Six Strong

59 ~ Combat Ready

Langsam, wie in Zeitlupe presst der Mann hinter dem Schreibtisch den Stempel auf das Papier, verteilt die Tinte auf dem Blatt.

„So." der Mann mittleren Alters hält mir den Zettel über den chaotisch sortierten Schreibtisch hin.

Mit einem flauen Gefühl im Magen nehme ich die Bestätigung meiner wiederhergestellten Einsatzbereitschaft an.

Meine Pflicht der Menschheit und meinen Freunden gegenüber hat gesiegt. Ich habe mich absichtlich den medizinischen Vorgaben widersetzt, um mit ihnen fliegen zu können.

Um an ihrer Seite zu sein, wenn die Hölle losbricht.
Um an ihrer Seite zu kämpfen.
Und um an ihrer Seite zu sterben.

Der Oberarzt hat eine ganze Liste an Argumenten ausgepackt, warum ich nicht fliegen sollte.
Ich habe es ignoriert.

Blackhole hat seine Aura ein wenig ausgenutzt, für die nötige Überzeugung. Die Geisterstaffel ist ab heute wieder vollzählig.

„Bist du so weit?" brummt Blackhole fast genervt, der etwas hinter mir im Türrahmen steht.

Ich ignoriere seinen abfälligen Kommentar und dränge mich an ihm vorbei durch die Schlange der wartenden Soldaten zurück auf den Hauptflur der Krankenstation.

Schweigend verlassen wir erst die überfüllte Krankenstation und machen uns dann auf zu den Quartieren der Staffel, wo die anderen den Vormittag bisher nur im „FreiZi" abgehangen haben.

Als Blackhole vor mir gefühlt die Tür aus den Angeln ballert dröhnt mir ein lautes Jubeln von Jumper entgegen. Und tatsächlich. Er steht mit einem Billardstock in der Hand auf dem unbequemen Sofa in der Ecke und ist offensichtlich mitten in der Bewegung erfroren.

Gegenüber von ihm sitzen Hera, Crimson und Blaster und starren uns mindestens genauso überrascht an.

Kurz schweigen alle. Trotzdem merkt man die sichtbare Vibration unter Blackholes pechschwarzem Helm, was von einer ordentlichen Ladung Wut zeugt. Mittlerweile kann man seine Körpersprache trotz der Fliegermontur und dem schwarzen Helm mit noch schwärzerem Visier doch recht gut verstehen.

Und die Anzeichen eines sich anbahnende Wutanfalls seinerseits sind uns mittlerweile mehr als bekannt. Er wirkt, als würde er einen Kampf mit seinem inneren Ich führen. Trotzdem bleibt sein Blick starr auf Jumper gerichtet.

Mit einem metallischen Geräusch ballt sich seine mechanische Hand zu einer Faust. Kein allzu gutes Zeichen. Ein Huster gefolgt von einem unterdrückten Röcheln lassen ihn innehalten.

Er schüttelt bloß wortlos den Kopf und verlässt dann schweigend, begleitet von dem mechanischen Krachen, dass sein Bein beim Auftreten verursacht, den Raum.

„Hast du den Schein?" fragt Jumper schließlich, während er von dem Sofa runterkommt.

Verschmitzt lächelnd halte ich den Wisch vom Kommando in die Höhe. Mein Todesurteil in schriftlicher Form, abgestempelt vom Angestellten des Oberarztes.

„Willkommen im One-Way Trip." Crimson klopft mir anerkennend auf die Schulter. Sonderlich motivierend ist das alles nicht, da bin ich ehrlich.

Wir verlassen den Raum mit der Fressbude als Ziel. Unterwegs kommen wir am Flightboard vorbei, einer digitalen Tafel, an der alle Piloten und deren Status aufgelistet ist. Ich halte inne und schaue es mir an.

Viele weiß durchgestrichene Namen dominieren das Board, jeder einzelne von ihnen ist ein Opfer dieses Kampfes. Ein Kloß bildet sich in meinem Hals, als ich Warlock auf der Tafel lese. Sein Name ist nicht durchgestrichen. Mit roten Buchstaben steht in der Spalte daneben nur „Not combat ready" wie eine Randnotiz. Der Arme leidet immer noch in diesem Zustand, in diesem Bett auf dieser Station. Fuck.

Auch mein Name fällt mir auf. „Collin "Titan"...".
Genau in diesem Moment schwenkt die Anzeige um und mein Name erstrahlt in vollem Weiß. In kräftigen grünen Buchstaben daneben steht mein Status, „Combat Ready".

Ja, ich bin bereit zu kämpfen. Dann hört wenigstens diese Angst auf. Im Luftkampf ist alles zu hektisch, um wirklich Zeit dafür zu haben, Angst zu verspüren. Der Kampf kommt mir und so vielen anderen mittlerweile nicht mehr als unser Ende vor, viel mehr als Ende der Angst.

Und wir alle sind bereit dafür, auch, wenn es gleichzeitig auch unser Ende bedeutet.

31 Stunden bis zum Ende.