26 ~ Eine Stadt im Feuersturm

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„Und wie war's mit Monster in einem Jet für mehrere Stunden auszuhalten?"

Ich winke bloß müde ab und schiebe mir noch ne Ladung Kartoffeln in den Mund. Ich sitze mit meiner Staffel in einer der Kantinen dieses Schuppens. Die Wände sind aus dem natürlichen Gestein des Berges, Boden, und Decke hingegen künstlich. Es ist ziemlich viel los hier.

„So schlimm?" Jumper klopft mir auf die Schulter, „Man, das muss dich ja richtig mitgenommen haben."

Ich werfe mein Besteck auf den Tisch und fahre zu ihm herum. „Was mich mitnimmt, ist der Fakt, dass wir von Aliens angegriffen werden, Crown elendig verreckt ist, unser Leader, der Mann, der uns alle hier zu dem gemacht hat, was wir sind, und nicht zuletzt der Fakt, dass wir uns hier verkriechen, während die Menschen da draußen sterben, für deren Schutz wir einen Schwur geleistet haben.
DAS nimmt mich mit."

Alle nickten stumm.

„Wir sollten da draußen sein, nicht hier." füge ich noch hinterher und schüttele den Kopf.

„Kommt schon Jungs." Hera steht auf und hebt ihr Glas in die Höhe. Wir machen es ihr gleich, nur Blackhole bleibt regungslos sitzen.

„Wir können froh sein, diesen Tag überstanden zu haben, aber wir müssen auch an jene denken,...die es nicht geschafft haben. Auf unseren Mentor, unseren Staffelführer, auf unser aufbrausendes Fliegerass...auf Crown."

Wir trinken alle und setzen uns dann wieder. Ein stiller Seufzer entfährt mir. Wo soll das alles hinführen?

„Auf Crown!" Wir drehen uns um. Langsam und sichtlich müde kommt Angel an den Tisch.

„Hey Angel, alles in Ordnung?" frage ich. Sie sieht nämlich nicht gerade in Ordnung aus. Tiefe Schatten zeichnen sich unter ihren sonst recht schönen Augen ab. Als hätte sie geweint, sehr viel geweint.

„Alles gut, danke Titan." antwortet sie und trinkt den Schluck Zeug, den sie da in der Hand gehalten hat. Sie stellt den Becher ab und verschwindet.

Lange sagt keiner was. Nur das mechanische Atmen von Blackhole und der Lärm um uns herum erfüllt die Luft.

„Sag mal, Blackhole." beginnt Jumper plötzlich, „Wie isst du eigentlich unter diesem Helm?"

Ein heiserer Huster ertönt als Antwort. „Woher das Interesse, Sechs." fragt er unberührt.

„Nur so."

Schweigend und gebrechlich erhebt sich unser Staffelführer, hält kurz inne um Stabilität zu bekommen und hinkt dann davon.

„Der Kerl ist mir immer noch ein Rätsel." murmelt Blaster, der in einem Bericht blättert. Er klappt den Schmöker zu und sieht auf, „Wie denkt ihr sieht er unter dem Helm aus?"

Crimson winkt müde ab. „Is mir egal, solange er gut ist und uns anführt. Was mich mehr ankotzt ist dieser Bunker hier." Er gähnt und alle nicken zustimmend. Heute war wahrscheinlich der anstrengendste, emotionalste und nervenaufreibendste Tag meines Lebens. Wahrscheinlich für immer. An einem Tag hat sich das Schicksal der Welt und so vieler Menschen so radikal verändert. Invasoren aus dem All greifen nun an, wir sind im Krieg.

„Kommt Jungs, ab in die Heia." Hera klatscht in die Hände und nickt Richtung Tür. Über dieser hängt ein Fernseher auf dem gerade eine Livesendung eines der Schiffe über einer Stadt läuft. So wie es aussieht Hamburg.

Wir stehen auf, halten aber kurz vor der Tür, weil uns Blaster zurückhält. „Fuck." murmelt er und deutet auf den Bildschirm. Wir bleiben wie angewurzelt stehen, meine Augen weiten sich vor Grauen. Das Schiff, dass bis eben noch stationär war, hat sich in Bewegung gesetzt. Wir schauen zu, wie es mit Laserstrahlen, Raketen und Plasmasphären die Stadt auslöscht. Keiner sagt was, alles starren nur geschockt auf den Bildschirm, wo ein Gebäude nach dem anderen im Feuersturm zusammenbricht und verbrennt.

Als auf den Aufnahmen Menschen erkennbar werden, die versuchen zu fliehen und wahrscheinlich zu Tausenden verbrennen oder ganz ausgelöscht werden, kommt mir die erste Träne hoch. Ein gewaltiger Kloß bildet sich in meinem Hals, während sich die Szenerie unvermindert vor unseren Augen abspielt. Mittlerweile ist es im ganzen Raum totenstill, alle starren fassungslos auf das Grauen, den Tod einer Millionenstadt. Irgendwo bricht jemand weinend zusammen. Aber keiner sieht ihn an, keiner kann seinen Blick von dem abwenden, dass die Kameras dort aufzeichnen. Die Elphi, der Hafen, die Speicherstadt, alles versinkt in Feuer und Tod.

„Schalt das ab." murmelt ein Tornado-Pilot neben uns immer noch im Schock. Mit einem letzten Blick auf die nächste Raketensalve stirbt das Bild. Wir bleiben schweigend zurück.

„Kommt, wir müssen hier weg." weist uns Blackhole an, als wäre nichts gewesen. Sein Tonfall ist unverändert. Auf dem Flur sammeln wir uns erstmal. Mit an den Kopf gehaltenen Händen sackt Hera an der kalten Wand zusammen. Auch Jumper und ich lehnen uns schwer atmend an die Wand.
Immer noch können wir das gerade Geschehene nicht verarbeiten.

„Sie sind alle tot." fängt Blaster mit zitternder Stimme und starr aufgerissenen Augen an, „Jeder einzelne."

Neben uns stolpert ein Pilot mittleren Alters aus der Kantine und bricht sofort zusammen, krümmt sich auf dem Boden, weint sich die Seele aus dem Leib.

„Hey Bro, komm schon, du kannst nichts für sie tun." Zwei seiner Kameraden kommen direkt hinter ihm raus und helfen ihm hoch.

„Tut mir leid. Er kommt aus Hamburg..." erklärt einer der beiden, während sie ihren Kameraden an uns vorbeitragen. Ich schaue den Männern noch lange nach. Wie fühlt es sich wohl an, seine Heimat live niederbrennen zu sehen? Ich kann es mir nicht vorstellen, will es mir nicht vorstellen.

„Kommt Geister, Schluss für heute. Morgen wird anstrengend, das verspreche ich euch." Blackhole geht voran und wir folgen mit gesenkten Köpfen.

Die Barracken der Piloten sind alle unterhalb der Hangars und Runways platziert. So kommen die Piloten immer schnell zu den Maschinen. Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass es sich anfühlt als würde ein Güterzug durchs Zimmer fahren, wenn über uns ein Jet landet oder startet. Und das bei 24/7 Flugbetrieb.

Ich bin wieder mit Jumper in einem Zimmer, immerhin etwas gutes. Außerdem ist Blaster noch mit dabei.

Als wir völlig übermüdet im Bett liegen kriege ich trotzdem kein Auge zu. Ich hätte heute sterben können, ja vielleicht sogar sollen. Aber ich lebe, und so viele andere nicht mehr. Die Erinnerungen dieses Tages überfluten mich. Die Angst um meinen Vater. Er ist immer noch dort draußen, allein. Die Aliens, der Schweiß auf meinem Gesicht im Dogfight, der Angriff auf den Fliegerhorst, die Auslöschung Hamburgs, Crown...

Six StrongWo Geschichten leben. Entdecke jetzt