»Na los. Sprich sie an.«
»Nein. Was soll ich denn sagen?« Vincent schielte zu Saskia rüber, als sie in der Pause auf dem Hof nicht weit entfernt von ihr und ihrer Truppe auf einer Bank hockten.
»Hallo?! Vielleicht ist sie dieses Mal ja nicht so ... großspurig.«
»Sie ist nicht ...«
»Liegt am Tanga wa'?«
»Was?« Er sah Dag stutzig an.
»Na ihr Tanga. Der schaut zu weit raus und du ... glotzt hin.«
»Quatsch. Ich schau' auch auf ihre ...«
»Titten?!«
Noch verwirrter sah er seinen Freund an. »Hormone kicken wa'?!«
Dag grinste und sprach allerdings dann direkt weiter. »Und? Gehst du jetzt?«
»Sie ... ich bin außerhalb ihrer Liga.«
»Mach dich nicht klein. Du bist toll.«
»Aber nicht in ihren Augen.«
»Dann ... warum willst du sie dann?«
»Was meinst du?«
»Na, wenn sie nicht sieht, wie toll du bist, dann ... ist sie deiner gar nicht wert.«
Vincent runzelte die Stirn. »Aber ... sie ist hübsch, und ...«
»Dann geh' hin.« Dag konnte nicht verstehen, was sein Freund an Saskia fand. Nach einigen Tagen auf dieser Schule war seine Meinung über sie einfach. Sie trug ihr Stupsnäschen viel zu hoch. Allerdings wollte er Vincent auch irgendwie helfen.
Wenn dieser halt meinte, dass er sie ... als Freundin haben wollte, dann hatte Dag wirklich vor, ihm dabei unter die Arme zu greifen.
»Ich trau' mich nicht.«
»Dann sei He-Man.« Vincent hatte ihm zwischenzeitlich einige Videos gezeigt. »Sei ein Held.«
»Ein Held?«
»Mädchen stehen auf Helden.«
»Und was soll ich jetzt tun? Mir das Shirt zerreißen und mein Schwert in die Luft halten?« Warum hörte sich das in seinen Ohren augenblicklich total falsch an? »Ich mein'...«
»Nein. Du rettest sie.«
»Ich ... rette sie?«
»Ja.« Dag zog ihn an die Häuserwand. »Mach ma' Räuberleiter.« Vincent hinterfragte es nicht, sondern tat es wie gewünscht und half Dag, ein wenig höher zu gelangen. »Is' gut. Lass mich runter.«
Erneut tat er, wie gebeten. »Und was sollte das jetzt?«
»Hier.« Der Lockenkopf präsentierte stolz eine fette Spinne in seiner Hand.
Vincent zuckte zurück. »Iih. Was hast du vor?«
»Du wirst Saskia gleich retten.«
»Was hast du vor?« , wiederholte er.
»Das worin ich gut bin.« , antwortete er. »Erschrecken.«
Bevor Vincent noch etwas sagen konnte, huschte Dag zu der Mädchengruppe hin und sprach mit Saskia.
Voller Argwohn beobachtete der Große, was sein Freund da tat. Doch er redete einfach nur mit ihnen, als wäre es das Normalste der Welt.
Ohne Angst oder so.
Okay, er wollte Saskia ja auch nicht beeindrucken. Eventuell lag es daran.
Der Lockenkopf kam wieder zu ihm und lächelte ihn breit an. »Was hast du getan?« , fragte Vincent.
Dag präsentierte abermals seine Hand ... die nun leer war.
»Was hast du getan?« Einmal mehr wiederholte er seine Frage.
»Wart's ab.« Er drehte Vincent in die andere Richtung. »Gleich geht's ab. Ich hab' Spider-Man oder Woman, wie auch immer, auf ihrem Rücken abgelegt. Sobald sie loskreischt, kannst du die holde Maid retten.«
»Ich soll ...?«
Da fing das Geschrei schon an.
Vincent sah, wie Saskia sich drehte und sich in gebückter Haltung befand, während sie wie aus Leibeskräften schrie.
»Na los.« , sprach Dag und schubste ihn. »Aber töte sie nicht. Ich mein' ... die Spinne. Sie ist ein Lebewesen.«
Vincent ging ... stoppte ab ... ging weiter ... stoppte wieder verwirrt ab ... und rannte schließlich los. »Warte. Warte. Halt still.« , sagte er und suchte das achtbeinige Monstrum, vor dem sie sich so ekelte.
»Mach es ab. Mach es ab. Mach es aaaaaaaaab.« , kreischte sie und hielt kein bisschen still.
Vincent suchte ihren Körper ab und wurde letzten Endes in den Haarspitzen, welche immer wieder auf ihre Schulter wirbelten, fündig. »Warte. Halt still. Warte. Ich hab' sie.« Langsam nahm er sie irgendwie zwischen ihre Finger und legte sie auf die Mülltonne ab. »Da du bist ...«
Mit Wucht schlug Saskia ihre Handtasche, die sie immer bei sich trug auf das krabbelige Tier.
Wieder und wieder.
Vincents Blick wanderte direkt zu Dag, der erschrocken zusah, bis ihn urplötzlich und vollkommen unerwartet Saskia um den Hals fiel. »Du hast mich gerettet.«
»Ja ... ehm ... ja.« Er genoss tatsächlich diese Nähe und wurde mutiger. »Kann ich dich eventuell ... ehm ... auf ein Eis einladen.«
Sie löste sich von ihm und legte den Kopf seitlich. »Du und ich?«
»Ehm ... ja?!« Nun bekam er Herzklopfen und er schwitzte. Sie würde Nein sagen. Warum sollte sie auch ja sagen?! Vincent war sich sicher.
»Okay. Nach der Schule?«
»Ja. Ja. Klar. Also ja.«
»Gut. Dann bis später.«
Vincent blickte ihr hinterher, wie sie mit ihrer Gefolgschaft von dannen schritt.
»Sie hat sie getötet.« , murmelte Dag, der mittlerweile neben ihm stand.
Sein Freund sah ihn an, wie er zu dem zerquetschten Tier ging. »Dag, das ...«
»Es tut mir leid.« , sprach er zu den Überresten. »Das hast du nicht verdient.«
Vincent hatte ein schlechtes Gewissen, auch wenn er es nicht getan hatte. Er konnte verstehen, wieso Dag so fühlte. Schließlich hatte man ihn lange genug als Monster angesehen.
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Wir sind wie Brüder von verschiedenen Eltern
FanfictionDurch Zufall purzelt der junge Dag in das Leben von Vincent, der zuvor von einer wahren Freundschaft nur geträumt hatte. Mit ihm ist er jedoch auf Anhieb auf einer Wellenlänge und schnell werden beide unzertrennlich. Dag hilft seinem neuen besten F...