sprüche darüber, dass Draco jetzt ja wieder eine große Klappe hätte, wo seine Freunde bei ihm waren, anders als in der Luft beim Flugunterricht, und in einem Wortgefecht kam es irgendwie dazu, dass Draco ihn zu einem Duell um Mitternacht aufforderte.
Natürlich hatte er niemals vorgehabt, zu diesem Duell zu gehen.
Statt dessen tat er das einzige, was vernünftig war: Er meldete die ganze Geschichte Lucian und Ava.
Die beiden waren sich sicher, dass Potter unter keinen Umständen erlaubt worden war, in der Quidditchmannschaft mitzuspielen, und sie sagten sofort zu, Professor Snape danach zu fragen und außerdem zu melden, dass Potter und Weasley heute Nacht unterwegs sein würden.
Dies hatten sie wohl getan, und Snape hatte den Hausmeister, Filch, beauftragt, einen Extrarundgang um Mitternacht herum um das Pokalzimmer durchzuführen.
Potter war tatsächlich erwischt worden – und auch dieses Mal war er nicht der Schule verwiesen worden! Zumindest hatte Filch gemeldet, dass eindeutig jemand herumgeschlichen war, er die Person aber nicht gesehen hatte. Und das konnte nur Potter gewesen sein.
Der eigentliche Schock kam dann aber am Nachmittag, als Ava und Lucian ein zweites Mal bei Snape waren, der mittlerweile mit McGonagall geredet hatte.
Sie hatten die Bestätigung bekommen, dass es stimmte: Potter durfte tatsächlich im Quidditchteam von Gryffindor spielen.
Marcus lief aufgeregt im Gemeinschaftsraum auf und ab.
Es waren alle hier versammelt und regten sich zusammen mit ihm auf – zumindest alle, die besonderes Interesse an Quidditch hatten.
„Ich fasse es nicht!“, schnaubte Marcus.
„Marcus, beruhig dich“, sagte Adrian.
„Mich beruhigen? Ich beruhige mich nicht! Wie können sie... Das ist doch unglaublich! Er ist Erstklässler!“
Zustimmendes Gemurmel von einigen Jungs, die im Team spielten.
„Marcus, warum regst du dich so auf?“, fragte Lucian auf seine ruhige Art. „Du sagst es selbst – er ist ein Erstklässler. Er hatte nicht einmal richtigen Flugunterricht. Was soll schon passieren?“
„Was soll schon-“, begann Marcus und hielt endlich in seinem Laufen inne. „Darum geht es doch gar nicht! Es geht ums Prinzip! Bei uns wird jeder Fehltritt dokumentiert, von den Lehrkräften und der Schulleitung, und dieser Potter darf alles? Gegen Schulregeln verstoßen und auch noch in die Quidditchmannschaft, obwohl er Erstklässler ist? Wir hätten Terence-“ Er deutete auf Terence Higgs. „auch gerne schon früher im Team gehabt und mussten warten, bis er in der Zweiten war. Du bist selbst im Team, Lucian, du solltest es verstehen!“
Terence hatte bestätigend genickt und auch Draco war vollkommen auf Marcus' Seite, auch wenn er sich lieber raushielt und den älteren Schülern zuhörte.
„Das stimmt“, bestätigte Lucian. „Aber so geht es doch schon seit Jahren. Also dass wir nicht fair behandelt werden.“
„Dieser Sankt Potter darf hier an der Schule wohl alles!“, fuhr Marcus fort, als habe er Lucian nicht gehört. „Bei Quidditch hört der Spaß wirklich auf. Oh, dieser Wood, ich sehe sein Gesicht direkt vor mir! Sicherlich lacht er sich darüber kaputt, dass Gryffindor wieder mal eine Sonderbehandlung erhält!“
Ja, auch Draco war wütend.
Er hätte seinerseits auch schon sehr gerne in der Quidditchmannschaft gespielt und andere Erstklässler vielleicht auch.
Zu diesem Zeitpunkt ahnte er nicht, dass es noch unfairer kommen würde.„Oh, sie fangen gerade an“, stellte Theo aufgeregt fest.
