✦ Kapitel 3 ✦

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Allein die Augen zu öffnen fiel mir schwer.

Ich hatte nicht mehr mitbekommen, wie ich eingeschlafen war, doch als ich aufwachte, lag ich in meinem Bett und die wärmende Wolldecke war über mich gestreift worden.

Mein Kopf dröhnte und meine Kehle brannte vor Durst - als ich meine weite Baumwollbluse überzog und die kleine Hütte verließ, wartete Imgur bereits auf mich.
«Morgen Sommersprosse.» Er zwinkerte mir munter zu, während ich die Sonne aus den schmerzenden Augen blinzelte.

«Bist du nicht auf dem Meer?» Meine sonst helle Stimme klang noch kratzig und schlaftrunken, ich rieb mir meine brennenden Augen.

Schwarz wie die Nacht beschrieb Imgur sie immer.

Doch wenn Licht auf sie schien, erkannte man kastanienbraune Flecken in diesen.

Er schüttelte den Kopf und ließ diesen daraufhin um die Schultern kreisen.
«Du zeigst mir heute was du kannst.»
Seine Stimme klang entschlossen, als würde er keine Widerrede akzeptieren.
«Ich soll dir zeigen, was ich kann?»
«Die Rekrutierer zeigen beim Aufnahmeritual keine Gnade. Die Kämpfe sind brutal, und wenn deine Mitstreiter es darauf anlegen, überlebst du nicht einmal den ersten Tag. Du sollst mir zeigen, was du kannst. Dann überlege ich mir das ganze noch einmal.»
Ein schwaches Lächeln entglitt mir, dann band ich meine kupferfarbenen Haare schnell zu einem Zopf.

Mein Nicken war entschlossen.
«Darf ich vorher noch was trinken?»

Wir liefen zum See - weit genug von der Stadt entfernt, und um diese Uhrzeit würde ohnehin niemand an das seichte Gewässer kommen. Die meisten von ihnen waren Seefahrer, Fischer oder betrieben einen Stand am Markt.

Wir hatten also unsere Ruhe.
«Was möchtest du sehen?», fragte ich nervös und wippte von einem Fuß auf den anderen.

«Dass du den Bogen beherrscht weiß ich. Jedenfalls triffst du ab und an ein Auerhuhn.» Dass er mich testen wollte wusste ich ebenfalls. Und dass er nur sehen wollte, was meine elementaren Fähigkeiten zu bieten hatten, war mir auch bewusst.
Als Kind hatte ich mehr trainiert. Doch erst wieder vor knapp einem Jahr damit angefangen. Andere Elementare waren bei weitem besser als ich - daraus konnte ich kein Geheimnis machen.
Imgur stand breitbeinig und mit verschränkten Armen vor mir und ehe er sich versah, schlängelte sich eine der braun schimmernden Wildblumen um seinen Unterschenkel.
«Unfassbar.» Er klatschte ironisch in die Hände.
«Damit wirst du sie alle beeindrucken.»
Ich warf ihm ein müdes Lächeln zu - ehe sich zwischen seinen Beinen ein kleiner Riss im Boden auftat, anschließend wirbelte ich meine Hände durch die Luft und einer der großen Steine, welche am Ufer lagen, erhob sich durch die Lüfte und umkreiste seinen Kopf.
Noch immer unbeeindruckt blickte Imgur mich an.
Plötzlich schäumte das bis eben noch so ruhige Wasser des kleinen Sees auf - wie versteinert blieb ich stehen und beobachtete, wie das stille Gewässer sich aufbäumte und mir in einer Welle entgegenrollte. Das Wasser klatsche gegen meine blasse Haut und geriet in Mund und Nase - hustend und keuchend würgte ich das Wasser aus meiner Lunge.
«Ich dachte, du wolltest noch was trinken.»
Mit weit aufgerissenen Augen betrachtete ich den Mann vor mir, von dem ich bis zu diesem Moment noch gedacht hatte, ich wüsste bereits alles aus seinem Leben.
«Du kannst -...?» Imgur grinste mich an.
«Ich bin aus der Übung.» Noch immer stand ich wie erstarrt da - klatschnass.

«Aber -», stotterte ich, «-warum hast du mir nie etwas gesagt? Warum habe ich nie gesehen... »
«Du hast mich nie danach gefragt. Und mein Mal ist verschwunden, nachdem ich die Aufnahmeprüfung nicht geschafft habe.»
Ich schluckte.
«Imgur, ich wusste nicht-...» Ich rang nach Worten ehe mich erneut eine Ladung kühlen Seewassers erwischte und die Welle mich einige Meter zurück spülte.
Ich hustete und richtete mich zitternd auf.
«Wie du willst», fauchte ich. In der nächsten Sekunde entsprangen Kletterpflanzen aus dem feuchten Boden und schlangen sich um Imgurs Arme und Beine, ehe sie diesen zu Boden rissen und dort gefangen hielten.

Anschließend wirbelte ich die lockere Erde unter seinem Körper auf und vergrub ihn unter dieser.

Seinen Kopf ließ ich - gnädigerweise - frei.
Er hustete und versuchte sich mit aller Kraft aus dem immer enger werdenden Griff der Kletterpflanzen zu befreien, welche seine Gliedmaßen fest an den Boden drückten.
«Ist ja gut!», schnaufte er, während die Erde sich fester um seinen Oberkörper drückte.
«Willst du mehr sehen?», fragte ich lachend, die Arme noch immer drohend in die Höhe gehoben.
Er schüttelte seinen Kopf.
«Es reicht! Es reicht.»
Die Pflanze glitt zurück in den Boden, die Erde bahnte sich ihren Weg zurück in den Spalt, den ich geöffnet hatte um sie zu nutzten - und zum krönenden Abschluss bahnte sich ein Moosglöckchen einen Weg an die Oberfläche - und unmittelbar neben Imgurs Kopf, kam sie zum erblühen.

Er riss den Kopf der Blume ab, richtete sich laut schnaufend auf und steckte mir diese schließlich hinters Ohr.
Zufrieden grinste ich ihn an.
«Gut...», brummte er, während er den Dreck von seinem Oberteil abklopfte.

The fifth KingdomWo Geschichten leben. Entdecke jetzt