42 ~ Der Arzt

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Es ist dunkel. Pechschwarz. Ein endloses Meer aus Nichts. Und kalt, so verdammt kalt. Ich liege auf dem Rücken, so viel kann ich sagen. Ich liege auf irgendeinem kalten, harten Material, keine Ahnung was. Meine Sinne sind benebelt. Alles wirkt so unwirklich, und mir ist schwindlig. Verdammt schwindlig.

„Aua." bringe ich schwach hervor. In dem unendlichen Nichts verliere ich die Orientierung, aber irgendwas ist da. Neben mir regt sich etwas. Als ich zur Seite schauen will halte ich inne. Der Splitter, er ist weg. Vorsichtig taste ich nach der Wunde und tatsächlich, wo bis eben noch ein Metallteil in mir gesteckt hat, ist jetzt ein weicher Verband.

Neben mir regt sich nochmal etwas, aber ich bin zu schwach, um zu sehen, was es ist. Um mich herum spüre ich Bewegungen, Gewisper, ich bin nicht allein.

Nachhallende Schritte nähern sich, aber wegen der Dunkelheit kann ich nichts erkennen. Sie halten direkt neben mir an, ich kann jemanden atmen hören, tief und langsam.

„Hey." bringe ich mit all meiner Kraft hervor, „Bin ich im Himmel?" Ich muss husten.

„Wenn Sie es als das bezeichnen wollen." hallt mir eine männliche Stimme entgegen, „Ich für meinen Teil würde die Schönheit dieses Ortes in Frage stellen."

Er spricht fast wie ein Arzt. Vielleicht hab ich ja doch noch überlebt. „Wo bin ich." Ächzend will ich mich aufrichten, aber der Kerl da im Dunkeln hält mich auf.

„Sie sind in Sicherheit, hier finden sie uns nicht."

Fuck, Ich bin also doch noch am Leben.

„Meine Staffel, ich muss zurück." Erneut will ich aufstehen und dieses Mal lässt mich mein geheimnisvoller Retter auch, jedenfalls, bis ich aufrecht sitze.

„Sie müssen erstmal garnichts. Wir haben Ihnen Morphium gegeben, der Schmerz Ihrer Wunde wird wiederkommen, aber bis dahin. Wir dachten schon es hätte Sie pulverisiert, so wie Ihr Flieger nen Abgang gemacht hat. Explodierende Jets im Nachthimmel haben irgendwas ästhetisches. Tausende glühende Teile, wie ein Komet, der zerbirst. Ein Himmel voller Sterne. Und bevor Sie fragen, nur Sie haben wir explodieren sehen, der Rest Ihres Haufens scheint durchgekommen zu sein."

Automatisch fällt mir ein gewaltiger Stein vom Herzen, sie hatten es geschafft. Immerhin sie.

„Wo bin ich, und warum ist es hier so Scheiße dunkel?" frage ich und lege mich wieder hin. Mein Körper zittert vor Kälte und Erschöpfung. Ich muss wohl einiges an Blut verloren haben.

„Wir befinden uns in einem alten Bunker." sagt die Stimme und seufzt resigniert. Ein verdammter Bunker. Wo hat mich das Leben jetzt wieder abgeladen? Von einem beschissenen Bunker in den nächsten. Wenn ich sterbe, muss ich dem Kerl, der da oben mein Leben lenkt mal ein paar klare Worte mitteilen, was ich von seinen Entscheidungen so halte.

„Ich muss zurück zu meinen Leuten, das Notsignal schicken." ächze ich hervor. Immer noch tut alles weh und meine Glieder fühlen sich taub an. Ob vom Blutverlust oder dem Morphium kann ich nicht sagen. Vielleicht beidem? Was weiß ich.

„Sie können natürlich da raus, aber da draußen patrouillieren so viele dieser Bastarde, dass man uns nach zwei Minuten entdecken würde." Die Stimme klingt ein wenig warnend.

„Dann sollten wir vielleicht keine zwei Minuten draußen bleiben, was?" Ächzend raffe ich mich auf. Als ich endlich stehe klappe ich fast zusammen. Während sich allmählich mein Kreislauf an den Positionswechsel gewöhnt, eilt die Stimme an meine Seite. Sie stützt mich und gemeinsam geht's Schritt für Schritt durch die Dunkelheit. Unter meinen Stiefeln knacken Kieselsteine und Sand, die Luft riecht feucht und abgestanden. Der Bunker ist wohl schon lange verlassen gewesen, bevor er und wer auch immer hier noch so haust, sich hier eingerichtet haben.

Eine schwere Eisentür kracht und ein silberner Lichtstrahl blendet mich. Es dauert ein bisschen, aber als sich meine Augen an das Licht nach all der Dunkelheit gewöhnen gibt es mir die Sicht auf einen alten Stollen frei, der in einiger Entfernung zu meiner Linken in die Freiheit führt. Überall liegt Geröll herum. Eine verdammt schöne kühle Brise zieht durch den Stollen. Der Wind pfeift leise.

Tief und scharf ziehe ich die Luft in meine Lungen und atme tief aus. Das Gefühl der kühlen Nachtluft ist wie ein guter Kaffee, sofort bin ich auf Drehzahl.

Ich schaue neben mich, der Mann, der mich stützt ist wahrscheinlich um die 30, blonde Haare, zahllose Bartstoppeln im Gesicht, ziemlich abgewrackt sieht er aus. Sein ursprünglich weißer Arztkittel ist übersäht mit roten Flecken und Schmutz. Er muss schon eine Weile hier sein.

„Wie lange seid ihr schon hier?" Die Frage ist mir einfach rausgerutscht, bevor ich drüber nachdenken konnte.

„Seitdem die Aliens unsere Stadt bombardiert haben. Sie haben das Krankenhaus beschossen, ich hab gerettet, was ich konnte und hab mich mit Überlebenden hier versteckt. Seitdem harren wir aus." Seine Stimme ist geprägt von der so tief sitzenden Müdigkeit, dieser Leere, die uns alle in diesen Zeiten prägt. Sein Blick ist gesenkt.

„Habt ihr sie gesehen? Die Aliens?" Der Gedanke daran, was diese Viecher sind, wie sie aussehen, er plagt mich schon seit dem ersten Tag. Ich will wissen, wie sie aussehen. Ich muss es einfach. So ist es einfacher mir das Gesicht vorzustellen, dass durch meine Raketen und Schüsse stirbt.

„Nur einen, aber er war in eine schwarze Rüstung gehüllt, ich konnte nichts erkennen. Er war vielleicht etwas unter zwei Meter groß oder so." Der Arzt zuckt mit den Schultern, „Humanoid."

Langsam humpele ich gestützt von dem mir sehr sympathisch erscheinenden Kerl in Richtung Licht. Die Betäubungsmittel benebeln immer noch meine Sinne aufs Brutalste. Als hätte ich 200 Schlaftabletten und Schmerztabletten genommen. Ja gut, vielleicht nicht SO viele, aber naja. Es kommt rüber schätze ich.

„Wie läuft es eigentlich? Wie ist die Lage?" Er hält an und schaut mich erwartend an, „Wir - Wir haben hier nicht viele Informationen über das Geschehen da draußen, wissen Sie."

Ich versteh ihn, klar. An seiner Stelle würde ich auch fragen. Jeder würde das wahrscheinlich. Die Unsicherheit, die er und die anderen hier fühlen müssen, sie muss erdrückend sein. Ich nicke und erzähle ihm von allem. Von den Angriffen auf die Flugfelder, die Städte, den Shatterdome, obwohl mein Boss mich dafür hassen wird (militärische Geheimnisse und so), dem nervigen und allgegenwärtigen Com-Jamming und nicht zuletzt dem Einsatz heute.

„Die Bomber haben Marschflugkörper auf London gefeuert, da gibt es gerade anscheinend ne riesige Schlacht. Auf dem Rückweg wurden wir angegriffen, mich hat's direkt erwischt." Ich seufze leise, „Danke für die Rettung. Ohne euch wäre ich draufgegangen. Ihr habt mein Leben gerettet."

„Bedanken Sie sich bei dem Kerl dahinten." Erst jetzt fallen mir einige dunkle zusammengekauerte Gestalten am anderen Ende des Tunnels auf, ihre Augen liegen auf mir, das spüre ich, „Als wir Sie fanden, waren Sie schon ohnmächtig vom Blutverlust."

Ich nicke dankend.
Ächzend pflücke ich den Notfallpeilsender von meinem Gürtel und versuche immer noch benebelt das Teil zum Laufen zu bringen. Der Arzt versucht zu helfen, aber ich lehne ab. Nach gefühlten Stunden, in denen ich wie im Rauschzustand auf den Tasten herumtippe macht es „Klick" und der Sender ist aktiv.

Jetzt heißt es warten.

Six StrongWo Geschichten leben. Entdecke jetzt