Sie hatten beschlossen, heute das Training der Slytherinmannschaft anzusehen. Quidditch war für sie alle fünf ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens, aber leider hatten sie feststellen müssen, dass die Schule sie tatsächlich sehr in Beschlag nahm und dadurch, dass die vier Häuser sich das Feld fürs Training teilen mussten, gab es gar nicht so häufig die Chance, Slytherin zuzusehen.
Umso glücklicher waren sie, dass es nun endlich klappte.
Sie nahmen auf der Tribüne Platz: Theo, daneben Draco, danach Blaise, Greg und schließlich Vincent.
Sie beobachteten die Quidditchmannschaft beim Aufwärmen – Laufen, Liegestütze, Sit-ups, Dehnübungen.
„Puh, die sind alle ganz schön gut in Form“, stellte Blaise fest und Draco hörte zum größten Teil Bewunderung, aber auch ein klein wenig Neid heraus.
Auch Draco bemühte sich, sich selbst nicht zu sehr mit den Jungs dort auf der Rasenfläche zu vergleichen, schließlich war er um einiges jünger und konnte daher noch nicht so aussehen, aber irgendetwas in ihm ärgerte sich darüber, und plötzlich wünschte er sich zum ersten Mal in seinem Leben, schon älter zu sein. Die Jungs machten echt Eindruck.
Miles Bletchley als Hüter, Marcus Flint und sein bester Freund Adrian Pucey sowie Cassius Warrington als Jäger, der Drittklässler Terence Higgs als Sucher (er war bedingt durch sein Alter etwas kleiner als die anderen und auch schmaler gebaut, somit ideal für die Position) sowie Lucian Bole und Peregrine Derrick als Treiber.
Man hörte selbst über die Entfernung Marcus als Kapitän immer wieder Befehle brüllen.
Draco war vollkommen gefesselt von dem, was die Mannschaft da an Können zeigte.
Bei Merlin, was würde er dafür geben, Teil davon zu sein.
Nach einer Weile rief Marcus die Mannschaftsmitglieder zu sich und in der Luft schwebend schienen sie sich zu beraten und Taktiken zu besprechen.
Draco nutzte die Zeit, um seinen Blick schweifen zu lassen.
Vereinzelte Grüppchen saßen auf der Tribüne verteilt, hauptsächlich Slytherins, aber auch ein paar Jugendliche aus anderen Häusern. Zum Teil waren sie sicherlich hier, um Taktiken auszuspionieren, dessen war Draco sich sicher. Bei ein paar Mädchen hatte er aber das Gefühl, dass es weniger Quidditch an sich war, das sie interessierte.
Zu seiner Überraschung sah er auch Ava mit einer Freundin zusammensitzen, aber dann dachte er sich, dass dies gar nicht so ungewöhnlich war – sie war Vertrauensschülerin und wollte sicherlich gerne die Loyalität zu ihrem Haus zeigen.
Die Mannschaft begann wieder zu spielen und Draco wollte gerade seine Aufmerksamkeit wieder in die Luft wenden, als eine Gruppe von Mädchen dazukam und sich einen Platz auf der Tribüne suchte.
Sie setzten sich in die Nähe von Draco und seinen Freunden, ein wenig schräg vor sie, und Dracos Blick heftete sich auf ein Mädchen mit schulterlangem, glänzend-braunem Haar.
Ihr Blick streifte ihn beim Hinsetzen auch flüchtig, und kurz hoffte Draco, sie würde ihn anlächeln wie bei der Auswahlzeremonie, aber sie schien ihn kaum wahrzunehmen und dann war der Blickkontakt auch schon abgebrochen.
Ja, es war das auffallend hübsche Mädchen, das bei der Auswahlzeremonie in der Nähe von Millicent gesessen hatte und ihm zu diesem Zeitpunkt schon aufgefallen war. Zu deutlich erinnerte Draco sich, wie dümmlich er zurückgegrinst hatte, als sie ihn an diesem Abend anlächelte.
Interessierte sie sich etwa für Quidditch?
Anders als am Abend der Auswahlzeremonie hatte Draco nun mehr die Möglichkeit, sie zu betrachten.
Ja, sie musste in der Dritten sein, er hatte es an dem Abend schon gut geschätzt.
Sie trug Freizeitkleidung, wie sie alle, denn der Unterricht war für diesen Tag bereits beendet.
Dracos Blick glitt über ihre Erscheinung. Sie trug einen Top mit dünnen Trägern und einen lockeren, aber ziemlich kurzen Rock.
Draco rutschte auf seinem Sitzplatz hin und her, als sie ihre Füße auf der Bank vor ihr abstellte und der Rock noch weiter nach oben rutschte, sodass ihre Beine nun so gut wie vollständig frei lagen.
Er verstand selbst nicht, was der Anblick mit ihm machte, aber Tatsache war, dass er irgendetwas mit ihm machte.
Er wollte, dass sie ihn ansah, wollte ihre Aufmerksamkeit, und konnte sich selber nicht erklären, warum.
In seinem Hirn ratterte es, wie er sie dazu bekommen konnte, zu ihm zu sehen, aber ihm fiel beim besten Willen nichts ein.
„Die Blonde ist gut“, sagte Blaise, der sich leicht zu ihm geneigt hatte, leise zu ihm.
Einen Moment war Draco irritiert und sah Blaise fragend an.
Während Vincent und Gregory schon wieder aufmerksam dem Quidditchteam beim Spielen zusahen, sie ab und an aufgeregt in die Luft deuteten und sich über besonders gewagte Manöver freuten, war Blaise' Blick auf die Mädchen schräg vor ihnen gerichtet.
Auch Draco sah wieder zu ihnen, gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie das Mädchen, was ihn am ersten Abend angelächelt hatte, das Haar zurückwarf und dieses in der Sonne glänzte.
„Die mit den braunen Haaren ist besser“, rutschte es ihm heraus und im selben Moment fragte er sich, über was zur Hölle sie hier eigentlich redeten.
„Hm“, machte Blaise, ein merkwürdiges Grinsen zupfte an seinen Mundwinkeln, während er immer wieder verstohlene Blicke zu dem blonden Mädchen in der Runde warf.
Draco räusperte sich.
„Mädchen... interessieren sich seltener für Quidditch als Jungs, oder?“, fragte er dann.
„Hm, ja, glaub schon, wieso?“, fragte Blaise, der versuchte, seinen Blick immer wieder auf die Spieler in der Luft zu richten und daran gnadenlos scheiterte.
Das blonde Mädchen, von dem er geredet hatte, lachte gerade schallend, ehe es sich leicht zur Seite drehte und von einer Freundin einen Zopf flechten ließ.
Aber Draco registrierte dies nur am Rande, denn dem brünetten Mädchen, dessen Haar so schön in der Sonne glänzte, war einer ihrer dünnen Träger über die Schulter gerutscht und eine Haarsträhne kitzelte ihre nackte Schulter.
Draco fuhr sich kurz mit der Zunge über die Lippen, da diese ihm plötzlich furchtbar trocken vorgekommen waren.
„Naja, ist eigentlich schon ganz cool, dass die da sich für Quidditch interessieren“, meinte er.
Theo neben ihm lachte leise.
„Ich glaube nicht, dass die hier sind, weil sie sich für Quidditch interessieren“, sagte er amüsiert.
Draco brauchte einen Augenblick, um die Aussage zu verstehen.
Aber Theo war schon immer ein guter Beobachter gewesen.
Dracos Blick huschte zwischen der Mädchengruppe und den Spielern in der Luft hin und her.
„Genau“, bestätigte Theo, der Dracos Blick richtig gedeutet hatte.
Natürlich. Sie waren wegen der Mannschaft hier, nicht, weil sie sich für Quidditch interessierten.
Und Draco spürte ihn: Den gemeinen Stachel der Eifersucht.
Bisher hatte er sich noch nicht wirklich für Mädchen interessiert, aber es gab in seinem Leben auch keine Mädchen, für die er sich interessieren könnte.
Er hatte nur ab und an, bei Geburtstagen und anderen Reinblut-Veranstaltungen, Kontakt zu einigen wenigen Reinblut-Mädchen gehabt. Aber wen gab es da schon groß?
Die Greengras-Schwestern hatte er kaum gesehen bisher. Aus irgendeinem Grund kamen sie und ihre Familie stets nur zu den Treffen, die unumgänglich waren, aus vielem hielten sie sich heraus. Selbst hier in Hogwarts hatte Daphne sich innerhalb kürzester Zeit mit Tracey Davis, einem Halbblut, wie Draco herausgefunden hatte, angefreundet und die beiden waren viel unter sich.
Und ansonsten kannte er aus seiner Zeit vor Hogwarts eigentlich nur Millicent Bulstrode, zu der er immer eher keinen Draht gehabt hatte und die auch optisch nie sein Interesse geweckt hatte, und eben Pansy Parkinson, die aber einfach eine sehr gute Freundin für ihn war.
Aber dieses Mädchen dort vorn... Ja, Draco war neidisch. Nicht auf die Quidditch-Spieler an sich, die bewunderte er selbst und er gönnte ihnen alles, sondern auf die Situation.
Er wollte auch da oben auf einem Besen sitzen, mit den anderen Quidditch spielen und ihren Blick auf sich ziehen.
So ganz verstand er nicht, warum dieses Bedürfnis so heiß in seiner Brust brannte, aber er hasste Potter in diesem Moment noch mehr dafür, dass er bereits das Glück hatte, mitspielen zu dürfen.
Kurz verlor er sich in dem Tagtraum, dass er ebenfalls da oben war – ein bisschen älter, natürlich, und trainiert hatte er natürlich auch, so dass er nicht mehr so dünn und schmächtig war, wie er es im Moment tatsächlich war – und dieses Mädchen saß da, mit genau den Klamotten und in der Haltung wie gerade in der Realität, und lächelte ihn bewundernd an.
Leider hatte er sich wohl zu sehr in seinen Tagträumen verloren, denn er bemerkte zu spät, dass eine Freundin des Mädchens ihn einen Augenblick beobachtete, ehe sie die Brünette anstupste und zu ihm zeigte.
Erschrocken drehte Draco den Kopf weg, aber wie fremdgesteuert huschte sein Blick nur einen Herzschlag später wieder zurück zu ihr.
Ihr Blick traf ihn unvorbereitet.
Ihre Mundwinkel zuckten amüsiert, als sie sein dümmliches Starren bemerkte, und ein wenig geringschätzig lupfte sie eine ihrer schmalen Augenbrauen.
Alles in Draco schrie danach, wegzusehen, aber er konnte nicht.
Sie wippte leicht und sicherlich absichtlich provokativ mit einem Bein, so dass der Rock, auch wenn Draco es nicht für möglich gehalten hatte, noch höher rutschte. Gleichzeitig drehte sie sich etwas in seine Richtung, stützte die Hände hinter sich auf und drückte ihren Rücken durch.
Dracos Blick huschte über ihren Körper und er spürte deutlich, wie ihm unangemessen warm wurde.
Vermutlich sah man über die kurze Entfernung deutlich, wie ihm die Farbe in die blassen Wangen schoss und seine Lippen sich leicht öffneten.
Er benahm sich wie ein Volldepp, das war ihm leider nur allzu bewusst.
Die Freundinnen des Mädchens kicherten lautstark los, und auch sie selbst grinste eindeutig amüsiert, ehe sie sich ziemlich gleichgültig wieder abwandte und dafür umso interessierter die Jungs auf den Besen begutachtete.
Ja, dachte Draco, er wollte auf jeden Fall auch ins Team, koste es, was es wolle.----------
A/N: Hier übrigens mal der link zu ein paar Bilder der einzelnen Charaktere der Story, die ich entworfen habe (link müsste auch funktionieren, wenn ihr keinen instagram-Account habt.):
https://www.instagram.com/p/C9A-1zNKg4H/?igsh=dXR3cDZmZWsydDl4
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A Death Eater's Tale
FanfictionJeder kennt sie - die Geschichte vom Jungen, der überlebte. Auch Draco Malfoy muss in seinem Leben immer wieder feststellen, dass die Geschichte dieses Jungen Einfluss auf seine eigene Geschichte hat. Auch wenn er es anfänglich nicht bemerkt und spä...