»Das ist Spandau.«
»Mir gefällt Spandau.« , sagte Dag, nach einer kleinen Rundführung, wo sie schließlich am Bahnhof Pause machten und sich auf eine Bank setzten. »Und ich mag das Spandau Essen.« Er zeigte auf seine belegte Schrippe.
Vincent lachte. »Das ist kein ... Spandauer Essen. Das ist halt ... menschlich.«
»Dann mag ich Menschen-Nahrung.«
Eine ältere Frau schaute zu beiden. »Du musst ... leiser sein, was das betrifft. Hier laufen zwar viele schräge Vogel herum, aber ... du bist jetzt ein Mensch. Vergiss das nicht.«
»Ein Mensch.« Er lächelte. »Ich bin froh, mit dir gemeinsam ein Mensch zu sein.«
Vincent wusste, wie das gemeint war und lächelte zurück. »Ja. Ich auch.«
»Deine Welt ist so viel schöner.«
»Ja. Also ... klar, hier läuft auch nicht alles rosig, aber ... im Gegensatz zu deinem ... Heim.«
»Ich bin froh, das Kal mich schlagen wollte. Ohne ihn wäre, ich glaube ich nie bei dir gelandet, weil deine Türe schon gekennzeichnet ist.«
»Dich wollt' jemanden schlagen?«
»Hab' ich doch erzählt. Oder?« Dag wusste es nicht mehr so genau. »Ich hatte Stress mit ihm und er wollt' mich schlagen. In gekennzeichnete Türen gehen die wenigsten gerne, also bin ich da reingeflüchtet. Er ist mir nicht gefolgt. Trotzdem bin ich drin geblieben. Und dann ... hast du Musik gemacht. Ich fand's toll.«
»Wieso gehen denn die meisten nicht da rein?«
»Na ja, man weiß ja nie, wann genau Ende ist. Nachher kommt man nicht mehr rein.«
»Aber ... was ist, wenn es geschlossen ist, sobald du zurück musst?«
»Dann hast du mir wenigstens zum Ende hin, noch etwas Schönes gezeigt.«
»Nein Dag. So darfst du nicht denken.« , protestierte Vincent. »Kannst du dann nicht durch eine andere zurück?«
»Nein, ich bin an die Tür gebunden, durch die ich ... gekommen bin.«
»Aber dann riskierst du dein Leben gerade.«
»Das ist es wert. Ich hab' doch eh keins.«
Vincent fand den Gedanken keineswegs schön, obwohl er Dags Worte nachempfinden konnte. Er war mit ihm dort unten gewesen und das kleine bisschen hatte ihm gereicht, um zu wissen, nie wieder dahin zu wollen.
»Auf was hast du Bock.« , sagte er deshalb zu ihm.
»Keine Ahnung. Ich ... ich kenn' mich doch nicht aus.«
»Ja, aber gibt's nichts, was du ... immer mal machen wolltest?«
»Zu den Sternen.« Er zeigte nach oben.
Vincent sah ebenfalls hinauf. »Also ... das ist jetzt eher weniger machbar. Es sei denn, wir versuchen es mit einem selbstgebauten Raumschiff.« Er lachte, aber Dag verstand den Witz wohl nicht. »Also ehm ...« Er räusperte sich. »... wir ... du magst Musik.«
Dag nickte. »Ja. Total.«
»Gut. Dann ... sollten wir uns was in der Richtung anschauen.«
»Du meinst ... CD's?«
»Nein. Wir schauen mal, was sonst so angeboten wird.«
Dag folgte ihm und sah sich dabei weiterhin interessiert um. »Musik wird angeboten?«
Vincent nickte. »Natürlich. Musik gibt es nicht nur auf CD.«
»Du meinst, so wie du das machst mit ... der Gitarre?«
»Ja. Aber ... besser. Also, ich meine ... es ist ein Beruf. Und manche stehen auf großen Bühnen, und ...«
»Willst du auch mal auf einer ... Bühne stehen?«
Vincent realisierte, dass Dag wahrscheinlich gar nicht wusste, was eine Bühne war. »Das wäre echt cool. Aber so etwas zu schaffen ist ... na ja es ist nicht einfach.« , sagte er. »Am besten schauen wir mal, was alles so ansteht. Vielleicht haben wir ja Glück, dann zeig ich dir, was eine Bühne ist.«
»Es muss toll sein, wenn du es toll findest.«
Vincent lachte. »Du musst nicht alles toll finden, was ich toll finde.«
»Finde ich aber.«
Der Große blieb stehen und zog Dag beiseite. »Warte.«
»Was ist los?« Der Lockenkopf blickte sich um.
»Da hinten ist Saskia.«
»Was ist Saskia?«
»Sie ist Saskia.« Vincent zeigte auf seine Mitschülerin, die mit drei Freundinnen abseits auf einer Bank saß. »Die Blonde.«
»Ist sie ... eine Freundin von dir?« , fragte Dag.
»Nein. Sie ist ... eigentlich gar nichts von mir.«
»Und warum verstecken wir uns?« , flüsterte er zurück, obwohl sie weit entfernt von der Mädchengruppe standen. »Will sie dich etwa schlagen?«
»Nein.« Verwirrt sah er Dag an. »Sie will mich nicht schlagen. Ich ... ich existiere gar nicht für sie.«
»Aber ... du stehst doch hier.«
»Ja, aber ... in ihrer Welt existiere ich nicht. Ich glaube, sie weiß nicht mal, wie ich heiße.«
»Soll ich ihr deinen Namen sagen?«
»Nein. Ehm ... is' schon okay. Das hat keine Priorität.« , plapperte Vincent direkt. »Ich will dir Dinge zeigen und nicht ... komm' einfach.« Er zog seinen neuen Freund von da weg.
»Und wo gehen wir hin? Zu ... einer Bühne?«
»Wir schauen mal, was ansteht. Aber erst müssen wir nach Hause. Ich muss an mein Erspartes. Ohne Moos nix los.«
»Du brauchst Moos?«
»Geld.«
»Geld.« , wiederholte er. »Ohne Geld ... keine Bühne?«
»Nein, also ... wir brauchen Geld, um eventuell Tickets zu holen. Und mit diesen Tickets können wir dann zu einem Event und ... da steht 'ne Bühne.«
»Und da gibt's Musik?«
Vincent nickte. »Ja genau.« , sagte er und hoffte derweil, es würde was Gutes anstehen.
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Wir sind wie Brüder von verschiedenen Eltern
FanfictionDurch Zufall purzelt der junge Dag in das Leben von Vincent, der zuvor von einer wahren Freundschaft nur geträumt hatte. Mit ihm ist er jedoch auf Anhieb auf einer Wellenlänge und schnell werden beide unzertrennlich. Dag hilft seinem neuen besten F...