✦ Kapitel 27 ✦

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Ich wusste wo die Pferde standen, mit welchen wir am ersten Tag der Akademie angereist waren.

Ich wusste, welche Pferde von den Generälen geritten worden waren, denn sie waren strammer und schneller als die der Auserwählten gewesen.

Ich sattelte hektisch das dunkle, wohl disziplinierte Pferd, ehe ich es aus den Ställen führte.

Sie würden denken, ich wäre eine Deserteurin - eine Abbrecherin. Sie hatten mich gesehen, beim Training. Hatten dabei zugesehen, wie ich versagte.

Hatten dabei zugesehen, wie mir allmählich bewusst geworden war, dass all die anderen Parven an mir vorbei zogen.

Eine Abbrecherin. Das würde man über mich erzählen. Vielleicht war es besser so - es würde niemand nach mir suchen.

Außer Nawin. Akai und Amaya.

Bei den Gedanken an sie, schnürte es mir den Magen zusammen und ich unterdrückte das Gefühl der unerträglichen Trauer.

Ich setzte mich auf und drückte meine Oberschenkel fest in den warmen Körper der schwarzen Stute ehe ich Richtung Mauer lostritt. Das östliche Gebirge der Mauer. Ich kannte diesen Ort. Wenn auch nur aus düsteren Erinnerungen und Erzählungen meiner Brüder - es war der Ort, an welchem ich dir ersten Jahre meines Lebens verbracht hatte.

Der Ort, den wir verlassen hatten, nachdem mein Vater seine Anstellung in Ârames und an der Mauer verlor.

Ich wusste nicht, wieso ich gerade dorthin gerufen wurde - wieso nicht nachhause, in das vierte Königreich?

Ich durfte nicht darüber nachdenken, wollte nicht darüber nachdenken - auch nicht daran, was mich nach meiner Ankunft erwarten würde. Denn es würde nichts ändern.

Der Ritt zur Mauer von der Akademie aus wurde als ein ganzer Tagesritt beschrieben - ich musste mich also beeilen. Alleine war ich schneller, als in einer Einheit und die schwarze Stute galoppierte durch die Nacht, so schnell, dass ich kaum spürte, wie ihre Hufen den grasigen Untergrund berührten und der feuchte Wind mir hart entgegen peitschte.

Ich dachte immer zu an Imgur - an sein grimmiges Gesicht, welches erstrahlte, sobald er mich sah, seine Arbeiterhände, welche Wund waren vom Fischen, sein rötlich, graues Haar welches dem meinem mehr ähnelte, als es das von meinem Vater je getan hatte.

Ich dachte an unsere Abende in meiner kleinen Hütte am See, als welchen wir zusammen vor dem lodernden Ofen saßen und uns die Füße wärmten, nach einem langen und kaltem Tag auf dem Meer, dachte daran, wie wir stumm nebeneinander gesessen hatten, doch keiner von uns das Gefühl gehabt hatte, sprechen zu müssen.

Er war meine Familie. Und ich würde alles dafür tun, um ihn zu schützen.

Ich war bereits mehrere Stunden geritten, der Mond stand nicht mehr hoch oben am Himmel und ich wartete nur darauf, dass die Sonne das mittlerweile flach gewordene Land erleuchten würde.

In der Ferne sah ich es bereits - das Gebirge und die angrenzende Mauer, welche so hoch war, dass mir der Atem stockte.

Die Stute verlor an Kräften und ich legte eine Rast ein, an einem kleinen Bach, welcher auf unserer Strecke neben einem lichten Waldstück lag.

Ich war unvorbereitet aufgebrochen, weder hatte ich Proviant eingesteckt, noch Waffen aus den Trainingsräumen mitgehen lassen. Ich war absolut und vollkommen auf mich - und meine kläglichen Kräfte angewiesen, welche mich die letzten Wochen und Monate mehr als nur enttäuscht hatten.

Ich schnurrte meine Stiefel fester, zog den Bund meiner locker sitzenden Hose enger um und strich mir den bräunlichen, gestrickten Pullover zurecht. Meine rötlichen Locken waren vom Wind des Ritts aufgeplustert und lagen mir um den Kopf wie eine wilde Mähne.

The fifth KingdomWo Geschichten leben. Entdecke jetzt