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»Ich kann's immer noch nicht glauben, wie groß es hier unten ist.« , sprach Vincent, nachdem sie bereits tatsächlich lange in der Dunkelheit unterwegs gewesen waren.

»Eine Welt.« , kam aus Dags Mund. »Ich hatte es dir doch gesagt.«

»Ja, aber ... trotzdem.« Er sah sich um, als sie sich plötzlich auf einem anderen Untergrund befanden. Es war viel matschiger und er hatte sogar für einen kurzen Moment das Gefühl zu versinken. Doch es war einfach nur durch den Modder, in welchem sie sich aufhielten. Es war schließlich kein Treibsand. »Hier stinkt's.« , meinte er.

»Ja. Ich weiß. Kommt vom Fluss.«

»Du warst doch noch nie hier.« , merkte er an.

»Ja, aber ich weiß es.« , sprach er. »Das ist der Dunkelfluss.«

»Sollte er dann nicht eher Stinkefluss heißen?«

Dag schnaufte kurz lachend auf. »Wäre optimaler. Das stimmt.«

»Es ist also ... nicht mehr weit?« Vincent strengte sich ein wenig mehr an, als sein Fuß in der Pampe steckenblieb, nachdem sie für einen Moment stehengeblieben waren. Mit einem schmatzenden Geräusch löste dieser sich.

»Nein, er liegt vor uns.«

»Aber ... es ist so ruhig.«

»Klar. Womit hast du denn gerechnet?« , fragte Dag und blieb nun selbst ein wenig stecken, eh er mit körperlicher Kraft herauskam.

»Plätschern?«

»Das ist ein Fluss, kein Bach.« , gab Dag an. »Zudem ... Dunkelfluss.«

»Ja. Den Namen hab' ich langsam mitbekommen, beantwortet aber nicht diese absolute Stille.«

»Dunkelheit ist Stille, ist unheimlich, ist Furcht einflößend.«

»Hmm.« Irgendwie hatte Dag damit Recht. Die ganze Atmosphäre war wie der Part eines Horrorfilms. Auf die eine oder andere Weise der Moment, bevor das Monster zuschlagen würde. Instinktiv schaute er sich um, allerdings erkannte er nichts, bis Dag ihn plötzlich festhielt.

»Pass doch auf.« , meinte er. »Du fällst sonst rein.«

Erst jetzt bemerkte er, dass sie sich genau vor dem Fluss befanden und das Ufer war ... irgendwie verdorrt. Vincent ging in die Hocke und schob sich das Shirt fast schon gleichzeitig mit Dag über die Nase, da der Gestank noch intensiver und ... mehr oder weniger rostig war.

Dicke, zähflüssige Klumpen lagen vor ihm und er fasste es an, eh er es in den Fingern verrieb. »Dag, das ist ... Blut.«

Der Lockenkopf hockte sich neben ihm hin und tat haargenau dasselbe, wie sein Freund zuvor. Langsam und vorsichtig roch er an seinen Fingern, nachdem er das Shirt kurz runtergeschoben hatte. Angewidert würgte er. »Buäh. Is' ja eklig.«

Vincent sah auf den Fluss. »Ist er ... schwarz, oder ... ist das wegen der Dunkelheit?«

»Scheint schwarz zu sein. Auf jeden Fall ist er dunkel. Oder er ist sehr tief.«

Sein Freund schaute weiter hin und steckte seine Finger kurz hinein. »Das ist dick. Das ist kein Wasser. Das ist wie ... Gelee. Sirup. Keine Ahnung.«

Wieder tat Dag dasselbe. »Das ist Blut.«

»Was?«

Er roch dran, um sich zu vergewissern und nickte. »Ja. Definitiv. Das ist Blut Vinne.«

Vincent stellte sich gerade hin. »Ein Fluss aus Blut?«

»Ja.«

»Aber ... wessen Blut?«

»Ich will's ehrlich gesagt nicht wissen.«

»Und jetzt? Wie sollen wir ... rüberkommen?«

Dag sah sich um. »Ich hab' kein'n Plan.«

»Schwimmen ist nicht drin.«

»Hätte ich auch bei Wasser nicht vorgehabt.« , sagte er. »Wir wissen nicht, was darin lebt.«

»Ich würde behaupten, nichts.« Vincent sah sich dennoch weiter um. »Das ist Blut und ... keine Ahnung was noch. Vielleicht sind da ... Leichen drin.«

»Denen will ich aber auch nicht begegnen, geschweige denn, das sie mich anfassen sollen.«

»Vielleicht ... ja, vielleicht können wir ja ... provisorisch irgendwie ... ein Boot bauen.«

»Ein Boot?« Dag schüttelte seinen Kopf. »Das ist Blut. Das ist zu dick. Darin kämen wir nicht voran.«

»Und ... Stelzen?«

»Stelzen?«

»Ja, wenn wir uns lange und dicke Äste nehmen würden, könnten wir vielleicht da ... durchwaten.«

»Das ist viel zu zäh. Wir würden steckenbleiben und ich glaube auch nicht, dass du ... so die Balance halten könntest.«

»Und was machen wir dann?«

Dag sah auf den Fluss und dachte nach. Lin und seine Freundin mussten es ja auch geschafft haben. Demzufolge gab es ja mit Sicherheit, ein, zwei Möglichkeiten auf die andere Seite zu gelangen. Er blickte nach rechts und links, mit der Hoffnung, eine Brücke oder Ähnliches zu erspähen. Aber nichts war sichtbar.

Vincent nahm sich derweil einen langen Stock und stocherte im Fluss ein wenig herum. »Das ist echt extrem dick, teilweise richtige Klumpen.«

Dags Augenbrauen zogen sich zusammen. »Klumpen?«

»Ja. Blut gerinnt ja, und ...«

Er ließ ihn nicht ausreden, beziehungsweise, war Vincent direkt still als Dag wie ein aufgescheuchtes Huhn herumrannte und schließlich einen Stein fand, den er weiter weg gen Fluss warf und mit Heiterkeit jubelte. »Das ist es.«

»Was ist es?«

»Die Klumpen.« Er drehte Vincents Kopf in die Richtung, wo er den Stein hatte hingeschmissen. »Schau, wie langsam er versinkt.«

»Du ... willst anhand einiger Steine eine Brücke bis nach drüben bauen?«

Dag zog aufs Neue die Augenbrauen zusammen. »Was faselst du?« , fragte er ihn. »Wir laufen rüber.«

»Laufen?«

»Ja. Laufen.«

»Spinnst du?« Vincent sah zu der Stelle, wo der Stein hingeschmissen wurde, der nun mit einem Blubb untergegangen war.

»Vinne, wenn wir schnell genug laufen, können wir es schaffen. Wir müssen nur auf das geronnene Blut treten und wirklich schnell sein.«

»Ich weiß nicht.«

»Wir schaffen das. Der Stein ...«

»Der Stein, ist nicht der Stein.« Er zeigte auf sich selbst. »Wir haben mehr auf den Rippen als so ein Steinchen.«

»Dann ... lass uns was Schwereres werfen.«

»Was willst du dann werfen? Hier ist nichts.«

»Vinne, das hält uns aus. Wir verweilen doch nicht auf einem Klumpen.«

Vincent sah erneut auf den Fluss. Hatten sie denn eine andere Wahl? »Okay. Dann lass es uns tun.«

Wir sind wie Brüder von verschiedenen ElternWhere stories live. Discover now