»Du wanderst durch die Flure?« Vincents Mutter sah ihn streng an, nachdem sie den Zettel der Schule in ihren Händen hielt.
»Ich war ... der Unterricht war fast vorbei.« , redete er sich raus.
»Und dann wanderst du?«
»Ich hatte halt keine Lust davorzusitzen, wie so ein ... Spast.«
»Welch Ausdrucksweise.« Sie schüttelte ihren Kopf.
»Er hat mich ohne Grund rausgeschickt.«
»Du hast geschlafen, steht hier.« , sagte sie. »Was machst du denn die ganze Nacht.«
»Das war jetzt einmal. Ich konnte halt nicht schlafen. Keine Ahnung warum.« Vincent zuckte mit den Schultern.
»Dann gehst du heut' halt mal früher ins Bett.«
Verstört blinzelte er seine Mutter an. »Bin ich zehn?«
»Das wird dir guttun.«
Vincent rollte mit den Augen und ging anschließend in sein Zimmer. Es dämmerte mittlerweile bereits. Was für ein beschissener Tag. Schlimmer konnte es ja nicht mehr werden.
Obwohl ...
Selbstverständlich gab es immer eine Steigerung und sein Scheiß Tag war mit Sicherheit für andere eine Belustigung, die mit erschütternden Erlebnissen klar kommen mussten, dennoch ... war er abgefuckt.
Er war noch jung und sein Leben war so ... langweilig.
Irgendwas fehlte.
Vincent bemerkte es ja selbst. Mit seinen zwei, drei Freunden, die er so hatte, hatte er teilweise Spaß, aber ... er erkannte eigenhändig, dass irgendetwas ... fehlte.
Doch was?
Vielleicht ... eine Freundin.
Zwei seiner Freunde waren in Beziehungen, und ... da war dann sozusagen ein Ausgleich vorhanden. Möglicherweise fehlte ihm ja das. Ein hübsches Mädchen.
Er dachte an Saskia und wie sie den Gang entlangflanierte. Ihr blondes langes Haar, das nach ... Sommer duftete. Immer ... zu jeder Jahreszeit.
Aber ... das war eine Traumillusion.
Dass sie heut mit ihm geredet hatte, verdankte er nur dem kurzen Zusammenstoß, sonst nichts. Sie schaute ihn für gewöhnlich nicht einmal an.
Aber eine andere gefiel ihm auch irgendwie nicht.
Doch war es wirklich eine Beziehung, die ihm fehlte?
Er war sich gar nicht so sicher.
Vincent griff nach seiner Gitarre. Vor nicht allzulanger Zeit hatte er mit Gitarrenunterricht begonnen. Auch da hatte er das Gefühl, irgendwas fehlte in seinem Leben und er wollte mit einem neuen Hobby, etwas ... hinzufügen.
Was ihm im Übrigen sehr gefiel.
Er liebte es, Musik zu machen, und begann sogar damit, selbst Dinge zu komponieren.
Gesanglich haperte es ... aber auch da machte er sich keine großen Gedanken drüber. Es war ja nur ein Hobby und er tat es aus Spaß und aufgrund der Leidenschaft, welche er dafür hegte. Es war also nicht schlimm, wenn es nicht ... professionell rüberkam.
Er glitt über die Saiten, als es urplötzlich unter seinem Bett ... raschelte.
Vincent legte die Gitarre beiseite und hockte sich hin, eh er in Zeitlupe drunter sah.
~ Bitte friss mich nicht ~
Nichts.
Rein gar nichts war zu sehen.
Was sollte da auch zu sehen sein?
Dennoch schob er ein paar zerknüllte Papiere, die sich darunter befanden auf Seite, mit der Hoffnung, das keine Hand, beziehungsweise Klaue, nach ihm packen würde.
Was selbstverständlich auch nicht geschah.
Es gab keine Monster.
Er grunzte kurz auf und stellte sich wieder auf die Beine. Obwohl so ein Ungeheuer wenigstens etwas Kick in sein Leben bringen würde. So lang es nicht zur Sorte Zerfleischer gehörte.
Er dachte irgendwie und ohne Parallele an den Film, die Goonies. Freunde, die einen Schatz jagten und Abenteuer erlebten. Als er noch ein wenig jünger war, hatte er sich so etwas vorgestellt. Nicht haargenau dasselbe, aber ... eine Winzigkeit Action in seinem Leben.
Er hatte sich selbst eine Schatzkarte gebastelt, so wie Kinder nun mal sind, und hatte sich auf die Jagd gemacht. Mit vier seiner Kindheitsfreunde, zu denen der Kontakt in der heutigen Zeit nur noch spärlich war. Doch es war lustig gewesen. Der Plot war, dass er einfach wahllos eine gezeichnet hatte und gar nichts an Ort und Stelle vergraben lag. Aber der Weg dahin war ... spannend und ...
Was machte er sich vor?
Keiner hatte ein Leben voller Spannung und Adrenalin ... geschweige denn Freunde, die ewig blieben.
Die meisten lebten sich einfach auseinander. Selbst in Kinderschuhen.
Wieso eigentlich?
Irgendwann sah man einen zum letzten Mal und wusste es bis dato nicht einmal.
Es geschah in aller Selbstverständlichkeit.
Als wäre es ... ein Gesetz oder so.
Traurig, aber wahr.
Vielleicht gab es tatsächlich so etwas wie ein Zeitlimit für Freundschaften.
Sollte man dann nicht einfach jede Minute auskosten, oder war es verschwendete Zeit, wenn eh nichts blieb?
Vincent war sich dessen nicht sicher.
Und ... er war doch noch jung. Es gab zwar niemanden, den er als besten Freund bezeichnen würde, aber ... eventuell würde ja so jemand womöglich mit der Zeit auftauchen.
Aus dem Nichts.
Und dann würde seine momentan graue Existenz ... farbenfroher sein.
~ Hi hier bin ich. Lass uns die Welt gemeinsam bunt malen ~
YOU ARE READING
Wir sind wie Brüder von verschiedenen Eltern
FanfictionDurch Zufall purzelt der junge Dag in das Leben von Vincent, der zuvor von einer wahren Freundschaft nur geträumt hatte. Mit ihm ist er jedoch auf Anhieb auf einer Wellenlänge und schnell werden beide unzertrennlich. Dag hilft seinem neuen besten F...