Vincent hatte Glück und sie fanden nach einigen Metern eine heiße Quelle, in welche er sich und seine Kleidung, nach mehrmaligem Herantasten, das dort nichts ekliges oder Monströses hauste, säubern konnte.
Er war nun zwar klatschnass, aber immer noch besser, als blutig und stinkend herumzurennen. Obwohl ... der Geruch haftete irgendwie an ihm. Oder es war generell in der Luft. Er hatte keinen blassen Schimmer und nahm es daher einfach so hin.
Dass Dag sich ein wenig schlecht fühlte, merkte er. »Ich will, das du weißt, das ich für dich durch die Hölle gehen und zurück laufen würde. Du kannst also aufhören, mich bemitleidend anzusehen.« , sprach er.
»Ja. Aber ... ohne mich hattest du all die Probleme nicht.« , sagte er mit den Händen in den Taschen. »Du müsstest nicht in der Finsternis herumwatscheln, in ekligen Blut baden ... oder ... Saskia ...«
»Du trägst keine Schuld daran, wie Saskias Charakter ist. Ich hab' mich blenden lassen.« , sprach er und lächelte seinen besten Freund demzufolge auch an. »Und wie gesagt, für dich laufe und bade ich gerne. Vor dir war mein Leben ... so eintönig und langweilig. Wir müssen nicht mal hier unten sein, aber mit dir ist mein Leben umso aufregender und lebenswerter.«
»Meins auch. Erst als ich dich kennengelernt habe, hat mein ... Dasein einen Sinn.«
Beide lächelten sich an.
»Ich hoffe, wir sind trotzdem bald da.« Vincent steckte die Hände in seine Hosentasche und zog diese direkt wieder zurück, wegen der immensen Feuchtigkeit.
»Ich glaube, wir sind da.« , sprach Dag.
»Wie kommst du darauf?« Sein Blick schwenkte in alle Richtungen. Der Lockenkopf zeigte auf eine felsige Wand, die ... irgendwie lebendig wirkte. So, als ob sie sich tatsächlich bewegen oder kriechen würde. »Was ...?« , begann Vincent aufs Neue und stockte ab. »... sind das Schlangen?«
Dag trat näher. »Scheint so.«
»Boah ist das hier das Ekelland?« , fragte er und bewegte sich ebenfalls darauf zu. »Müssen wir dadurch?«
Sein Freund schüttelte den Kopf. »Nee. Schau ma'.« Er zeigte auf die knöchrigen, verdrehten Wurzeln, die auf der Felswand gleich daneben pappten. »Wenn du mehr seitlich guckst, siehst du, dass das ein versteckter Eingang ist.«
Dag hatte Recht. Aus der Perspektive gesehen, war man in der Lage zu erkennen, das man so in das Innere einer ... Höhle oder so gelangen konnte.
»Okay. Gut. Dann ... geht's jetzt da rein.«
Der Lockenkopf nickte und wartete anscheinend immer noch, dass sein Freund alles hinwerfen würde, was er jedoch nicht tat. Er ging an ihm vorbei und war dieses Mal der erste, der den unsicheren Schritt wagte.
Drinnen war es nicht so dunkel wie gedacht. Von irgendwo kam eine mickrige Lichtquelle, allerdings konnte man gar nicht genau ausmachen, von wo. Sie beleuchtete alles blau-grün und man konnte dadurch sehr gut erblicken, dass die Wände um sie herum mit einem feuchten, glitschigen Schleim überzogen waren. Auch hier schien es, als ob ... die Höhle atmen würde. Es war ... wie ein pulsieren. Ein weiterhin modriger Geruch füllte die Luft, was die Umgebung zusätzlich bedrückender machte.
»Home sweet Home.« , sprach Dag und schaute sich ebenso angewidert um wie Vincent.
Die zwei schritten langsam voran.
»Spürst du das?« , fragte der Größere der beiden.
Dag nickte, weil er sich denken konnte, was er spürte. Eine eisige Kälte zog durch den Tunnel. »Glaubst du, die Lamien wissen, dass wir hier sind?«
»Hoffentlich nicht.« , meinte Vincent, während der schweinekalte Lufthauch ab- und zunahm, als würde jemand ein- und ausatmen. »Wir schleichen einfach wie Ninjas. Du musst also aufhören, auf irgendwelche Äste oder so herumzutrampeln.«
»Das war kein Ast.« , redete er. »Hier gibt's nicht mal welche. Das war mein Knie.«
»Du bist auf dein eigenes Knie getreten?«
»Siehst du mal, wie talentiert ich bin, Blutegel-Mann.« Beide betraten einen nun größeren Abschnitt, der allerdings nicht anders aussah, außer das sich hier verfallene Statuen an jeder Ecke befanden, die ebenso mit diesem schleimigen Sekret befallen waren. »Was machen wir eigentlich, wenn eine der Lamien uns entdeckt?«
»Also ich werde mit Sicherheit schreien und wegrennen.« , antwortete Vincent. »Und du?« , fragte er, als wäre es eine stinknormale Frage, auf der es mehrfache logische Antworten geben würde.
»Das Gleiche. Nur mit mehr Drama. Vielleicht fall' ich noch hin, wie in einem Horrorfilm.«
Vincent wusste, dass Dag mit Absicht Witze riss, um die eigentliche Atmosphäre wegzuschieben. Auch wenn er selbst ein Monster war, gruselte ihn dieser Ort immens. »Wenn du fällst, nehme ich mir aber wenigstens die Zeit, dich eine Minute auszulachen.«
»Du könntest mir dann auch hochhelfen, aber hey ...« Dag zuckte zusammen. »Was war das?«
Vincent lauschte dem Geräusch in der Dunkelheit, als würde jemand Schweres Schritte tätigen. »Vielleicht 'ne Fledermaus?«
»Mit Schuhen?«
»Okay. Keine Ahnung. Vielleicht auch ... ein großes Insekt.«
»Mit Schuhen?« , wiederholte Dag.
»Lass mich doch einfach hoffen.«
»Es kommt näher, Vinne.«
Vincent sah sich um. »Dann ... lass uns ... uns verstecken.« Er zog Dag mit sich mit, als sie sich hinter eine der Statuen hockten, die irgendwie dem Gebilde von Medusa ähnelte, wenn er sich da an die alten Spielfilme erinnerte, die sein Vater öfters geschaut hatte, Odysseus und so betreffend.
Dags Finger bohrten sich unerwartet in seinen Arm. »Das is'n Wiedergänger.« , flüsterte er.
Sein Freund blickte auf das Geschöpf, welches nun den Ort betrat. Sein Körper war teils in Fäulnis übergegangen, mit sichtbaren Knochenpartien und ... verfallendem Fleisch. Es schien ... menschlicher Natur gewesen zu sein, als es noch ... lebte, was Vincent bezweifelte, auch wenn es sich derzeit bewegte, war es allen Anschein nach tot. Ein ... lebender Toter.
Seine Haut schien ledrig zu sein und ... diese war blaugrün. Ähnlich dem Licht, welches hier phosphoreszierte. Auch seine Augen glühten in einem giftigen Grün.
Nackt war diese Kreatur nicht, jedoch trug er irgendwie die zerrissenen Überreste seiner einstigen Kleidung.
Es bewegte sich weiterhin fort allerdings auf eine ... mehr oder weniger unheimliche, abgehackte Art und Weise. So, als ob all seine Glieder gebrochen wären.
Beide sahen zu, wie das Geschöpf weiter den Weg beschritt, welchen sie hatten vorgehabt zu gehen.
»Die sind mit einem Fluch belegt.« , flüsterte Dag. »Ich dachte, das wäre nur ein Gerücht, aber ... die Lamien halten die irgendwie ähnlich wie Haustiere.«
»Wachhunde?«
»Ja genau. Blindlings befolgen die deren Befehle.«
»Sie scheinen aber nicht so bedrohlich zu sein. Ich meine, wir könnten einen überwältigen und vielleicht sogar töten.«
»Können wir nicht. Das ist ein Wiedergänger.« , sprach Dag und stellte sich als Erstes wieder gerade hin. »Jedes Mal, sobald er stirbt, wird er wiederkehrend zum Leben erweckt. Das ist wie ein Fluch.«
Vincent kam ebenfalls in die Höhe. »Dann gehen wir ihm besser aus dem Weg.«
»Also folgen wir ihm nicht?«
»Nein, lass uns die andere Abzweigung nehmen.«
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Wir sind wie Brüder von verschiedenen Eltern
FanfictionDurch Zufall purzelt der junge Dag in das Leben von Vincent, der zuvor von einer wahren Freundschaft nur geträumt hatte. Mit ihm ist er jedoch auf Anhieb auf einer Wellenlänge und schnell werden beide unzertrennlich. Dag hilft seinem neuen besten F...