Als wir den Schlafsaal erreichten, war Leva noch immer nicht von ihrem nächtlichen Spaziergang zurück gekehrt.
Ich hatte bereits während Amaya und Levas Kampf bemerkt, wie der General sie beobachtet hatte - pure Lust war in seinen Augen zu sehen gewesen, als er die wohlgeformte Fae an dem Tag in der Arena das erste Mal erblickt hatte.
Die Wut, welche ich auf Koa schürte, wurde schlimmer, je öfter ich über den Vorfall an meinem Auswahlritual nachdachte. Ich erinnerte mich schmerzhaft daran, wie er Imgur vor Augen aller gedemütigt hatte.
Wie er offensichtlich etwas gesucht - und schließlich auch gefunden hatte, nur, um ihn zu verletzten.
Und Imgurs Stimme ertönte in meinem Kopf, während ich über den General nachdachte.
«Er ist es nicht wert, Sommersprosse.»
Mit zusammen gepressten Lippen dachte ich zurück an den Moment, an welchem ich dem General dafür eine verpasst hatte. Und stolz erinnerte ich mich zurück, an das pochende Gefühl in meiner Hand, kurz nachdem ich realisierte, was ich getan hatte. Ich bereute es nicht - denn ich hatte es für Imgur getan.
Nachdem wir unsere Nachthemden angezogen und unsere Gesichter gewaschen hatten, setzten Amaya und ich uns noch auf ihr Bett, unterhielten uns leise - um die eingekehrte Stille im Schlafsaal nicht zu stören.
Es dauerte nicht lange, da hörten wir, wie die knarrende Tür zu diesem geöffnet wurde.
Sofort schossen unsere Köpfe nach oben und unsere Blicke trafen sich. Dann wanderten unsere neugierigen Augen hinüber, zum anderen Ende des Schlafsaales. Denn wir vermuteten, wer frühzeitig zurückgekehrt war.
Und wir lagen richtig.
«Da haben wir jemandem die Stimmung verdorben» flüsterte ich Amaya zu und sie unterdrückte sich ein Lachen - denn Levas Gesicht sah nicht danach aus, als hätte sie noch besonders viel Spaß mit General Oscurides gehabt.
☽
Der nächste Tag startete erneut mit einem wohltuenden Frühstück im riesigen Speisesaal.
Heute waren dunkle Wolken über Ârames gezogen, dennoch ging ein warmer Wind.
Es roch nach einem herannahendem Gewitter, doch wir alle genossen die Abwechslung zur stechend heißen Sonne.
Amaya lief mit ausgestrecktem Hals durch den riesigen Saal und blickte suchend durch die Menge, in der Hoffnung, ihren Bruder endlich zu finden.
«Vielleicht ist er bereits beim Training» munterte ich sie auf, als sie sich mit enttäuschtem Blick an den Tisch der Parven setzte. Schweigsam nahm auch sie das nahreiche Frühstück zu sich, ihr Blick schweifte dennoch ständig suchend durch den großen Saal.
Das Kampftraining wurde härter und Arruzo nahm keine Rücksicht auf uns.
Mein Herz schlug so schnell, bis ich dachte, es würde platzen. Er ließ uns Kniebeugen durchführen und mit Stöcken trainieren, welche mindestens genauso wehtaten wie eine Peitsche, als sie unsere Haut berührten.
Amaya war außerordentlich gut. Sie beherrschte nicht nur den Wind, sie bewegte sich auch wie einer. Fließende Bewegungen, voller Eleganz und dennoch brutal und schnell.
«Du bist gut.» Mit begeistertem Blick - und peinlichst außer Atem, beobachtete ich, wie sie mit dem Stock schnelle Bewegungen ausführte. Sie nickte mir dankend zu.
«Ich habe mit meinem Bruder trainiert, da waren wir noch Kinder. Ich kenne einige Tricks, damit der Stock, oder das Schwert, nicht aus der Hand rutschen. Wie du mit weniger Kraft einen intensiveren Schlag hervor bringen kannst.» Staunend betrachtete ich, wie sie den Stab in ihrer Hand hielt und die selbstbewusste Stellung ihrer Beine. Grinsend hob sie mir ihren Stock entgegen. «Soll ich es dir zeigen?»
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The fifth Kingdom
FantezieIn einer Welt, aufgeteilt in Gut und Böse, lernt Elana Aledon an der Akademie von Ârames mit ihren elementaren Fähigkeiten zu kämpfen und die Welt vor dem Dunklen zu bewahren. Doch während die Unterwelt immer bedrohlicher und näherzukommen scheint...