Six Strong

55 ~ Der brennende Phönix

Es ist still und dunkel. Das Bett ist noch genauso weich wie in der ersten Nacht. Wenigstens das kann einem dieser Ort nicht nehmen. Ich liege in einem Meer aus Dunkelheit und Wärme. Und doch kann ich nicht schlafen.

Zu viele Gedanken.

Ihre Augen, die süchtig machen.

Zu viele Gedanken.

Ihre Haare, die so viel an Glanz verloren haben und doch schöner sind als alle anderen.

Zu viele Gedanken.

Ihre zarte, süße Stimme, die mich versucht aufzumuntern.

Zu viel Angel.

Zu viel.

Ich liege einfach nur da mit geöffneten Augen und lausche dem dünnen Surren der Ventilation. Um mich herum erzittert die Wand und ein lautes, aber dumpfes „WUUUUSCH" gefolgt von dem markanten Schnappen des Fangseils, lässt mich seufzen.

24 Stunden Flugbetrieb. Sieben Tage die Woche, so lange es nötig ist. In Gedanken versunken kriege ich kaum mit, wie dumpfe, schwere Schritte auf dem Gang lauter werden und mit einem lauten Krachen die Tür auffliegt.

Ich verenge meine Augen zu Schlitzen.
Zwei triefende Gestalten stehen im grellen Licht des Ganges. Ich muss lächeln, obwohl alles in mir nach Schlafen schreit.

„Immerhin sind wir den jetzt los." höre ich meinen Wingman sagen, der sich völlig am Ende seiner Fliegerkombi entledigt.

„Ja, der hat uns eh viel zu viele Probleme gemacht. War schon ein geiles Gefühl zu sehen, wie er explodiert." antwortet Blaster seinerseits, während er den Reißverschluss des Fliegeranzugs öffnet.

Bitte lass es um Monster gehen. Bitte lass es um Monster gehen. Ich wiederhole den Satz in meinem Kopf wie ein Mantra.

„Titan wird sich freuen, dass dieser beschissene Com-Jammer endlich am Arsch ist."

Naja, einen Versuch war's wert. Danke für die schönen Neuigkeiten, Jumper.

Sie reden noch kurz, während sie sich fertigmachen, aber es dauert nicht lange, da kehrt wieder Stille in A-91B ein. Das rhythmische Atmen meiner Freunde gesellt sich zur Lüftungsanlage hinzu und zusammen verschmelzen sie zu einem Brei aus Sinnesstrapazierungen, die meinen Geist endgültig überfordern und in einen tiefen, traumlosen Schlaf schicken...

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Mit einem ungewöhnlich hartem Ruck öffne ich die Augen...und starre in Jumpers breites Grinsen.

„Hallo Langschläfer. Der Dienst ruft." er guckt auf die Uhr, „Du hast 8 Minuten."

Mein anfängliches Grinsen bei dem Anblick schwingt blitzschnell in überhastete Panik um. Acht Minuten um mich anzuziehen, zu essen und dienstbereit angetreten zu sein. Ich bin Pilot der QRA, ich kann sehr sehr schnell aus dem Tiefschlaf auf volle Leistung hochfahren, wenn nötig. Aber außerhalb der hektischen Alarmstarts, fehlt schlicht und weg die Motivation.

Nörgelnd und gähnend ziehe ich mich an, schließe die grau-grüne Fliegerkombi mit dem halben Dutzend bunter Patches drauf, und marschiere genervt direkt zum Morgenappell, weil mir die Zeit zum Essen fehlt.

„Was steht überhaupt an?" fragt Blaster, der mindestens genauso müde und demotiviert aussieht wie ich.

„Der Lord will eine wichtige Ankündigung über zukünftige taktische Operationen auf globaler Ebene machen." Jumper sieht uns triumphierend an. Perfektes Luftwaffenchargon für „globaler Gegenschlag".

„Dann ist es soweit?" frage ich und ein seltsames Gefühl überkommt mich.

„Scheint so." Jumper zuckt bloß mit den Schulter, „Ach und, Titan, wir haben den Störsender gestern ein wenig bombardiert. Der stört erstmal gar nichts mehr."

Ich nicke diese Nachricht lächelnd ab.

Mit einem lauten Zischen öffnet sich die Stahltür und wir stehen in der kühlen, lauten Hangarreihe. Während gerade eine Gruppe F-18 Kampfjets vorbeirollt und wir uns deswegen fast die Ohren zuhalten müssen, wandert mein Blick suchend durch die Gegend.

Jumper schreit irgendwas, aber gegen den Lärm der Triebwerke hört man nur dumpfe Geräusche. Er deutet aber nach Rechts, also folge ich dem Blick. Im Schatten einer der Flugzeuge steht Blackhole und mustert uns. Das Schwarz seines Anzugs scheint schon fast mit dem Schatten zu verschmelzen. Es sieht ehrlich gesagt total gruselig aus wie er da steht und uns einfach anstarrt.

„Blackhole." wir salutieren, als wir vor ihm stehen.

Er nickt bloß, als wäre er mit der Sache bei was anderem.

„Der amerikanische Befehlshaber der hier anwesenden US-amerikanischen Luftstreitkräfte wird das Meeting gleich begleiten und seinen Teil beisteuern. Das, was ihr gleich hören werdet, ist absolut geheim. NIEMAND und ich wiederhole, NIEMAND darf davon erfahren außer den Besatzungen und den hohen Tieren beim Planungsstab." beschwört er uns mit seiner so grausam tief-männlichen Stimme.

Wir nicken bloß und folgen ihm dann in eine der Wartungsbereiche, wo eine Reihe Kampfjets aufgeklappt und nackt vor uns steht. Triebwerke werden gewechselt, Kabel neu verkabelt, Leitungen neu verlegt etc.

Eine große Traube an Piloten hat sich schon versammelt und steht im Kreis um einen hochgewachsenen, grimmig dreinstarrenden Mann mit amerikanischer Uniform. Das wird er sein. Auch die Asse und ein paar Piloten der Hornets sind hier.

Wortlos stellen wir uns dazu.

„Guten Morgen." beginnt der General, der diese Einrichtung leitet. Gesehen habe ich diesen bulligen Kerl nur einmal, als wir am ersten Tag hier begrüßt wurden, „Ich bin hier, um Sie alle über die bevorstehenden operativen Manöver zu unterrichten, die wir in den letzten Tagen und Wochen mit unseren Partnern ausgearbeitet haben."

Er holt eine Art Checkliste raus.

„Ich stelle euch hiermit Operation Burning Phoenix vor. Der Gegenangriff. Ja, ihr habt richtig gehört. Wir werden uns dem Feind stellen, koordiniert und entschlossen dem Feind einen entscheidenden Schlag verpassen. Durch die erfolgreiche Bombardierung des Störsenders des Feindes vergangene Nacht, konnten wir Kontakt zu fast allen Staaten auf den anderen Kontinenten herstellen. Wir wissen, wie es ihnen geht, wie viele Kräfte sie haben und sonst alles, was wir brauchen. Das Datum und die Zeit stehen fest. Montag, um exakt 10:00 werden wir gegen sie in die Schlacht ziehen."

In 5 Tagen. Fünf jämmerliche Tage habe ich noch zu leben. Es ist totenstill, als gäbe es die Dutzenden Flugzeuge um uns herum nicht.

„Unser primäres Ziel ist dabei die absolute Vernichtung jedes einzelnen Feindes auf dem Gebiet Europas. Wir werden als Shatterdome fliegen, nicht als Geschwader. Der Shatterdome in Spanien wird sich mit überlebenden Kräften in Skandinavien und Großbritannien vereinen und den westlichen Teil befreien. Unsere Aufgabe ist das gezielte Ausschalten der feindlichen Luftabwehr und der Harvester. Zu dem Zweck landen just in diesem Moment Jagdbomber aus Russland, Polen und den USA hier. Unsere Aufgabe ist das zerstören. Wir werden als SEAD* Element dienen, genauso werden wir die Jam-Flugzeuge stellen. Die anderen Einheiten schlagen die Bresche, wir nutzen sie aus."

Köpfe drehen sich, Freunde schauen sich an, Brüder, Schwestern, Vaterfiguren. Und jedem einzelnen von ihnen steht der selbe Blick ins Gesicht geschrieben, die Bereitschaft zu tun, was nötig ist. Der Blick eines Menschen, der nichts mehr zu verlieren hat. Jeder hier hat Angehörige verloren, manche sogar ganze Familien. Der Schmerz, die Wut und die Rachsucht liegen tief.

Langsam glaube ich, dass der Wunsch es alles endlich aufhören zu lassen und wieder bei den Verwandten und Freunden zu sein, bei immer mehr von ihnen überwiegt.

Sie haben keine Angst mehr.
Sie wollen sterben.

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*: Supression Of Enemy Air Defense