✦ Kapitel 9 ✦

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Niemand weckte uns am nächsten Morgen - es schien, als wären die Auserwählten von nun an auf sich allein gestellt.

Ebenso überwachte keiner der Rekrutierer das Training, zu welchem einige der Auserwählte mit Einbruch des neuen Tages aufgebrochen waren - weder einer der Generäle, noch die Kommandanten, standen den Auserwählten dort mit Ratschlägen zur Seite.

Es lag also ganz allein an uns, wie der Ausgang dieses Aufnahmerituals für uns ausgehen würde.

Einige der Auserwählten erachteten es dennoch - oder möglicherweise deshalb - nicht für Notwendig zu trainieren, sie spazierten lieber am Strand entlang oder saßen beisammen an den neu entfachten Lagerfeuern und unterhielten sich.

Ich war nicht in der Lage, von mir zu behaupten, kein Training mehr gebrauchen zu können. Ganz im Gegenteil.

Ich war früh wach geworden - hatte in Ruhe beobachtet, wie die Sonne die leichten Wellen des türkisfarbenen Meeres zum glitzern gebracht hatte, hatte den Vögeln bei ihren morgendlichen Gesängen gelauscht und die Ruhe des neuen Tages genoßen, die wenigen Augenblicke, welche mir allein mit meinen Gedanken blieben.
Erst als Amaya ihre Augen aufgeschlagen hatte, waren wir zum Lager zurück gekehrt. Einige der anderen Auserwählten schliefen noch, als wir an den zahlreichen Zelten vorbei liefen, doch die meisten von ihnen waren, ebenso wie wir, auf dem Weg zum Trainingsplatz.

Der Trainingsplatz war eine in den Boden eingelassene, erdige und kahle Arena, um welche treppenartige Steinstufen gebaut worden waren. Einige der Rekrutierer hatten sich auf diese versammelt, reckten ihre Köpfe sehnsüchtig den Sonnenstrahlen entgegen und beobachteten neugierig das Training der Neuankömmlinge.

Die Auserwählten der vier Königreiche trainierten alleine oder in Gruppen, einige von ihnen trugen bereits die ersten Kämpfe aus.

Amaya und ich beschlossen, uns zuerst auf den steinernen Stufen niederzulassen, um unsere vermeidlichen Gegner und deren Fähigkeiten, Kampftechniken und eingesetzte Waffen genauer unter die Lupe nehmen zu können - um uns möglichst gut auf das vorzubereiten, was uns am morgigen Tag erwarten würde.

Die treppenförmig angeordneten Steinbänke rund um die Arena waren bereits warm von der hoch stehenden Sonne - kaum eine Wolke hing am klaren, hellblauen Himmel.

«Heute Abend wird ein Gewitter aufziehen» murmelte Amaya und blickte nachdenklich in den Himmel.

Ich runzelte misstrauisch die Stirn.
«Ein Gewitter?» Erwiderte ich, blinzelte dem wolkenlosen Himmel entgegen.

Sie nickte. «Der Wind verrät es mir, ich kann es spüren.» Ihre Augen schienen erst, die Art, wie der Wind mit ihrer Haut liebkoste, als sprächen die beiden eine eigene Sprache.

«Dann sollten wir uns für die kommende Nacht vielleicht doch noch ein Zelt suchen.» Amaya nickte.

Dann richteten sich unsere Augen plötzlich auf den leicht trockenen, sandigen Boden der Arena, in welchem sich mit einem lauten Knacken und Knirschen tiefe Risse, beinahe Krater, auftaten, aufgeregte Rufe ertönten.

Zwischen zweier jungen Männern kam es offensichtlich zu einem Kampf, denn sie flunkerten sich voller Vorfreude entgegen, die Gier nach reinem Blutvergießen blitze in ihren Augen auf. Ich blickte mich nach den Rekrutieren und Generälen um, welche sich ebenfalls auf den steinernen Stufen niedergelassen hatten. Und mein Atem stockte, als ich den Fae General unter ihnen erkannte. Breitbeinig saß er auf einer hoch gelegenen Steintreppe, legte schaulustig die Unterarme auf seine Oberschenkel, lehnte sich breit grinsend nach vorne, die unterschiedlich farbigen Augen auf den sich anbahnenden Kampf gerichtet.

The fifth KingdomWo Geschichten leben. Entdecke jetzt