28 ~ Alarmstart

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Tage ist her, dass wir zum letzten Mal eine Trockenübung des Startvorgangs gemacht haben und immer noch kein Einsatz. Es ist als ob wir uns hier nur verstecken würden, wie ein getretener Hund. Informationen über das, was außerhalb dieser grauen Felswände vor sich geht, sind rar.

Hamburg, München, Berlin, alle in Schutt und Asche. Soweit ich sagen kann, die meisten größeren Städte auch. Vermutlich haben die Viecher eine Stadt nach der anderen ausgeräuchert. Sie alle abgeschlachtet, die ihren Erstangriff überlebt hatten. Wie viele Unschuldige sind schon gestorben? Es müssen Millionen sein.

Das gelbe Licht der Glühbirne an der Zimmerdecke flackert leicht, während die Glühbirne im Takt des Lüftungsschachtes hin und her schwingt. Und wir sitzen hier rum. Lenken uns von der Außenwelt und der Langeweile mit langweiligen Kartenspielen ab, die sich Hera alle drei Minuten neu ausdenkt, und die nach der ersten Runde langweilig werden.

„Wieder gewonnen." murmelt Jumper, als würde er gleich einpennen.

„Na Hera, was kommt als Nächstes?" fügt Crimson ähnlich motiviert hinzu.

Resigniert wirft Hera die Karten über ihre Schulter und legt den Kopf in den Nacken. „Ich weiß nicht, Jungs."

Auch wir legen unsere Karten weg und beschäftigen uns mit uns selber. Während Blaster und Crimson in  Richtung Cafeteria abhauen und Jumper in einem alten Schmöker über den Koreakrieg blättert, lege ich mich in mein Etagenbett und strecke meine Gliedmaßen von mir. Ich bin müde. Mein Körper braucht endlich wieder einen Kick. Das ganze Warten, das Nichtstun, das macht mich krank. Ich brauche Adrenalin, das ist es, was mich am laufen hält.

„Boaaahhhh." stöhne ich genervt.

„Schnauze, Bruder." kommt es von Jumper zurück.

„Wann dürfen wir endlich fliegen?" fahre ich unbeirrt fort.

„Hast du es so eilig zu sterben, Titan?" fragt Hera, die mittlerweile im Raum auf und ab geht.

„Nein, aber trotzdem. Hier rumzusitzen..., wir sind Piloten, wir sollten da draußen sein." nörgele ich.

„Wir kriegen unsere Chance." mischt sich unser Staffelführer wie gewohnt knapp ein.

Blackhole, der macht typische Blackhole-Sachen. Er lehnt schweigend an der kahlen grauen Betonwand und verschränkt die Arme vor der Brust. Leise dringt das metallische Atmen unter dem Helm hervor, den er nie abzunehmen scheint.

„Und wann?"

Der Alarmierungston dröhnt uns wie aus dem nichts um die Ohren. Ein schrilles Piepen in Abständen von zwei Sekunden. Rote Warnlichter flackern an den Wänden auf.

„Jetzt." Beendet Blackhole meinen Satz und öffnet die Tür, „Und jetzt los!"

Sofort verfliegt die Langeweile und ich springe wie ein Topathlet aus dem Bett und renne hinter meinen Leuten her. Wir stürmen in die Kammer mit der Anti-G Kleidung und machen uns schick für den Einsatz. Zum Schluss noch den bekannten 400.000€ Helm auf den Kopf, auf dem in weißen Buchstaben „Titan" prangt und schon geht das Rennen um die Zeit weiter. Wir stürmen durch einen Korridor zu den Hangars. Auf dem Weg schließen sich auch Crimson und Blaster an.

Wir reißen die Türen zum Hangar auf und rennen wie die Weltmeister zu unseren Jets, die fein säuberlich in einer Reihe in der Box stehen.

