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Als sich mein Blick klärte, sah ich Adam wenige Meter von mir entfernt liegen. Unter ihm eine kleine Blutlache.

Mein Herz wurde von kleinen Käfern der Panik zerfressen, mein Atem beschleunigte sich. „Adam", wisperte ich leise. „Adam bitte wach auf."

Seine Lieder flatterten. Langsam versuchte ich, zu ihm zu robben. Jeder Zentimeter fühlte sich wie eine Ewigkeit an, war kraftaufwändig und beängstigend. Ich hatte Angst, dass er starb, ehe ich bei ihm ankam. Die Übelkeit zerlief in meinem Magen wie ein Tintenfleck auf einem weißen Leinentuch.

„Adam."

Als ich ihn erreichte, fiel ein riesiger Brocken von meinem Herzen ab. Mit Tränen in den Augen strich ich mit zitternden Finger über seine Wangenknochen, zeichnete seine kantigen Konturen nach. Seine Haut fühlte sich unglaublich weich und empfindlich an.

Meine Seele blutete.

„Adam bitte."

Langsam schälten sich die brennenden Tropfen aus meinen Augen, purzelten von meinem Kinn auf den Steinboden. Meine Finger landeten in der kleinen Blutlache unter seinem Kopf. An Adams Schläfe prangte eine große Platzwunde.

Stöhnend ließ er sich auf den Rücken fallen.

„Rosa", murmelte er gepresst. „Ich hab doch gesagt, du sollst dahinten bleiben."

„Und dich allein den Helden spielen lassen?"

Seine Mundwinkel zuckten. „Es ist zu früh für Sarkasmus. Ich weiß nicht, woher, aber er weiß, wie man die Maschinen anschmeißt."

Augenblicklich überrollte mich Todesangst, von der ich dachte, dass ich sie bereits abgestreift hatte. „Also will er uns..." „... kochen? Kann man so sagen."

Kraftlos versuchte er, sich hoch zu stemmen, doch seine Arme gaben unter ihm nach, sodass er zurück auf den Boden fiel wie ein nasser Sack. Verloren blickte er an die Decke, starrte durch die Löcher zu den Sternen.

„Adam?", flüsterte ich schwach. Die Punkte schwirrten vor meinen Pupillen herum, wie kleine Fliegen in der Mittagssonne. Willenlos blickte er mich an, seine Augen glitzerten. „Ich weiß es", wisperte ich. „Von deiner... davon... also..." Entkräftet brach meine Stimme in der Mitte des Satzes. Rasselnd holte ich Luft, um noch einmal anzufangen.

„Ich weiß, dass du Todd Marshall bist."

Ich fühlte mich todmüde. Eine löchrige Decke legte sich über mich, machte mich träge und schwer, bedeckte mich mit Kälte.

„Du... du blutest", murmelte Adam und streckte kraftlos seinen Arm aus, um mir über den Kopf zu streicheln. Seine Berührung jagte mir einen angenehmen Schauder über den Rücken, war der Windstoß, der für einen Sekundenbruchteil die Decke von meinem Körper anhob.

„Mir ist kalt. Unglaublich kalt."

Erst als Adams warme Hand mein Gesicht berührte merkte ich, dass ich zitterte. „Schlaf bloß nicht ein, Rosa. Bitte nicht."

Neckisch kniff er mir in die Nase und schenkte mir ein hoffnungsvolles Lächeln. „Ich hol uns hier raus. Versprochen."

„Das glaube ich nicht."

Sams Stimme ließ uns zusammenzucken. Panisch suchte ich nach irgendwas, mit dem ich ihn angreifen konnte. Da erfassten meine Augen die Schaufel, die nur ein kleines Stückchen hinter uns lag. Im ersten Moment dachte ich, es sei bloß eine Halluzination, eine Einbildung, von dem Schlag auf den Kopf. Doch so oft ich auch blinzelte, sie löste sich nicht in Luft auf.

„Adam", wisperte ich leise, sodass nur er mich hörte. Mit einem leichten, ängstlichen Ausdruck auf dem Gesicht blickte er mich an, warnend.

Leicht nickend deutete ich auf die Schaufel über ihm.

Adam reckte das Kinn, erfasste unseren Stern. Ich hörte, wie Sam auf uns zukam. Adam neben mir schloss die Augen und ließ den Kopf zur Seite fallen.

Sofort wusste ich, was er da tat und ahmte es ihm nach. Er stellte sich ohnmächtig.

Sam griff nach meinen Beinen und begann, mich über den Boden zu streifen. Seine Berührung tat weh, die Finger brannten auf meiner Haut.

In meinem Bauch riss es. Ich hörte es deutlich durch meinen Körper schallen, jagte mir einen Schauder über den Rücken. Plötzlich hörte ich das Schleifen von Metall auf dem Boden und riss die Augen auf.

Blickte in Sams überraschte erbsengrüne Augen.

Ehe er wusste, wie ihm geschah, ließ Adam die Schaufel auf seinen Kopf herab sausen. Das Knirschen bohrte sich in meinen Geist, verankerte sich in meinem Herzen. Sofort merkte ich, mich das Geräusch für immer in meinen Träumen verfolgte.

Sam verdrehte die Augen und fiel kopfüber auf meinen Körper. Dabei rammte er mir erneut seinen Ellbogen in den Bauch. Der Schmerz war überwältigend. Unterdrückt keuchte ich auf, bis ich den Schrei nicht mehr zurück halten konnte. Gequält kreischte ich auf, verzog mein Gesicht von der Qual.

Adams Gesicht verschwamm vor meinem Blick. „Rosa?", hallte seine Stimme in meinem Kopf. „Rosa ich bring dich hier raus, versprochen!"

Das letzte, was ich wahrnahm, war der Druck seiner Finger auf meinem Arm.


Schattengier - Würdest du aus Liebe töten?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt