Als der Morgen sich ankündigte und sich die verschiedenen Jahrgänge aus allen Himmelsrichtungen auf den Weg in das Hauptgebäude der Akademie machten, tobte bereits ein dunkles Gewitter über den Hügeln.
Obgleich der Wind, welcher durch die offenen Fensterbögen der Gänge hinein geweht wurde, warm war, so lag doch eine drückende Stimmung auf dem heutigen Tag.
Wir sahen, wie Blitze in den Boden eintauchten und kurze Zeit später entfaltete sich das brodelnde Geräusch des nahe liegenden Donners über uns, welcher einige von uns erschrocken zusammen zucken ließ.
Direktorin Saj wartete bereits im großen Saal auf uns. Und sie stand, was uns annehmen ließ, dass sie uns nun über den Ausgang der Sitzungen unterrichten würde.
Sie hob die Hände in den Himmel und nach wenigen Augenblicken war im gefülltem, großen Saal, eine ungewohnte Stille eingekehrt.
Ich ließ meinen Blick über das Podium der Generäle streifen, welches hinter Direktorin Saj aufgebaut worden war. Ich wollte sehen, welche Stimmung in den Gesichtern der restlichen Kommandanten zu lesen war, welche sich hinter der Direktorin versammelt hatten.
Doch während ich meinen Blick durch ihre Reihen schweifen ließ, kreuzte mein Blick unweigerlich den seinen.
Und es war, als hätte ein Blitzschlag inmitten meines Körpers eingeschlagen, als ich seinen dunklen Blick auf mir spürte, denn unsere Augen trafen sich.
Er beobachtete mich. Eindringlich. General Oscurides.
Ich schreckte auf, zuckte regelrecht zusammen, während meine Hände polternd gegen den hölzernen Tisch schlugen. Schnell sah ich wieder hinüber zu Saj, welche nun einen Schritt nach vorne getreten war. Ich musste wegsehen, konnte seinem Blick nicht länger standhalten, welcher mich regelrecht festnagelte.
Stirnrunzelnd sah Nawin zu mir hinüber.
«Was ist los?» fragte er trocken - seine Gesichtszügen wurden hart, als er zwischen mir und dem Fae General hin und hersah. Wie zur Hölle hatte er das mitbekommen?
Ich schüttelte den Kopf und grinste ihn an, doch er wandte sich nicht von mir ab. «Was ist los, Ela?» fragte er erneut.
«Nichts. Es ist nur das Gewitter» flüsterte ich ihm zu, während ich ein Lächeln aufsetzte. Er nickte, schenkte mir ein sanftes Lächeln, welches seine Augen jedoch nicht erreichte. Dann richtete er seinen Kopf wieder nach vorne.«Ich mache es kurz und knapp-» Sajs Stimme war so Weise, dass es den meisten von uns nicht einmal gelang, den Blick von ihr abzuwenden, selbst wenn wir dies gewollt hätten. Ihr weißes Haar war zu einem festen Knoten auf ihrem Kopf gebunden, in welchen glitzernde Perlen eingearbeitet waren. Ihr Kleid reichte bis auf den Boden hinab, ein wallender leichter Stoff, welcher sich um ihre dunkle Haut schmiegte und sich hinter ihrem Hals zu einem Umhang verband.
Ein goldenes Korsett rang sich um ihre schmale Taille - es ähnelte mehr einem Brustpanzer, als einer Verzierung des schönen Gewandes.
«Die Königreiche sind mehr als nur vorsichtig und besorgt, was den Angriff auf die Akademie angeht. Tenebris hat es geschafft, die Mauer zu überwinden - trotz aller Maßnahmen, welche wir, als gesamte Königreiche, zum Schutz getroffen haben. Eine Warnung dessen, dass all unsere Bemühungen bislang nicht genug waren. Ein Zeichen dafür, dass Tenebris nicht schläft. Dass die Angriffe und der Hass nicht nachlassen, sie brodeln in dessen Innersten und warten nur darauf, sich unserer Schwachstellen eigens zu werden, diese gegen uns zu verwenden. Aufgrund dessen-», sie nahm scharf Luft und ließ den Blick langsam über die Menge gleiten, «-haben wir beschlossen, jeden einzelnen Elementaren und Fae aus den Königreichen einzuziehen, die noch ein Mahl besitzen. Jeder Mensch, welcher kräftig genug ist, wird ebenfalls eingezogen. Diejenigen, die das Aufnahmeritual nicht bestehen, werden unmittelbar zur Heilerlehre einberufen.»
Ein Donnerschlag unterstrich ihre Worte, ehe wildes Gemurmel den Raum erfüllte - doch ein Blick der Direktorin genügte und es wurde wieder still.