„30-96 einsatzbereit!" meldet der Flugzeugwart und ich nicke zum Dank. Ohne zu zögern stürme ich die Treppe hinauf und lasse mich ins Cockpit fallen. Sofort lasse ich die Triebwerke anlaufen und fahre die Systeme hoch. Die 160.000 hinter meinem Arsch Erwachen zum Leben und die Welt um mich herum wird von dem Dröhnen der Turbinen erfüllt. Das ist das Leben, dass ich liebe. Das ich brauche. Die Canards stellen sich eigenständig in Position.

Die Cockpithaube schließt sich und ich melde Startbereitschaft. Der Wart gibt mir das Go und ich salutiere der Bodencrew, während meine Maschine aus der Box und hinter Blackhole in den langen Tunnel zu den Katapultstartern rollt. Während die Bereiche mit den Boxen und den Flugzeugabstellanlagen gut ausgeleuchtet sind, werden die Zubringertunnel nur von schwachem Neonlicht und den Markierungen im Boden erleuchtet, was ihnen eine ziemlich geheimnisvolle und düstere Atmosphäre gibt. Diese Tunnel müssen sehr alt sein, überall verlaufen Rohre und Leitungen über die Wände und die Decke. Der graue Stein des Berges, der als Wand dient, glänzt von der Nässe.

„Tower Bravo 17 an Geisterstaffel, Startfreigabe für Pisten 1 und 2."

„Bestätigt." dröhnt es fünf mal als Antwort aus dem Funk.

„Bestätigt." verkünde auch ich, dann halten Blackhole und ich auf dem Aufzugspad an. Langsam fährt der Aufzug hinauf und langsam steigt die Anspannung auch wieder. Wäre aber auch irgendwie unnatürlich wenn nicht, oder?

Wir bestätigen die Bereitschaft zum Befehlsempfang mit einem knackigen „Ready for Scramble Order!"

„Tower Bravo 17 an Geisterstaffel, Missionsziel ist die Eskorte und Unterstützung von Tornados im Raum Darmstadt. Wir haben auch einen Tornado ECR zur Sicherheit in der Luft. Die Wetterbedingungen sind gut. Tower Bravo 17, guten Flug und bis später!" Mit den Worten meldet sich der Tower ab. Der Rest bleibt uns überlassen. Ich bin ehrlich, ich hätte nicht gedacht, nochmal mit einem Tornado ECR zutunzuhaben. ECR steht für Electronic Countermeasures, also elektronische Kriegsführung. Ein fliegender Störsender, der alles und jeden lahmlegen kann, was da so rumdüst. Wie sich das mit Besuchern aus dem All verhält weiß ich nicht.

Vor mir erscheint endlich die Startbahn und in meinem Kopf spule ich die Startprozedur nochmal ab. Ich fahre meine Maschine vom Aufzug herunter und parke. Die Bodencrew macht ihren Job und zieht den Jet auf das Katapult. Unter mir wuseln locker sechs Leute an meinem Fahrwerk herum.

Mit einem spürbaren Rucken hängt sich das Katapult an mein Fahrwerk. Ich bin jetzt fest mit dem Apparat da unter mir verbunden.

„Launch Controller an Geist 2, kommen."

„Geist 2 hört." antworte ich, während ich die letzten Vorbereitungen treffe.

„Schub auf 100%, Nachbrenner aktivieren!"

Langsam drücke ich den Schubregler nach vorne und hinter mir jaulen die Triebwerke auf. Ich schaue zur Seite, wo Blackhole das Gleiche tut. Er nickt mir zu und wendet sich dann seinen Instrumenten zu.

„Schub auf 100%, Nachbrenner ist an!" melde ich.

„Startposition einnehmen und auf Zeichen zum Launch warten. Launch Controller Ende."

Ich greife an den Griff über meinem Rückspiegel an der Decke des Cockpits und klammere mich regelrecht daran fest. Dann sehe ich zu dem Launcher in der gelben Weste hinüber, der ein letztes Mal alles checkt und dann in die allzu bekannte Position geht. Das Signal zum Start.

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Six StrongWo Geschichten leben. Entdecke jetzt