Es ist so laut, doch für mich ist es still.
Das Lachen der anderen ist so kräftig, doch ich höre es nicht.
Die Gläser klirren so laut, doch ich schenke ihnen keine Beachtung.Nur ihnen.
Nur ihren beiden wunderschönen meerblauen Augen, in denen ich am liebsten ertrinken würde. Wie lange wir uns schon anschauen weiß ich nicht. Ihre Augen rauben mir das Gefühl für Zeit, Angst und alles andere um uns herum.
Wenn sie da ist, gibt es nur noch uns.
Sie ist mein Frieden.Ihre Hand ruht immer noch auf meiner.
Ihr mitleidiger Blick sticht mir immer noch direkt ins Herz.
Ihr Gesicht nimmt mir die Luft zum Atmen.
In diesen pseudocoolen Actionfilmen mit Tom Cruise und Co. wäre das hier nun der Moment eines unglaublich romantischen Kusses, bei dem die Besucher im Kino immer so weich ums Herz werden.
Doch wir leben nicht in einem Film.
Unser Leben ist real.
Unsere Entscheidungen werden nicht von irgendeiner schlechten Plot-Armor geschützt.
Wenn wir Fehler machen, bezahlen wir einen Preis.
Einen Preis, der uns alles nimmt.Wir sind keine Hotshots wie in Top Gun, wir sind auch keine psychopathischen Einzelgänger, nun ja, alle außer Blackhole.
Wir sind wie du.
Wir sind Menschen.
Und Menschen machen Fehler.
Fehler, die ihren Preis haben.In den Filmen, die mich damals zum Militär trieben, waren Piloten wilde, durchtrainierte Badboys, die im 1 vs. 50 alle Feinde im Alleingang wegfegen und am Ende irgendeine bilderbuchmäßige Frau bekommen, sie heiraten und glücklich werden.
Diese Geschichten sind Illusionen. Produkte aus dem, was sich normale Menschen unter einem Kampfpiloten vorstellen. Einen kalten Killer, einen Superhelden oder etwas ganz anderes? Nichts von alldem sind wir.
Wir sind keine Draufgänger, ganz im Gegenteil eigentlich.
Die meisten von uns sind die Sorte Mensch, die damals in der Schule alleine hinten in der Ecke saß.
Wir sind still.
Wir sind unauffällig.
Wir sind wie Roboter unter unserem Helm, der unser Gesicht verbirgt.Die Leute erstellen sich ein Bild von dem ausgehend, was sie sich von den Menschen unter den schwarzen Visieren vorstellen.
Brutale Professionalität, Können und Opferbereitschaft.Jedes Kind könnte den Abschuss einer radargelenkten Luft-Luft Rakete innerhalb von wenigen Minuten auswendig lernen. Es ist erschreckend leicht, ein Leben auszulöschen.
Es ist nur ein Knopfdruck.
Ein leichtes Zittern des Flugzeuges, wenn die Rakete davonjagt, ihrem Ziel entgegen.
Ein kleiner Blitz im Sichtfeld, irgendwo in der Entfernung.
Und so ist ein Leben mehr verschwunden.Ich bringe Leben auf Knopfdruck um.
Mein Job ist es, Leben auszulöschen.
Ich bin kein Held.
Ich bin kein Badboy.
Ich bin keiner, der eine bilderbuchmäßige Frau bekommt.
Ich bin keiner derer, die ein Happy End bekommen.Ich bin nur ein Typ.
Ein Typ, der Angst hat.„Collin?"
Ich blinzle.
Für diesen kurzen Augenblick, in dem ich mich in einem tiefgehendem Gedanken über uns habe sacken lassen, ist Angel ein wenig näher an mich herangerückt und sieht mit einer unglaublich traurigmachenden Mischung aus Mitleid, Angst und Mitgefühl zu mir hoch.
Meine Angst macht sie traurig.
Ich will nicht, dass sie traurig ist.„Alles in Ordnung? Du wirkst so weggetreten." wiederholt sie ihre Frage von eben.
Schwer atmend vergrabe ich meinen Kopf in meinen knochigen Händen. „Es ist nichts, alles gut, Angel."
