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Durch eine heftige Welle des Schmerzes wurde ich aus dem dunklen Loch zurück in die Realität gespült. Es war ein Pochen und Ziehen in meiner Schläfe, so als würde jemand meinen Kopf mit aller Kraft teilen wollen; unaufhörlich zog und ziebte es. Meine Lieder öffneten sich flatternd und als ich langsam wieder die Welt um mich herum erkennen konnte, scharf und auf unheimliche Art 3D-mäßig, realisierte ich, dass ich nicht mehr vor der Polizei war. Ich saß in meinem Wagen, irgendwo auf der Landstraße, und blickte mich einen Moment lang unruhig um, bevor die Panik über mich herein brach, wie der Regen, der plötzlich auf die Windschutzscheibe prasselte.

Das laute Tropfen machte das Ziehen in meinem Kopf nur noch stärker.

Erst als ich den Samtumschlag in meinen Händen fühlte fing ich an, zu hyperventilieren. Perplex starrte ich auf das goldene Buch in meinem Schoß mit dem auseinanderbrechenden Herzen.

Scheiße.

Scheiße, scheiße, scheiße! Verdammte Arschmilbenscheiße!

In meinen Augen brannten Tränen. Was hatte ich getan? Oder war das gar nicht ich gewesen? Scheiße man.

Vollkommen neben der Spur legte ich beide Hände ans Lenkrad. In mir drin tobten Stürme der Verzweiflung und der Verwirrung, mit Blättern aus Angst und Panik, die hastig in meinem Kopf umherwehten, ihren eigenen, schönen Blättertanz tanzten.

Obwohl ich mittlerweile wusste, dass es nichts brachte, mich weiterhin darüber aufzuregen und mir den Kopf zu zerbrechen, wie um Himmelswillen ich an Adams Buch gelangt war, schossen Winde von zerstörerischen Gedanken in meinen Kopf. Wie ein Pfeil durchbohrten sie meine Schädeldecke, krachten mit einem lauten Rums in mein Gehirn und verbreiteten ihr tödliches Gift.

Was, wenn Maya, oder irgendwer anderes, sich in meinen Körper gedrängt hatte, nur um das Buch zu holen? Am realistischsten war eigentlich Maya, schließlich wollte sie, dass ich das Buch in die Finger bekam.

Erst als es schon wieder zu spät war merkte ich, dass aus der Vermutung eine klare Aussage geworden war.

Ich musste wirklich lernen, Wahrheit und Vermutungen zu unterscheiden.

So wie Maya gesagt hatte.

*

Einige Stunden später stand ich zerstreut in meiner Küche und versuchte, so etwas wie Lasagne zu basteln. Doch irgendwie war ich so durcheinander, dass ich schließlich resigniert den Löffel sinken und die Bolognese abkühlen ließ.

Heute war irgendwie wirklich nicht mein Tag... Erst dieser merkwürdige Zusammenbruchs-Traum heute Morgen, Adams merkwürdige Unentschlossenheit und schließlich noch das Aufeinandertreffen der Beiden bei der Polizei.

Und dann war da noch die Tatsache, dass mein ach so toller Schwager als Verdächtiger galt... "Rosa?"

Erschrocken wirbelte ich herum. Darvin stand im Türrahmen, die Arme vor der Brust verschränkt und musterte mich, als wäre ich ein kleines Kind, das sich heimlich einen Keks stibitzt hatte. Säuerlich kniff ich die Augen zusammen.

"Was machst du hier?", schnauzte mein ach so verhasster Schwager nun. Ich konnte deutlich sehen, wie er sich verkrampfte und immer wütender wurde.

"Siehst du das nicht?", schnauzte ich zurück. "Ich habe versucht, zu kochen!" Anklagend zeigte ich auf das ganze Chaos, das meine Lasagne-Aktion hinterlassen hatte. Darvin schüttelte nur gezwungen den Kopf. "Wie kannst du es eigentlich wagen, hier noch mal aufzukreuzen?", zischte er und klang dabei wie ein wütendes Tier.

Mein Herz zog sich krampfhaft zusammen; ich konnte die kleinen Blutstropfen spüren, die langsam von ihm herunter tropften, platsch, platsch, platsch in meinen inneren Teich aus Wut und Angst. Sofort flammte in mir heißer Zorn auf.

Schattengier - Würdest du aus Liebe töten?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt