Als ich die kleine Hütte verließ - und mit schweren Schritten auf den See zulief, wartete General Oscurides bereits auf mich. In schwarze Schuppen gehüllt und mit ausgebreiteten Flügeln. Imgur starrte - ebenso wie ich - auf das majestätische Wesen, in welches er sich wieder verwandelt hatte. Schließlich näherte ich mich diesem zögerlich. Durch seine großen, bebenden Nüstern trat dampfende Luft auf uns hinab, während seine faszinierenden Augenpaare uns genauestens beobachteten.
Mit einem genervtem Schnaufen senkte er mir seinen schwarzen, mit seitlich verlaufenden spitzen Stacheln versehenen Flügel hinab, damit ich auf seinen Rücken aufsteigen konnte. Ich rutschte einige Male ab, schnitt mir an den festen Schuppen die Knie auf, doch nach einigen Versuchen saß ich fest auf seinem Rücken. Mit pochendem Herzen betrachtete ich schließlich die ausgebreiteten Flügel der riesigen Kreatur.
Wunderschön - so beängstigend diese Gestalt auch war, mindestens so wunderschön war sie ebenfalls.
Imgur stand in einiger Entfernung zu uns, auf der dunkelgrünen Wiese vor meiner Hütte, die Hände in den Hosentaschen verborgen und den Blick besorgt auf mich gerichtet. Wir sahen uns noch einmal an, nickten uns zu - ehe sich Koa mit schlagenden Flügeln vom Boden erhob.
Die alten Tannen wogen sich im entstandenem Wind der schlagenden Schwingen - und schützend hob Imgur sich eine Hand vor die Augen.
Ich wollte ihm zuwinken - doch ich wusste, dass ich in die Tiefe stürzen würde, sollte ich die warmen Schuppen loslassen. Und ich war mir bei bestem Willen nicht sicher, ob General Oscurides überhaupt mit der Wimpern zucken würde, sollte ich von seinem Rücken rutschen und auf den mittlerweile weit entfernten Boden klatschen.
Mit lautem Flügelschlagen gewannen wir langsam an Höhe, bis Imgur schließlich immer kleiner wurde.
Doch ich sah, wie er sich die Hände an den Mund hob.
«Danke-», rief er, mit bebender Stimme, «danke, dass Ihr sie her gebracht habt.»
Seine Worte kamen bei uns an - wenn auch nur leise, doch ich war mir sicher, dass General Oscurides sie vernommen hatte. Es folgte keine Reaktion darauf.
Wir erhoben uns in den Himmel und ich beobachtete, wie Veles immer kleiner wurde, bis die roten Tannen kaum mehr größer waren als meine Fingerspitze. Ich konnte sehen, wie die Bewohner der kleinen Stadt ihre Hände in den Himmel streckten und auf uns deuteten, doch ehe sie begriffen was oder wer wir waren, verschwanden wir in der tief sitzenden Wolkendecke, und ihr feuchter Dunst nebelte uns ein.
Stillschweigend flogen wir durch den Himmel, während ab und an die Wolkendecke auf riss und die warmen Sonnenstrahlen auf uns hinab schienen. Wortlos blickte ich hinab, auf die schwarzen Schuppen, an welchen ich mich fest klammerte und welche unter dem Licht der Sonne zu glänzen begannen.
«Ich werde es niemandem sagen» flüsterte ich, während Koa seine Flügel ausstreckte und in einem sanften Gleitflug vom Wind getragen wurde.
«Versprochen.»
Ich sah, wie sein Auge sich zu kurz zu mir umdrehte, ehe er seinen Blick wieder starr gerade aus richtete. Ich erhielt keine Antwort auf mein Versprechen - doch mir genügte, dass er es vernommen hatte. Denn ich meinte, was ich sagte.
Wir flogen noch eine lange, schweigende Zeit - ehe wir aus der dichten Wolkendecke hinaus glitten, und sich die Hügel von Ârames unter uns auftaten.
Es war wahrhaftig der schönste Flecken Erden in ganz Veriath und es wunderte mich nicht, dass das erste Königreich damals auf diesen Hügeln erbaut worden war.
«Halt dich fest» sprach Koa mit tiefer Stimme und ich verstärkte meinen Griff.
Mit einem plötzlichem Sturzflug schossen wir in unsäglicher Geschwindigkeit hinab in die Tiefe, direkt auf die Küste des östlichen Meeres zu, vor welchem ein schützender, orangefarbener Laubwald auf uns wartete.
DU LIEST GERADE
The fifth Kingdom
FantasyIn einer Welt, aufgeteilt in Gut und Böse, lernt Elana Aledon an der Akademie von Ârames mit ihren elementaren Fähigkeiten zu kämpfen und die Welt vor dem Dunklen zu bewahren. Doch während die Unterwelt immer bedrohlicher und näherzukommen scheint...