Der Rückfall

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Stella seufzte und sah aus dem Fenster. Die letzten Tage waren schwer gewesen. Tom war kaum zu Hause, die Nächte allein im Bett zogen sich endlos in die Länge. Wenn er dann endlich in den Morgenstunden hereinstolperte, sah er aus wie ein Mann, der gegen seine eigenen Dämonen kämpfte. Dunkle Ringe unter seinen Augen, seine Bewegungen schwer, und der Ausdruck in seinem Gesicht – leer und doch so voller Schmerz. Sie liebte ihn. Sie liebte ihn mehr, als Worte es je beschreiben könnten. Und sie wusste, dass er sie brauchte. Aber es tat weh zu sehen, wie er sich selbst aufrieb. Wie er sich von der Dunkelheit verzehren ließ, in die seine Arbeit ihn zog. Sie hatte das Gefühl, ihn langsam zu verlieren, nicht an eine andere Frau, sondern an eine Welt, die sie nicht verstehen und der sie nicht angehören wollte. Stella beschloss, dass sich etwas ändern musste. Sie wollte ihm ein Stück Normalität schenken, eine Erinnerung daran, dass das Leben nicht nur aus Kampf und Dunkelheit bestand. Sie wollte etwas Einfaches, etwas, was Pärchen eben taten. Einen Abend nur für sie beide. Sie schritt zur Küche, inspizierte die Vorräte und entschied sich für ein einfaches, aber herzhaftes Abendessen. Pasta mit frischem Basilikum, Knoblauchbrot und einen frischen Salat. Während sie die Zutaten vorbereitete, lief ihr ein leichtes Lächeln über die Lippen. Der Gedanke daran, Tom eine Freude zu machen, erfüllte sie mit einem warmen Gefühl. Neben dem Kochen bereitete sie das Wohnzimmer vor. Kuscheldecken auf dem Sofa, einige Kissen für zusätzlichen Komfort und eine Auswahl an Snacks – Popcorn, Schokolade und Chips. Auf dem Couchtisch stapelte sie ein paar DVDs und wählte schließlich eine romantische Komödie aus. Etwas Leichtes, das sie beide zum Lachen bringen konnte, selbst wenn nur für einen kurzen Moment.

Die Stunden vergingen, und als die Sonne langsam hinter den Häuserdächern verschwand, deckte sie den Tisch. Kerzen, ein gutes Glas Wein und das dampfende Essen warteten nur noch darauf, von ihm genossen zu werden. Ihr Herz klopfte schneller, als sie sich nervös durch die Haare fuhr. Sie hoffte so sehr, dass er in der Stimmung war, einfach nur abzuschalten und diesen Abend mit ihr zu genießen. Endlich hörte sie das Summen des Aufzugs und das dumpfe Geräusch, als die Wohnungstür geöffnet wurde. Sie wandte sich um und sah Tom im Türrahmen stehen. Er wirkte erschöpft, sein Hemd zerknittert, und die Ränder seiner Augen erzählten von einer schlaflosen Nacht. Trotzdem blitzte ein Hauch von Überraschung in seinen Augen auf, als er den gedeckten Tisch und das vorbereitete Wohnzimmer erblickte. „Was ist das alles?" fragte er, seine Stimme rau und matt. „Ich dachte, wir könnten einen Filmabend machen", sagte Stella sanft und trat auf ihn zu. „Du brauchst eine Pause, Tom. Du brauchst... uns." Sie streckte die Hand nach ihm aus, strich ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht und sah ihn mit einem liebevollen, aber sorgenvollen Blick an. Tom schloss die Augen, als ihre Hand sein Gesicht berührte, und seufzte tief. „Stella..." Seine Stimme brach fast, als er nach Worten suchte. „Ich..." „Kein Aber", unterbrach sie ihn und lächelte sanft. „Nur heute Abend. Lass uns einfach... normal sein. So wie es sein sollte." Tom öffnete die Augen, die voller Dunkelheit und Schmerz waren, aber auch voller Liebe zu ihr. „Ich weiß nicht, ob ich das kann", murmelte er. „Ich bin..." „Du bist mein", flüsterte sie und zog ihn näher. „Und ich will dich hier bei mir haben. Heute Nacht."

Er sah sie einen langen Moment an, dann nickte er langsam. „Okay", sagte er leise und ließ sich von ihr zum Esstisch führen. Sie setzten sich, und obwohl er noch immer wie ein Schatten seiner selbst wirkte, zwang er sich zu einem kleinen Lächeln. Sie sprachen über belanglose Dinge während des Essens, versuchten, die Schwere, die auf ihnen lastete, zu ignorieren. Stella erzählte ihm von den kleinen Dingen, die ihren Tag ausmachten, versuchte ihn aus seiner Dunkelheit zu holen, auch wenn nur für einen Augenblick. Nach dem Essen kuschelten sie sich auf das Sofa, um den Film zu schauen. Tom legte seinen Kopf in ihren Schoß und seufzte tief, als sie sanft durch sein Haar strich. Sie spürte, wie er sich langsam entspannte, seine Augen schwer wurden und sich schließlich schlossen. Stella sah auf ihn hinab, fühlte seine Erschöpfung und die Kämpfe, die er mit sich selbst führte. Er suchte Trost in ihr, das wusste sie. Jede Nacht kam er zu ihr, wollte sich an ihr wärmen, wollte in ihrer Nähe Frieden finden. Und sie ließ es geschehen. Jede Berührung, jeder Kuss, jede gemeinsame Nacht war der Beweis dafür, wie sehr sie ihn liebte. Doch tief in ihrem Inneren nagte der Zweifel. Sie fragte sich, ob er sie wirklich suchte oder ob sie nur sein Zufluchtsort war, ein Mittel, um seine Dunkelheit zu verdrängen. Als sie so da saß, mit seinem Kopf in ihrem Schoß, verspürte sie eine bittersüße Traurigkeit. Sie wollte ihn, aber sie wollte ihn nicht nur, weil er sie brauchte, um mit seinen Dämonen klarzukommen. Sie wollte, dass er sie als Licht ansah, als das Leben, das sie gemeinsam führen könnten, und nicht als bloße Flucht vor der Finsternis, die ihn verschlang. Der Film lief im Hintergrund, doch sie achtete kaum darauf. Sie hielt ihn nur fest, strich sanft über seinen Nacken und wartete, dass er einschlief. Sein Atem wurde gleichmäßiger, ruhiger. Sie liebte ihn so sehr, dass es weh tat. Doch die Frage, ob er sie jemals genauso lieben konnte, ohne von seinen Schatten getrieben zu sein, blieb.

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