„Du hast schon besser gelogen, das weißt du." sie schaut mich ein wenig herausfordernd an.
Ich seufze leise.
Sie hat ja Recht.
Sie hat immer Recht.
„Ich weiß, tut mir leid."Sie bedeutet mir, ihr nach draußen zu folgen. Ohne groß darüber nachzudenken stehe ich abrupt auf und zwänge mich durch die homogene Masse aus Bomberjacken mit 300 verschiedenen Patches drauf, bis ich endlich auf dem Flur stehe.
Hinter uns dringen noch die Geräusche der Feier durch die schwere Stahltür. Der Gang selber ist so leer, wie es hier unten nur sein kann. Ein wenig den Gang runter hängt ein Teil der Decke herunter. Ein Salat aus Kabeln hängt lose von der Decke und ich könnte schwören, Funken gesehen zu haben.
Das rote Licht der energiesparenden Neonröhren, flackert bedrohlich, als würden sie jeden Moment Feierabend machen. Eine der Röhren stirbt mit einem lauten Zischen, dass durch den Gang widerhallt. Am Ende des Ganges zischt eine piepsende Maus oder sowas in der Art um die Ecke in die Dunkelheit des Nebenganges.
„Was ist los? Hau raus."
Ich schaue zu der Frau neben mir herunter. Gut, so klein ist die liebe Angel nun auch wieder nicht, aber trotzdem.
„Ich weiß nicht. Es kommt mir einfach alles so falsch vor." von einem spontanen Verlust an Energie angetrieben, lasse ich mich an der Wand zu Boden sinken. Sie tut es mir gleich.
„Wir schmeißen eine Feier auf unseren baldigen Tod. Kommt dir das nicht auch irgendwie makaber vor?" frage ich in den Gang hinein, ohne meinen Blick von einem dampfenden Rohr abzuwenden, dass aus der Wand ein paar Meter den Gang runter sticht.
„Ja schon, Aber was ist die Alternative? Du würdest jetzt da oben im Hangar sitzen, deinen Kampffjet anstarren und die Sekunden zählen."
„Das tue ich auch so schon." Ich muss ein wenig grinsen, was auch ihr den Anflug eines Lächelns ins Gesicht zaubert.
„Du weißt wie ich das meine." entschuldigt sie sich und boxt mir leicht in die Flanke.
„Ich weiß Angel, alles gut. Du kannst ja nichts dafür."
Sie nickt bloß und nimmt es so hin. Sie stößt einen leisen Seufzer aus und lehnt ihren Hinterkopf an die kalte, rostige Stahlwand hinter ihr.
„Tut mir leid, dass ich dir nicht helfen kann." Sie schluckt schwer, während ihr Blick weiterhin gerade an die Decke geht.
Du hast so viel mehr getan, als du dir vorstellen kannst.
„Niemand könnte das." bringe ich nur leise hervor, was sehr viel depressiver klingt, als es eigentlich klingen sollte.
Nur du, Angel, nur du kannst es.
„Hast du keine Angst?" frage ich stattdessen abwesend und fummle an einem Patch an meiner Jacke herum. Ein Eurofighter im senkrechten Flug dem Boden entgegen. In groben, weißen Buchstaben darüber steht: „Eure Vögel werden fallen."
„Natürlich, jeder hat Angst. Würde mir mehr Sorgen machen, wenn jemand keine Angst hätte." sie schmunzelt gezwungen.
Du kennst die Gesichter dieser Piloten nicht.
Sonst würdest du so etwas nicht sagen.
Sie haben keine Angst mehr.
Sie wissen, was sie erwartet.
Ich weiß, was uns erwartet.Denn unsere Vögel werden fallen.
88 Stunden bis zum Ende.
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Six Strong
ActionEin Pilot. Er ist Kampfpilot. Er ist Titan. Eines Tages werden er und die anderen Piloten seiner Staffel zu einem Einsatz gerufen, der ihre Leben, und die aller Menschen für immer verändern wird. Denn ein mysteriöser Radarkontakt ist aufgetaucht. ...