26 - litte nerd

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Als sich unsere Lippen trennten, verließ mich sofort die angenehme Wärme, die meinen ganzen Körper durchflutet hatte und das Kribbeln in meinem Bauch verschwand ebenso schnell, wie es gekommen war. Es fühlte sich an, als wäre eine Ewigkeit vergangen, aber es war trotzdem zu kurz. Mein ganzer Körper strebte nach mehr. Mein Brustkorb sank und hob sich schnell, Jake hatte mir buchstäblich den Atem geraubt. Wir starten uns eine Weile in die Augen,
bis es ein zweites Mal klingelte.
Mit seinem einen Arm drückte er sich von mir runter und rollte sich auf die Seite, sodass ich aufstehen konnte. Doch ich brauchte einen Moment, ehe ich aufstehen konnte, und als ich die ersten Schritte machte, kippte ich fast um. Meine Beine fühlten sich wie Wackelpudding an und ich hatte Angst, das sie bei dem nächsten Schritt nachgeben würden. Ich zog meinen Pulli etwas nach unten und fuhr mir durch die zerzausten Haare, bevor ich endlich zur Tür ging um meinen Dad rein zulassen, der inzwischen zum dritten Mal klingelte.
Als ich die Tür aufmachte stand dort zum Glück dieses Mal wirklich mein Vater und nicht noch mehr unerwarteter Besuch. Er sagte nur kurz:

"Hallo Spatz.", drückte mir einen Kuss auf die Wange und lief dann, mit zwei großen Einkaufstüten in der Hand, in die Küche.
Gerade als er durch den Türrahmen ging, kam Jacob aus meinem Schlafzimmer.
Oh nein!
Das sah jetzt ziemlich falsch aus; die Haare verwuschelt, das T-shirt unordentlich.
Erschrocken deutete ich ihm mit wilden Handbewegungen an, er solle wieder ins Zimmer gehen, bevor mein Dad ihn bemerken würde, doch es war schon zu spät. Dad hatte ihn bereits gesehen und bleib verwundert stehen. Zuerst sah er zu mir, dann zu Jake und dann wieder zu mir, ehe er begriff, was los war.

"Oh...", murmelte er leise, und dann:
"Ich sollte wohl besser gehen..."
Er stellte die Taschen genau da ab, wo er eben noch gestanden hatte und lief dann mit einem misstrauischen Blick an mir vorbei zur Tür.

"Nein, warten sie Mr.W!", rief Jacob schnell.
Er wuschelte sich durch seine braunen Haare, die durch den Kuss vorhin, ebenso wie meine, vollkommen zerzaust worden waren, und lief ebenfalls zur Tür.

"Ich wollte sowieso gerade gehen."
Als er an mir vorbei ging legte er seine Hand kurz auf meine Hüfte und gab mir einen leichten Kuss auf die Stirn.
"Bis morgen, kleiner Nerd.", flüsterte er mir ins Ohr, ehe er einfach verschwand.
Verdutzt blieb ich stehen und realisierte, was gerade geschehen war.
Mein Vater schien auch noch etwas verwirrt zu sein, denn er stand einen Moment einfach so dar, und verließ dann kurze Zeit später einfach das Haus, ohne ein weiteres Wort zu sagen und ließ mich mit all den durchgedrehten Schmetterlingen in meinem Bauch, alleine zurück.

Ich machte zwei Schritte nach hinten, bis ich die kalte, raue Wand an meinem Rücken spürte, ganz langsam lies ich mich an ihr nach unten gleiten und zog dann meine Knie an.

Was dachte mein Vater nun von mir?
Was würde er Mum erzählen?
Gott war das peinlich!

Doch dann wanderte meine Hand zu meinen Lippen und ich strich einmal darüber.
War das vorhin wirklich passiert?
Hatten Jake und ich uns wirklich geküsst? Richtig geküsst...?

....

Mein erster Kuss...?

Es war wirklich endlich geschehen....
Mein erster Kuss...mit Jacob Evans.
Ich hätte mir keinen besseren ersten Kuss vorstellen können.
Er war perfekt gewesen.
Jake war perfekt.
War ich verliebt? Zum ersten Mal verliebt? Ach Quatsch!

Tausende Fragen und Gedanken flogen mir durch den Kopf. Ich war total überfordert mit der ganzen Situation.
Ich hätte nie gedacht, das ein einziger Kuss mit einer Person so unglaublich viel mit dem Körper anstellte.
Auf einmal verließen mich die ganzen Glücksgefühle, die Schmetterlinge hatten sich wieder beruhigt und mein Körper fühlte sich auch nicht mehr an, als würde er jeden Moment explodieren.

Jetzt wurde mir schrecklich kalt, ich zog die Ärmel meines Pullovers etwas länger, doch dann bemerkte ich, woher die Kälte stammte. Die Haustür stand immer noch weit offen und der kalter Herbstwind wurde herein geblasen. Schnell stand ich auf und schloss die Tür.
Als nächstes machte ich mich daran die Einkäufe, die mir mein Dad vorhin gebracht hatte, einzuräumen.

Endlich gab es wieder Essen im Haus!

Um mich ein wenig von meinen vielen Gedanken abzulenken machte ich mir etwas zu essen und versuchte mich dann mit gefülltem Magen wieder an den Aufsätzen, die ich noch fertig schreiben musste.

Doch ich konnte mich überhaupt nicht konzentrieren.... Ich hatte zu viele Fragen und zu wenig Antworten.

Ich musste mit jemandem darüber reden, jemandem erzählen, was passiert war.

Liam! Ich musste mit Liam reden!

Ich wählte seine Nummer und rief ihn an. Nach wenigen Sekunden nahm er ab:
"Hallo?", hörte man seine raue Stimme der Leitung.

"Liam?", fragte ich unnötiger weise nach.

"Ja? Was ist? Alles okay?", fragte er sofort besorgt.

"Ja, alles okay, können wir ein bisschen telefonieren?"

"Ähm..., ja, ich denke schon."

"Ist dein Dad in der Nähe?", fragte ich vorsichtig, ich wollte ihn nicht noch mehr in Schwierigkeiten bringen, als er ohnehin schon war.

"Nein. Er ist zur Zeit nicht da.", sagte er trocken und ich sah bildlich vor mir, wie seine Gesichtszüge einfroren. Seine Stimme klang verändert, sehr viel ernster und trauriger als sonst.

"Und deine Mum?", fragte ich nach.

"...die auch nicht."

"Okay"

Seit er mir von seinem Vater erzählt hatte musste ich jedes Mal, wenn ich an ihn dachte, daran denken.
Wie konnte ein Vater nur so schrecklich zu seinem Sohn sein?!
Warum machte seine Mutter nichts dagegen? Wenn sein Vater ihn öfter schlug, dann konnte er auf keinen Fall dort bleiben! Ich musste irgendetwas unternehmen.

"Wie war die Probe mit Jacob?", unterbrach er meine Gedanken.

Woher wusste er davon?
Ich hatte ihm nichts erzählt und Jake bestimmt auch noch nicht.

"Sie war... gut. Jake ist ein guter Lehrer....", antwortete ich etwas überrumpelt.

Ich wusste nicht, ob ich ihm von dem Kuss erzählen sollte, irgendwie war ich unsicher,... und am Telefon war es bestimmt auch keine so gute Idee.

Plötzlich machte Liam einen Vorschlag:

"Amy, hast du Lust rüber zu kommen? Ich glaube mein Dad kommt erst am späten Abend wieder zurück."

Natürlich hatte ich Lust!

"Ja, klar, ich komme", sagte ich glücklich.

"Gut, dann bis gleich!", auch er klang froh darüber, dass ich kommen würde.

"Ja, bis gleich.", antwortete ich und legte dann auf.

Zehn Minuten später stand ich vor Liams Haustür und klingelte.

Second - my new lifeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt