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Meine kalten Finger ballten sich zu Fäusten und ich schluckte den Kloß in meinem Hals herunter. Sobald sich wieder die altbekannte Kälte über mich legte, fasste ich einen Entschluss. Ich würde über die Schwelle der Tür treten, die Holztreppe runter gehen und in der Küche gucken, ob Adam am Tisch saß und Kaffee trank oder ein Buch las. Er hatte mir verraten, dass er das oft tat, wenn er nicht schlafen konnte. Ja, so musste es sein! Vielleicht war er vorhin einfach nur kurz auf Klo gewesen oder was weiß ich wo.

Fest entschlossen marschierte ich auf die Tür zu und drückte die Klinke nach unten, sodass die alte Holztür mit einem leisen Quietschen aufsprang. Schwer atmend blickte ich auf die Schwelle herunter.

Ich kann bis heute nicht sagen, was mich daran hinderte.

Ich stand damals hellwach vor der Tür und rang mit mir, darunter zu gehen. Mir wurde bewusst, dass die alte Rosa einfach gegangen wäre, während die Neue mit dem Gedanken spielte, sich wieder ins Bett zu kuscheln und weiter zu schlafen. Sobald ich daran dachte, kam ich mir total blöd vor. Das war doch alles dämlich!

Ich versuchte, meine Gefühle hinter einer Mauer aus Gleichgültigkeit zu verbannen und trat kurzerhand über die Schwelle.

Dabei fühlte ich mich, als hätte ich das Großartigste auf der ganzen Welt getan!

Automatisch musste ich kichern. Ein ungeheuerlicher Lachschwall kam aus meinem Mund und hallte von den Wänden wieder.

Pures Glück durchströmte mich.

Ich war verrückt.

Wenn mich Sam oder Adam so gesehen hätten, hätten sie mich mit Sicherheit in die Klapse gesteckt. Dabei wusste ich noch nicht mal selbst, was mit mir nicht stimmte. Wahrscheinlich war ich einfach nur überdreht.

Als ich mich endlich beruhigt hatte, tapste ich auf nackten Sohlen den Flur entlang und die Treppe runter. In der Eingangshalle brannte Licht und der Vorhang vor der Tür war bei Seite geschoben worden.

Es roch nach Kaffee.

"Adam?", rief ich in Richtung Küche. "Adam?" Meine Stimme zitterte vor Anspannung. Plötzlich war von der Leichtigkeit des Glücks nichts mehr zu spüren, das Schwebegefühl war futsch.

Fast spürte ich so etwas wie Wehmut.

Mit zitternden Finger schob ich die Küchentür auf. Eine halbvolle Kanne Kaffee stand auf der Theke, auf dem Tischchen lag ein aufgeschlagenes Buch und das Fenster war offen. Gespenstisch flatterte der Vorhang hin und her.

Ich schluckte.

Von Adam aber fehlte jegliche Spur.

Panik kroch in mir hoch und griff mit ihren kalten, knochigen Fingern nach meinem Verstand, um ihn einmal kräftig durchzuschütteln. Ein kleiner Teil meines Gewissens redete mir ein, dass Adam irgendwo hier im Haus sei. Im Wohnzimmer oder im Bad oder sonst wo. Ein anderer Teil, der gewaltig groß im Vergleich zum anderen wirkte, meinte, dass er gar nicht da war. Dass er mich hier allein zurück gelassen hatte.

Die Panik schien über mich hinaus zu schwappen, wie eine Welle, und die gesamte Küche zu überschwemmen.

Krampfhaft schluckte ich die Tränen weg.

Damit ich nicht in den Panikwellen ertrank.

Meine Knie fühlten sich so an, als wären sie durch Wackelpudding ersetzt worden. Meine Finger zitterten. Ich schlurfte durch die Küche auf die Theke zu, griff nach einer herrenlosen Tasse und goss mir Kaffee ein. Kleine Dampfwölkchen stiegen von ihm auf, woraus ich schloss, dass Adam noch nicht lange weg sein konnte. Meine kalten Finger umklammerten die Tasse und ich hielt mich daran fest, als wäre sie mein Fels in der Brandung. Sofort nahm ich einen großen Schluck. Was half besser gegen eine Panikattacke als eine Tasse Kaffee um drei Uhr morgens? In meinem Kopf begann es zu dröhnen und kaltes Adrenalin schoss durch meine Adern. Mit einem heftigen Ruck verfrachtete ich die Tasse zurück auf die Theke, sodass ein Großteil des Kaffees überschwappte und auf meine Hand tropfte.

Schattengier - Würdest du aus Liebe töten?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt