45 ~ Der Helikopter, der uns rettete

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Ich zittere am ganzen Körper. Meine Wunde schmerzt immer noch bitterlich und ich habe Angst. Jederzeit wird dieser Hurensohn da drin einen Knopf drücken, der mich innerhalb eines Bruchteils einer Sekunde pulverisieren wird. Kein schönes Gefühl. Und doch passiert nichts. Nur weiter mechanische Geräusche, die dumpf und kaum verständlich von dem Ding da vorne ausgehen.

Die Sekunden ziehen sich immer weiter in die Länge, fühlen sich schon lange an als wären es Stunden. Und doch stehe ich noch hier. Worauf warten die verdammt?

„FUCK SCHIESST DOCH ENDLICH IHR SCHWEINE!" schreie ich aus tiefster Überzeugung.
Resigniert atme ich aus, hilft ja eh nichts, aber dem Frust Luft zu machen hat geholfen, zu ertragen was jetzt folgen wird. Er wird schießen, ich werde draufgehen, und all das hier wird für mich zu Ende sein. Vor meinen geschlossenen Augen fliegen die Bilder dessen, was mir lieb ist. Meine Freunde, meine Kameraden, mein Vater, meine Mutter, der Anblick des Sonnenuntergangs in Nevada bei der Ausbildung, Angels Lachen, als wir uns das erste mal sahen...lange ist es her.

Ich halte inne. Was war das bitte? Ein leises, kaum hörbares Rauschen von rechts hinten. Ich öffne vorsichtig meine Augen, der Panzer steht immer noch da. Ich schlucke und drehe mich zur Quelle des immer lauter werdenden Rauschens zu. Klingt wie...Fuck.

Noch bevor ich den Gedanken zu Ende gebracht habe schießt die gelenkte Panzerabwehrrakete nur wenige Meter über mich hinweg und schlägt mit einem gigantischen Feuerball in den Alienpanzer ein. Die Druckwelle reißt mich von den Beinen und ich klatsche reichlich unsanft auf dem harten Steinboden auf.

„Fuck." dringt es aus mir heraus. Von der Explosion noch benebelt stehe ich wankend auf, muss mich erstmal orientieren. Der Arzt! Der Gedanke schießt mir wie eine Kugel durch den Kopf. „Hey, Doc!" brülle ich. In diesem Moment ist mir scheißegal ob da noch Aliens im Busch hocken.

„Bin okay." kommt es mehr schlecht als Recht von oben. Okay, das ist schon mal etwas. Du kannst wieder runterkommen Titan, alles prima. Puh. Mein Herz prügelt immer noch von innen nach draußen, als würde es jeden Moment aus meiner Brust rauskrachen.

Und jetzt höre ich auch meinen Retter. Und sehen tue ich ihn auch, denn in diesem Moment rast der Kampfhubschrauber hinter der Hügelkette hervor und fliegt einen Kurvenflug um unsere Position.

Ich schmeiße sofort das Gewehr weg und winke mit beiden Armen. „Hey ihr Wichser, hier sind wir!" schreie ich, so laut es meine Stimmbänder erlauben.
Warte mal, ich hab doch...Sofort greife ich nach dem kleinen roten Röhrchen an meinem Gürtel, knete es einmal durch und schon kommt der rote Signalrauch fauchend zum Vorschein. Eine Miniaturversion eines klassischen Bengalos. Coole Dinger eigentlich.

Der Helikopter dreht ein und fliegt in 50 Metern oder so über uns rüber. Er hat uns gesehen, geil.

„Hey Doc, es geht heim!" brülle ich die Anhöhe hoch, wo sich gerade der Arzt aus dem Dickicht schlägt.
Schnaufend und ächzend kommt er neben mir zum Stehen. „Wird aber auch mal Zeit."

Wieder fliegt der Helikopter über uns hinweg, und dieses Mal ist er nicht allein. Ich kann meinen Augen kaum glauben, sie haben es tatsächlich gemacht, sie haben tatsächlich einen Chinook geschickt! Wie viel Glück kann man bitte haben?

Das zweimotorige Monstrum setzt ein paar Dutzend Meter entfernt zur Landung an. Mitten auf einer kleinen Lichtung direkt an der Anhöhe setzt er unter tosendem Lärm auf.

Ein paar Gestalten springen aus der geöffneten Heckklappe und rennen im Halbdunkel auf mich zu

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Ein paar Gestalten springen aus der geöffneten Heckklappe und rennen im Halbdunkel auf mich zu.

„Sind Sie Titan, 3. Jagdstaffel, 31. Geschwader?" brüllt mir einer der drei Leute in Fliegermontur zu, als sie nah genug sind, um meinen Fliegeranzug zu sehen.

„Positiv Jungs!" brülle ich zurück.

„Haben Sie alles, was Sie für die Evakuierung brauchen, bereit?" Wieder donnert der Kampfhubschrauber über unsere Köpfe, sieht für mich aus wie ein AH-64 Apache, aber bei der Dunkelheit ist das schwer zu sagen.

„Hab alles wichtige an mir, nur Schwimmweste und Helm sind da drin." Ich deute auf den Eingang zum Bunker, „Da befinden sich auch ca. 30-40 Zivilisten!"

Kurz scheint der Chef der drei zu hadern, nickt aber schließlich. „Gut, wir machen Platz für sie. Holen Sie alle, UND BEEILEN SIE SICH!" brüllt mir der Kerl hinterher, während ich schon im Tunnel verschwinde.

„Hey, nehmen deine Jungs da uns mit?" ertönt es hinter mir. Der Arzt ist genauso am Rennen wie ich.

„Natürlich, und jetzt los!"

Die Tür fliegt auf, wir verkünden die Nachricht, die mit Jubelrufen und aufatmenden Stimmen begleitet wird, und schon geht eine Person nach der anderen nach draußen in die Freiheit. Zum ersten Mal kann ich einen Blick auf die Leute werfen, mit denen ich hier ausgehalten habe. Männer, Frauen, Kinder, ein Säugling, Alte, Gebrechliche, alle sind vertreten. Ich greife noch meine Sachen, dann gehe ich wieder auf den Gang hinaus.

„Danke. Danke!" Die Frau mittleren Alters umarmt mich den Tränen nahe. Natürlich erwidere ich die Geste, bin dann aber doch zu überwältigt davon, um irgendetwas herauszubringen.

„Hey Titan!" die Stimme erkenne ich sofort, Liam.

„Hey kleiner, ich bücke mich zu dem kleinen Kerl runter und mustere ihn zum ersten Mal richtig. Er hat lockige blonde Haare und seine unschuldigen Augen schauen mich mit einem tiefen braun an.

„Fliegen wir jetzt weg?"

„Ja, das tun wir. Wir bringen dich und deine Mutter in Sicherheit." Ich streichle ihm über die Schulter, „Na komm, los geht's!" Er greift nach meiner Hand und wir gehen los. Seine Mutter folgt direkt hinterher. In den Armen trägt sie ein paar Jacken, und einen Rucksack.

„Wurde aber auch Zeit!" Der Offizier schaut nervös auf seine Uhr, „Wir sind schon viel zu lange hier!"

Ich nicke bloß und geduckt rennen wir, so schnell es Liam schafft, zum immer noch tosenden Chinook.

„Hier! Nimm meine Hand!" schreit der Bordschütze und hilft erst dem Kleinen und dann seiner Mutter in den mittlerweile proppenvollen Helikopter. Ich gehe zuletzt mit den drei Soldaten an Bord.

Der Lärm der Rotoren ist ohrenbetäubend. Ohne Gehörschutz ist das hier echt keine geile Angelegenheit, das sag ich euch. Mit einem Surren, dass sogar die Rotoren übertönt schließt sich schließlich auch die Heckklappe.

Im Inneren des Helikopters ist es dunkel, nur fades Mondlicht, dass leicht durch die kleinen Fenster strahlt, und ein paar kleine Leuchten an den Wänden erhellen das Innere. Dicht an dicht gedrängt sitzen die meisten auf dem Boden.

„Okay, los geht's!" befiehlt der Crew Chief der Besatzung und schon spüre ich, wie unter mir der Helikopter an Höhe gewinnt. Ich setze mich zu Liam auf die unbequeme Metallbank am Fenster, keiner sagt was, der kleine Junge hält nur zitternd meinen Arm fest.
Die Leute haben Angst, das spüre ich, wie könnte ich es ihnen auch verübeln? Ich habe doch genauso Angst wie sie, nur lasse ich es mir nicht anmerken. Wenn ich, als Profi in deren Augen, jetzt anfange panisch zu werden, werden sie alle automatisch genauso panisch. Und das brauchen wir nicht.

Ich schweige also einfach nur, während der Hubschrauber Fahrt aufnimmt und Kurs auf den Shatterdome setzt. Es geht nach Hause, endlich.

Aber der Weg ist noch lange...

Six StrongWo Geschichten leben. Entdecke jetzt