Kleine Schritte

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Stella betrat das Haus, die Atmosphäre im Flur war dicht und schwer. Tom folgte ihr langsam, als würde jeder Schritt ein einziger Balanceakt sein. Er wollte nicht zu fordernd sein, nicht zu zurückhaltend. Stella schien anders zu sein als zuvor, ruhiger, aber auch in sich gekehrter. Ein Funke Hoffnung flackerte in ihm auf, doch er hatte Angst, sich davon blenden zu lassen. „Setz dich," sagte er leise, führte sie vorsichtig ins Wohnzimmer und deutete auf das Sofa. Sie nickte, ließ sich darauf nieder und schlang die Arme um ihren Oberkörper, als müsste sie sich selbst zusammenhalten. Tom holte tief Luft, sammelte seinen Mut. „Willst du... einen Tee?" Seine Stimme klang rau, voller unausgesprochener Worte. Stella hob den Kopf und sah ihn an, ihre Augen schimmerten vor Erschöpfung und einer Spur von... Erleichterung? „Ja, das wäre gut," flüsterte sie und schenkte ihm einen schwachen, fast schüchternen Blick. Es war ein kleiner Moment, aber er fühlte sich an wie ein Fortschritt, ein winziger Schritt aus der Dunkelheit.

Tom eilte in die Küche, versuchte sich zu beruhigen, während er den Tee zubereitete. Er konzentrierte sich auf jeden Handgriff – das Wasser kochen, die Teeblätter in die Kanne geben, umrühren. Seine Gedanken wirbelten, jagten sich. Was hatte Matthew gesagt? Hatte er sie manipuliert? Oder war es wirklich ein ehrliches Gespräch gewesen? Als der Tee fertig war, atmete er tief durch, nahm die Kanne und Tassen und kehrte ins Wohnzimmer zurück. „Hier," sagte er sanft und stellte eine Tasse vor Stella ab, bevor er sich ihr gegenüber setzte. Er sah, wie sie die Tasse mit beiden Händen umschloss, als würde die Wärme des Getränks auch ihr Herz erwärmen. Sie nahm einen kleinen Schluck, und in ihren Zügen schien sich ein Hauch von Frieden niederzulassen. „Danke," murmelte sie, sah auf ihre Hände und dann wieder zu Tom. „Ich fühle mich ein bisschen besser." Er nickte, ließ seine Augen nicht von ihrem Gesicht. „Das ist gut," sagte er ruhig, versuchte, die Emotionen in Schach zu halten, die sich in ihm regten. „Ich... ich habe dich da draußen gesehen, mit Matthew. Ihr habt viel geredet, oder?" Seine Frage schwang im Raum, sanft, aber drängend. Er wollte wissen, musste es wissen, aber er wagte kaum zu hoffen. Stella sah ihn an, tief und durchdringend, als versuche sie in ihm etwas zu lesen. „Ja," antwortete sie schließlich und senkte dann den Blick auf ihre Tasse. „Wir haben über vieles gesprochen. Über seine Fehler, meine Fehler... unsere Vergangenheit." Sie machte eine Pause, sammelte sich. „Er hat mir gesagt, dass er bereut, was damals passiert ist. Und dass er verstanden hat, dass... ich mich entscheiden werde. Und dass diese Entscheidung meine ganz allein ist." Tom nickte langsam, sein Herzschlag beschleunigte sich. „Und... was genau bedeutet das?" fragte er vorsichtig, als müsste er sich an den Rand eines Abgrunds herantasten. „Es bedeutet," begann Stella leise, „dass Matthew seinen Frieden gefunden hat. Er hat mir... uns seinen Segen gegeben." Sie hob die Augen, und in ihrem Blick lag eine Mischung aus Schmerz und Entschlossenheit. „Wenn ich mich für dich entscheide, dann wird er das akzeptieren. Er hat gesagt, dass er nicht mehr kämpfen wird." Tom starrte sie an, fühlte eine Welle von Emotionen durch sich hindurchfluten. Er wusste nicht, ob er ihm glauben konnte, aber für den Moment schob er diesen Gedanken beiseite. Er wollte sich auf Stella konzentrieren, auf das, was sie gerade durchmachte.

„Und du?" fragte er, seine Stimme zitterte leicht, aber seine Augen bohrten sich in ihre. „Was... willst du, Stella?" Es war die alles entscheidende Frage, und er spürte, wie das Gewicht ihrer Antwort seinen gesamten Geist zu erdrücken drohte. Stella seufzte tief, ihre Finger umklammerten die Tasse, als könnte sie darin die Antwort finden. „Ich liebe dich, Tom," sagte sie schließlich, ihre Worte langsam, als müsste sie sich selbst davon überzeugen. „Ich werde dich immer lieben. Aber... manchmal ist Liebe nicht genug." Sie hielt inne, kämpfte mit den Tränen. „Manchmal braucht es mehr als nur Gefühle. Vertrauen, Sicherheit, ein gemeinsames Ziel..."

Tom schloss die Augen, spürte einen scharfen Stich in seiner Brust. „Ich weiß," sagte er leise, ließ die Worte in der Luft hängen. „Ich habe Fehler gemacht. Große Fehler." Stella schüttelte den Kopf, und eine Träne rollte über ihre Wange. „Du verstehst nicht, Tom. Es ist nicht nur das. Ich weiß, dass du dich ändern willst. Ich sehe es. Aber... es geht nicht nur darum. Es geht um uns. Um das, was wir miteinander aufgebaut haben und was wir vielleicht nie haben werden." Sie atmete tief durch. „Ich brauche Raum. Raum zum Atmen. Zum Nachdenken." Tom nickte, schluckte schwer, kämpfte gegen die aufsteigende Panik an. „Ich verstehe," sagte er ruhig, obwohl alles in ihm schrie, sie festzuhalten, sie nie wieder gehen zu lassen. Doch er wusste, dass es nicht so funktionieren würde. „Aber ich will, dass du eines weißt: Du gehörst zu mir, Stella. Egal, wie viel Raum du brauchst, egal, wie lange es dauert." Seine Worte waren ruhig, aber bestimmt, durchzogen von einer unausweichlichen Wahrheit. Er würde sie nicht anflehen, er würde sie nicht bedrängen. Aber er würde sie auch nicht einfach kampflos aufgeben. „Und wenn Matthew denkt, dass er nur so tut, als würde er fair spielen," fügte er hinzu, seine Augen dunkel und unnachgiebig, „dann bin ich bereit. Bereit, bis zum Ende zu kämpfen." Stella schluckte, ihre Augen weit und feucht. Sie spürte die Intensität seiner Worte, die sie umhüllten wie ein dichter Nebel. „Ich weiß," flüsterte sie, einen Schritt auf ihn zugehend. „Ich weiß, dass du für mich kämpfen würdest. Dass du alles tun würdest." Ihre Stimme brach, und sie musste innehalten, um wieder zu Atem zu kommen. „Und das ist das Problem, Tom. Ich will nicht, dass du immer kämpfen musst. Ich will... Frieden."

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