44 ~ Gefecht

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Wie lange sitze ich schon hier? Bestimmt über 24 Stunden. Was wenn sie doch nicht...Nein, ich muss fokussiert bleiben, die Hoffnung nicht aufgeben. Nach diesen endlosen Stunden im Bunker ist das alles nicht mehr so einfach. Das rhythmische Tropfen des Wassers in der Dunkelheit ist wie Folter.

Als Kind habe ich mich gefragt, wieso es früher als Foltermethode genutzt wurde. Tja, jetzt weiß ich es.
Lustlos und entkräftet kaue ich auf einem dieser komischen Riegel herum, die in unserem Survival Kit enthalten sind. Sie schmecken trockener als die Sahara, aber trotzdem nicht schlecht. Meine Wunde brennt immer noch stark, das Beruhigungsmittel hat nachgelassen und der Arzt hat nicht genug, um mich damit vollzupumpen.

Alles ist still, aber trotzdem spüre ich die Gestalten um mich herum, ihre Bewegungen, ihr Atmen. Kurz denke ich, dass es sich so anfühlen muss, blind zu sein.

Müde schaue ich an mir herunter. Liam liegt jetzt schon bestimmt zwei Stunden auf meinen Beinen und schläft. Ich atme resigniert aus und streichle sanft über den Kopf des Kleinen.

„Sein Vater..." Ich spüre seine Mutter neben mir, die er als Emma vorgestellt hat, „Naja, er ist bei der Armee. Bei den Panzersoldaten. Seit dem Krieg..." Sie wischt sich hörbar eine Träne aus dem Gesicht, „...haben wir nichts mehr von ihm gehört."

„Das...tut mir leid." Ich schaue zu ihr hinüber, besser gesagt dahin, wo sie sein müsste.

„Naja, ich kann nur hoffen." Die Worte schienen ihr ziemlich viel gekostet zu haben. Verständlicherweise. Schließlich geht es um den Vater ihres Kindes, ihren Mann.

„Ich habe die Bodentruppen unterstützt, sie sind noch da draußen."

„Und was, wenn er es nicht mehr ist? Was soll ich Liam sagen. Er ist doch noch so jung." Wieder höre ich einen schweren Schluchzer.

„Hey." fange ich so sanft wie möglich an, „Die Soldaten sind in den Wäldern gut verschanzt, die Verluste sind nicht so hoch, wie Sie glauben. Die Chance, dass ihr Mann noch am Leben ist, ist sehr gut."

Natürlich weiß ich, wie die Lage wirklich ist. Ich sehe es schließlich bei jedem Flug. Die abgebrannten Städte, Dörfer und Wälder. Ganze Landstriche entvölkert. Und die Verluste, nun, die sind massiv. Und besonders hart hat es die Bodentruppen getroffen. Aber wie sollte ich ihr und dem Kleinen das erklären? Sollte ich ihr erzählen, dass die Aliens diese fetten Plasmastrahlen haben, mit denen sie ganze Waldstücke in wenigen Augenblicken einäschern? Diese Plasmabomben, die gnadenlos alles pulverisieren, was die ursprünglichen Angriffe überlebt hat? Diese Fahrzeuge, die uns in allem überlegen sind? Was soll ich ihr bitte sagen?

„Danke." Sie schweigt lange, „Wissen Sie, ich..." mit einem für diesen Ort bestialisch lautem Geräusch fliegt die Bunkertür auf. Aufgeschreckte Rufe hallen sofort durch den geräumigen Raum. Ich erkenne sofort die Umrisse des Arztes in der schwach erleuchteten Tür. In der Hand trägt er etwas, bei dem es sich um ein Gewehr zu handeln scheint.

Titan." Er winkt mich zu sich. Ich nicke bloß, hebe Liam's Kopf behutsam an und stehe auf, lasse ihn auf meine Schwimmweste ab, die mir als eine Art Kissen dient und komme ihm entgegen.

„Komm mit, wir brauchen dich." Er nickt in Richtung Ausgang, „Es ist ernst."

Meine Kehle zieht sich ein wenig zusammen. „Was ist los?"

„Aliens, sie patrouillieren die Umgebung, und kommen genau auf uns zu." Ein durchaus panischer Blick zeichnet sich auf seinem Gesicht ab, während er mit zittrigen Fingern am Sturmgewehr herumfummelt.

„Wir brauchen Sie, um sie abzuwehren. Bitte Titan!" fleht er schon fast. Ich habe keine Zeit zum Nachdenken, ich nicke, nehme ihm das Sturmgewehr ab und folge ihm nach draußen. Woher er das Ding hat ist mir egal.

Fuck, was soll ich mit dem Ding bitte machen? Ich bin Pilot, kein Infanterist. Klar, jeder ballert mindestens in der Grundausbildung und auch ein paar Mal im Jahr mal mit dem Sturmgewehr als Fähigkeiterhalt, aber ich habe es noch nie außerhalb einer 50 Meter Schießbahn eingesetzt. Und selbst da waren meine Ergebnisse eher schlecht als Recht.

„Ich bin Pilot, kein Infanterist." spreche ich auch meinen Gedanken aus, während ich hinter einem Stein am Ausgang Deckung beziehe.

„Ich bin Arzt, kein Soldat. Ich kann mit der hier versuchen was zu machen." Er hält wie aus dem Nichts eine Pistole hoch.

Ich verziehe bloß das Gesicht und nicke dann. Fuck, bleibt der ganze Scheiß an mir hängen. Ich checke, ob die Waffe geladen ist, nehme mir die beiden Reservemagazine, die mir der Arzt hinhält und entsichere die Waffe. Ich verschanze mich unweit des Einganges hinter einem Felsen in einer kleinen Mulde im Boden. Jetzt heißt es warten.

Das Zirpen der Grillen übertönt alles, leichter Wind zieht durch die Hügelkette, in der der Bunker liegt. Um uns herum ist tiefster Wald, nur schemenhaft kann ich alles in der Dunkelheit vor mir erkennen. Der Mond ist nirgendwo zu sehen.

„Was für Waffen haben die und wie viele?" zische ich leise.

„So komische fette Lasergewehre mit mittlerer Feuerrate und sie tragen Rüstungen. Wie viele es sind weiß ich nicht, ich habe aber nur zwei Stück gesehen." kommt es mir dumpf aus dem Dickicht oberhalb des Eingangs entgegen.

Das klingt ja toll, fette Lasergewehre. Meine Fresse ey. Das kann ja nur spaßig werden.

KNACK

Ich zucke zusammen und reiße instinktiv das Gewehr in die Höhe. Doch da ist nichts. Ich lausche, höre in die Dunkelheit hinein.

„Auf dein Zeichen." zischt der Kerl noch, dann bedeute ich ihm die Schnauze zu halten.

KNACK

Da war es wieder, dieses Mal weiter vorne rechts. Fuck, die kommen näher. Langsam höre ich auch erstes Rascheln, etwas großes arbeitet sich da durchs Gebüsch. Das klingt nicht nur groß, sondern verdammt groß.

Für den Bruchteil einer Sekunde glaube ich eine Bewegung im undurchdringbaren Dickicht gesehen zu haben. Wie in Zeitlupe bringe ich die Knarre in meinen Händen in den Anschlag. Es knackt. Ein kleiner Kieselstein purzelt den Stein hinab und bevor ich das realisiere, geschweigedenn der Stein auf dem Boden auftrifft jagt wie aus dem Nichts ein verdammt fetter grüner Laserstrahl aus einem Gebüsch auf mich zu. Mit einem fürchterlichen Krachen bohrt er sich in einen Fels hinter mir. Ich fluche laut auf und betätige den Abzug.

TACK TACK TACK TACK

Patrone nach Patrone schickt das Sturmgewehr in die Hecke aus der der Strahl gekommen ist. Ein krachendes metallisches PLING erklingt, das heißt in der Regel wenig gutes für Infanterie, so weit bin ich auch als Pilot schon.

Es kracht und der nächste Schuss dröhnt aus dem Gebüsch heraus, kracht in den Berg hinter mir und bringt die Erde zum Zittern.

„Ach du Heilige Scheiße!" höre ich von oben u d verziehe das Gesicht. Der Typ da oben ist keine große Hilfe.

„Schnauze! Schieß einfach!" brülle ich verärgert zurück und halte erneut in die Baumlinie vor uns.

TACK TACK TACK TACK TACK TACK TACK

Ich gehe in Deckung, als wieder ein Schuss aus einem Gebüsch jagt, dieses Mal aber weiter links. Ich wechsle das Magazin und will gerade wieder über die Kante in den Anschlag gehen, als sich ein für meinen Geschmack viel zu großer Schwebepanzer aus dem Dickicht 60 Meter vor uns schiebt.

Ich hasse mein Leben, was für eine Scheiße. Ich will eine sehr sehr lange Liste an Beleidigungen und Flüchen abarbeiten, die mir so in den Sinn kommen, aber in meiner Schockstarre reicht es nur für ein „Ich bin am Arsch"-Style Schlucken.

Eine gespenstische Stille senkt sich herab. Nur leise mechanische Geräusche kommen mir von dem Panzer entgegen, als sich die Kanone auf mich herunter senkt. Ich lasse die Waffe fallen und schließe die Augen, es ist aus. Fuck.

Six StrongWo Geschichten leben. Entdecke jetzt