«Der Versuch, das Tor Tenebris zu schließen, wird ab sofort jedes Jahr - und nicht wie ursprünglich, alle fünf Jahre, stattfinden.»Ich schluckte. Nawin. Er würde der nächste sein, der an dem gefährlichsten aller Tage im Königreich daran beteiligt sein würde. Ebenso Akai. Und auch Amaya schien daran zu denken, denn aus ihrem bereits blassem Gesicht war nun jegliche Farbe gewichen.
«Doch dies wird nicht nur die Soldaten und Generäle der Mauer geschehen. Denn die Akademie wird zum Abschluss Humãyas eine gesonderte Einheit bilden, für welche sich ein jener von euch aufstellen lassen kann. Die besten Schüler aller Jahrgänge können in den Dienst dieser Einheit berufen werden und diese wird sich fortan nur noch mit der Schließung Tenebris beschäftigen und ein unabhängiges Training erhalten. Sie bleiben auch nach Abschluss der Akademie in dieser Einheit bestehen - sie werden bei jedem Einsatz gegen Tenebris an vorderster Front sein. Ab Ende diesen Jahres, kann sich ein jeder für die Einheit aufstellen lassen - General Oscurides und General Simorra - sie ist momentan noch an der Mauer eingesetzt - werden diese Einheit zusammenstellen, betreuen und leiten. Nur die Besten von euch, sei es nun ein Parven oder ein Tyrez - werden in dieser Einheit fungieren.»
Nun brach die Stille und ein ohrenbetäubender Lärm breitete sich aus. Leute riefen sich etwas zu, andere hoben bereits ihre Hand, drängten sich an das Pult der Direktorin, um sich freiwillig für diesen Dienst aufstellen zu lassen.
«Ruhe!» brüllte Saj durch den großen Saal, doch nur mit Mühe ließ sich die Menge der Auserwählten bändigen.Saj klopfte auf den Tisch, so lange bis wir schließlich verstummten.
«Diese Einheit bedeutet keineswegs Spaß - und damit meine ich, dass die Kampflustigen unter euch, die bereits ihre Hand erhoben haben, an der Mauer besser aufgehoben sein werden. Es geht darum, das Tor nach Tenebris zu schließen - also wird nicht nur eure Stärke entscheidend sein. Vielmehr entscheidet euer Wissen und Besonnenheit über eine Aufnahme.»
Enttäuschte Zwischenrufe ertönten. Dann ließ Direktorin Saj uns Zeit für Fragen und unzählige Hände schossen in die Höhe.
«Wird es kein Auswahlverfahren mehr geben?»
Mein Herz klopfte bei dem Gedanken.Saj schüttelte den Kopf und die Menge begann erneut zu toben.
Ich blickte in wütende, aufgebrachte Gesichter, ehe Saj erneut zur Ruhe aufrief und Arruzo seinen genervten Blick durch die Menge gleiten ließ.
«Sinn wird es sein, alle Fae und Elementare aufzunehmen und sie den Jahrgang der Parven durchlaufen zu lassen. Am Ende des Jahres wird das Aufnahmeritual stattfinden. Anschließend werden diejenigen, die den Dienst an der Mauer nicht verrichten können, den Heilern zugeteilt und werden dort ihre Lehre beginnen.»«Jeder Schwächling wird dadurch an der Akademie angenommen.»
Ich erkannte Theos verächtlichen Tonfall aus der Menge und er erhielt pfeifenden Beifall - scheinbar alles Auserwählte der ersten Königreiche, denn nur ihnen lag etwas an dem Ansehen, welches einem nach der Aufnahme an der Akademie zuteil wurde.
Ich hingegen freute mich für jeden der von nun an wusste, dass das Aufnahmeritual keinesfalls mehr einem Todesurteil ähnelte. Direktorin Saj zog eine Augenbraue nach oben und das Weiche aus ihrem Gesicht schwand für einen kurzen Augenblick.
«Jeder Schwächling - so wie ihr sie nennt, Herr Rousseau - wird die Chance erhalten, sich im Jahr der Parven unter Beweis zu stellen. Nicht jeder der Anwesenden kommt aus solch feinem Elternhaus wie ihr - und durfte eine so vorzügliche Ausbildung für das Auswahlritual genießen.»Sie legte ihren Kopf schräg und blickte Theo herausfordernd entgegen.
«Und doch schafften sie es alle, an dieser Akademie angenommen zu werden - auch ohne jahrelanges Training. Ohne Hilfe. Im Gegensatz zu diesen Auserwählten, scheinen es doch sie zu sein, Herr Rousseau, der wie ein Schwächling erscheint. Meinen sie nicht auch?»
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The fifth Kingdom
FantasíaIn einer Welt, aufgeteilt in Gut und Böse, lernt Elana Aledon an der Akademie von Ârames mit ihren elementaren Fähigkeiten zu kämpfen und die Welt vor dem Dunklen zu bewahren. Doch während die Unterwelt immer bedrohlicher und näherzukommen scheint...