Kapitel 6

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Die Sonne kitzelte meine Nasenspitze und weckte mich. Langsam öffnete ich die Augen und sah mich blinzelnd um. Die ersten Sonnenstrahlen des neuen Tages hatten mich geweckt. Ich lag noch immer und setzte mich nun auf. Ich sah mich um. Ich saß in der Mitte unserer Siedlung um mich herum meine Freunde. Wir waren wohl gestern beim reden alle nacheinander eingeschlafen... Gestern... Mein Geburtstag... Der Antrag! Omg... Ich schaute auf meine Hand und sah den Ring an meinem Finger glitzern. Es war tatsächlich wahr... Seth hatte mir wirklich einen Heiratsantrag gemacht und ich hatte das alles nicht nur geträumt...

Langsam stand ich auf und schlich vorsichtig an meinen Freunden vorbei durch das raschelnde Laub. Geschafft und das ohne jemanden aufzuwecken. Ich lächelte stolz, sah die Schlafenden an und ging noch zwei Schritte rückwärts. Dabei spielte ich an dem Ring an meinem Finger. Alles wäre gut gewesen, wäre da nicht diese vermaledeite Baumwurzel gewesen. Ich stolperte und fiel rückwärts auf den Waldboden. Ein stumpfer gedämpfter Aufprall auf den Waldboden folgte und kurz darauf sahen mich die verschlafenen Augenpaare von Mex, Jake, Leah, Emily und Seth an. "Sorry Leute...", sagte ich leise und stand auf, "Ich wollte euch nicht wecken... Schlaft doch noch 'ne Runde... Ich gehe jetzt erstmal jagen...", mit diesen Worten verschwand ich zwischen den Hütten im Gebüsch. Dort verwandelte ich mich, trotz dass es schon hell war... Zum Jagen war die Wolfsgestalt einfach praktischer. Leichtfüßig trabte ich über die vielen Wurzeln durch den Wald. Aufmerksam. Alle Sinne auf Hochtouren. Ich hörte hier ein Knacken und da ein Knacken, aber alles kam von über mir. Eichhörnchen und Vögel sind nicht sonderlich nahrhaft, deshalb ignorierte ich sie. Gerade als ich die Fährte eines Hirsches aufgenommen hatte, hörte ich etwas, besser gesagt jemanden. Ich erkannte ihre Stimme sofort. Meine Augen wurden größer, ich verlangsamte meinen Schritt und folgte ihrer Stimme, bis ich mich leise und unbemerkt an die beiden heranschlich. Ich konnte nicht viel sehen. Er hätte mich wahrscheinlich entdeckt, aber mein Wolfsgehör ließ mich die beiden, sogar ihren Herzschlag, hören und dank meiner Gabe hätte ich auch hören können, was er dachte, aber dafür war ich viel zu aufgebracht. Als ich das hörte, konnte ich mich nur noch auf eine Sache zur Zeit konzentrieren, denn die Wut kochte in mir hoch.

"Lass mich in Ruhe", sagte sie und hielt Abstand von ihm.

"Aber, warum?", fragte er

"Ich will alleine sein..."

"Das ist es nicht... Ich weiß, was du hast... Du hast Angst...", er lächelte fies.

Sie schüttelte wild mit dem Kopf und ging immer mehr auf Abstand.

"Doch... Und ob du Angst hast... Du weißt was ich bin...", er ging langsam auf sie zu.

Sie reagierte nicht, sah ihn einfach nur an.

"Sag es! Sag es mir!"

In ihrem Blick lag Angst. "Du hast bleiche Haut, bist ein kaltes Wesen, deine Augen wechseln ständig die Farbe... Außerdem habe ich dich noch nie etwas essen gesehen... Du... Du bist ein Vampir..." Sie sah ihn nicht an.

"Und was willst du jetzt tun?"

"Ich weiß es nicht... Du hast Recht... Ich habe Angst..."

"Vielleicht kann ich das ja ändern?!" Er grinste wieder fies, ging auf sie zu und drückte sie gegen einen Baum.

"Lass mich! Bitte!" Verzweifelt versuchte sie ihn weg zu drücken, doch je mehr sie sich wehrte, desto mehr drückte er sie gegen den Baum.

"Aber mein Mäuschen... Du hast doch gesagt du wünschtest du könntest ein neues Leben anfangen, weil du Angst vorm Schulabschluss hast, weil du schon die erste Prüfung verhauen hast...", sagte er und sie nickte vorsichtig. Mittlerweile hatte sie es aufgegeben sich zu wehren. "Mit mir könntest du es", fuhr er fort, "Mit mir würdest du dir nie wieder Gedanken um deine Zukunft machen müssen..."

Langsam erlangte ich meine Fähigkeit zu denken wieder. Dieser s***** Idiot! Der soll die Finger von ihr lassen!!!

"Aber ich... Ich will nicht... Ich habe noch mehr Angst vor dir...", sagte sie ehrlich. Das war ein Fehler. Er drückte sie noch fester an den Baum und schien ihr die Luft beinahe abzuschnüren. "Du hast keine Angst vor mir! Das darfst du nicht! Das ist nicht möglich!!!", sagte er wütend, schon fast fauchend. Man sah ihr an, dass sie mächtige Angst vor ihm hatte. "Küss mich. Beweis mir, dass du keine Angst hast, das du mich liebst!", sagte er. Dieses A****loch! Sie schüttelte den Kopf und grob drückte er sie weiter gegen den Baum und küsste sie. Sie versuchte den Kopf wegzudrehen, doch er hielt ihn fest. Sie hatte keine Chance sich zu wehren. Ich konnte da nicht mehr zu sehen. Dieses Schw*** hätte jeden Menschen auf der Welt belästigen können, aber nicht meine Schwester.

Ich sprang, natürlich mittlerweile in Menschengestalt, aus meinem Versteck hervor. "Lass die Finger von meiner Schwester, Carlos!", sagte ich laut und sah wie Carlos und Clary beide zusammen zuckten. Clary sah mich an. Sie hatte vor Angst Tränen in den Augen. Ich sah sie an und sah dann zu Carlos. Er drückte sie nun nur noch mit einer Hand gegen den Baum, jedoch stärker als vorher. "Ich sagte: Lass die Finger von ihr!", wiederholte ich voller Hass, laut und deutlich, doch Carlos sah mich nur wütend an. "Komm doch...", war alles was er sagte. Er hätte es besser wissen müssen... Er hätte wissen müssen, dass ich das tue... Ich stürmte die letzten zwei Meter auf ihn zu und wollte ihn zu Boden werfen, er hielt mir jedoch stand und ich prallte nur so von ihm ab. Ich flog in einem kleinen Bogen wieder von ihm weg. Clary schrie auf. Sie rang nach Luft, genau wie ich. Ich stand auf und funkelte ihn an. "Sie kriegt keine Luft mehr!", schrie ich ihn an. "Ups... Das tut mir aber leid", entgegnete er ironisch. Ich rannte wieder auf ihn zu, diesmal auf sein Bein. Doch statt es ihm weg zu treten oder ähnliches schnappte ich mir sein Handgelenk und drehte es ihm auf den Rücken. Jetzt stand er da. Vornüber gebeugt, aber er hatte immernoch die Macht. Ich konnte in Menschengestalt einfach nichts gegen ihn ausrichten. Es war unmöglich so gegen ihn zu gewinnen.

"CARLOS BIST DU WAHNSINNIG GEWORDEN?!", hörte ich eine mir bekannte Stimme schreien, genau in dem Moment, in dem er mit seinem Fuß nach mir trat und ich wieder beiseite flog. Ich landete im feuchten Laub und rang ein zweites Mal nach Luft. Dieser Mistkerl! "Sie bekommt keine Luft mehr! Willst du ihr das gleiche antun, wie es Natalija angetan wurde!?!?", sagte die Stimme energisch weiter. Ich rappelte mich auf und sah wie Nathan Carlos den Arm wegschlug. Clary sackte sofort weinend in sich zusammen auf den Boden und Nathan und Carlos begannen sich zu streiten. Sofort rannte ich zu Clary. "Alles in Ordnung?", fragte ich sie und nahm sie beschützend in den Arm. Es war schon komisch seine ältere Schwester weinend und völlig zusammengebrochen auf dem Boden liegen zu sehen.

Das Geschrei von Carlos und Nathan ließ mich herum fahren. Carlos war stärker als Nathan, auch wenn dieser wendiger war. In diesem Fall galt jedoch Kraft gleich Macht. Gerade als ich mich umdrehte drückte Carlos Nathan mit beiden Händen und voller Kraft gegen einen Baum. Nathan hing ein Stück über dem Boden und man konnte schon sehen, wie seine Rippen hervorstachen. Er schnappte nach Luft, auch wenn er eigentlich nicht mehr zu atmen brauchte. Er würde ihn umbringen... Seinen eigenen Bruder... Obwohl ich Nathan eigentlich hasste, Carlos hasste ich mehr als alles andere auf der Welt. Ich stand blitzschnell auf und sprang Carlos von hinten auf den Rücken. Ich klammerte mich wie ein Affe fest. Dabei jaulte ich. Mir war es egal, dass Clary es hören würde. Ich würde ihr sagen, sie hätte aus Angst halluziniert. Ich hatte es geschafft Carlos zu überraschen, nur war es keine gute Idee ihm auf den Rücken zu springen. Er krallte sich meine Arme und schnitt mit seinen Fingernägeln durch seinen festen Griff in meine Haut ein. Ich quiekte auf. Verdammt, das tat weh! Jetzt war ich diejenige, die den Baum im Rücken hatte, aber bei mir war er zu faul mich dagegen zu drücken. Immerhin hatte ich mein Ziel erreicht. Er hatte von Nathan abgelassen, aber ob das besser für mich war?!

Er schleuderte mich einfach von seinem Rücken runter gegen einen Baum. Ich schlug mit meiner Seite hart gegen diesen und fiel zu Boden, wo ich regungslos liegen blieb. Meine Sicht würde wie so oft schwarz.

Doch diesmal war es eine andere Schwärze als sonst. Es war das Gefühl von Schwerelosigkeit und Unbeschwertheit. Ich hätte nichts dagegen gehabt mich länger in dieser endlos tiefen Schwärze aufzuhalten, doch als mich etwas kaltes im Gesicht berührte, was mich danach erschreckender Weise wieder zu Boden fallen ließ wachte ich wieder auf. Als ich meine Augen aufschlug glaubte ich nicht, was ich dort sah...

Wolves - Eine von ihnenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt