Kapitel 20

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Heute war Freitag. Gestern hatte Carter mir den unromantischten Heiratsantrag gemacht, den es je gegeben hatte und behauptet er würde mir heute meinen Ring bringen. Heute war natürlich ein Tag, wie jeder andere auch. Abgesehen davon, dass er zum ersten Mal mit einem seltsamen Blick gemerkt hatte, dass die Wunden, die er mir zugefügt hatte, deutlich schneller verhielten, als sie es eigentlich hatten tun sollen. Nicht, dass sie schon ganz verheilt waren, aber sie waren eben auch nicht so, wie bei einem normalen Menchen.

Immer derselbe Tagesablauf, außer, dass er heute nur kurz nach Hause kommen würde und sich dann mit seinem Freund Meximilian trifft. Irgendwoher kam mir dieser Name bekannt vor, doch ich wusste nicht woher. Während ich weiter über den Namen nachdachte, fing ich schonmal an zu kochen. Ich wollte heute mal ein Gericht auf meine Art und Weise kochen.

Kurz bevor mein Essen mit möglichst wenig Gemüse und viel Fleisch fertig war, hörte ich wieder wie sich der Schlüssel zur Tür meines Käfigs, namens Carters Apartment, drehte, die Tür geöffnet und direkt wieder verschlossen wurde. Wie ich es hasste. Immer musste er diese Tür abschließen...

Danach begannen wir ohne einen weiteren Zwischenfall zu essen. Es schien ihm sichtlich zu schmecken. Heute fragte ich ihn ausnahmsweise Mal, wie es denn bei seiner Ausbildungsstelle war. Denn heute war einfach irgendwie alles anders. Er begann zu erzählen, was er heute alles getan hatte und immer wieder schaute ich flüchtig zur Uhr. "Ähm Carter?", unterbrach ich ihn, "Du triffst dich in zehn Minuten mit Meximilian..."

"Oh Shit! Ich brauch da noch 'ne viertel Stunde hin... Ich kann Mex heute nicht warten lassen!", er sprang auf, gab mir einen Kuss auf die Stirn und lief zur Haustür. Dort zog er sich seine Schuhe an, schloss die Tür auf und ließ sie hinter sich wieder ins Schloss fallen. Dann hörte ich wie sich seine Schritte von der Tür entfernten. Doch meine Gedanken hingen immer noch an dem, was er gesagt hatte: Er könnte Mex heute nicht warten lassen?! Er ist mit Mex befreundet! Das ist meine Chance... Vielleicht würde er mich trotz des ganzen Verkehrslärms hören und mir hier heraus helfen. Die solange verschwunden gewesene Hoffnung stieg in mir auf. Ich rannte zu meinem Klamottenberg im Wohnzimmer, suchte mir Klamotten raus, die ich an Stelle von meiner alltäglichen Jogginghose anziehen konnte und der Kälte draußen angemessen waren. Doch plötzlich stockte ich in der Bewegung. Heute war irgendwas anders gewesen, als Carter das Apartment verlassen hatte... Sorgfältig ging ich seine Hetztaten wieder und wieder durch, bis mir beim dritten Mal etwas auffiel: Er hatte vergessen die Tür abzuschließen.

Schnell zog ich mich um und rannte dann wie der Vogel der durch die offene Tür seines Käfigs fliegen will auf die Haustür zu. Ich legte die Hand auf den kalten Griff. In den letzten Tagen hatte ich schon oft gehofft und versucht die Tür aufzukriegen. Hatte gedacht er hätte vergessen abzuschließen und ich wäre frei. Doch jedes Mal wieder hatte die Tür blockiert. Langsam drückte ich die Türklinge herunter und tatsächlich ging sie auf. OMG! Freude stieg in mir auf. Ich setzte einen Schritt vor die Tür und atmete genießend die frische nach Freiheit duftende Luft ein. Zum ersten Mal seit langem hatte der Vogel seinen Käfig verlassen. Ich ließ die Tür offen stehen, rannte durch das Treppenhaus und drückte die Tür nach draußen endlich auf.

Die Sonne flutete die Umgebung und obwohl sie im Dezember viel zu schwach war um für Wärme zu sorgen, spürte ich, wie sie ein Kribbeln auf meiner Haut verursachte. Ich atmete zum ersten Mal wieder die frische Luft ein. Mich durchströmte plötzlich ein unendliches Gefühl von Glück und Freude und ich begann zu laufen. Von den vielen Gerüchen wurden meine Wolfsgene langsam wieder erweckt und ich folgte Carters Spur. Ich lief und lief durch eine Stadt, die mir völlig unbekannt war. Doch dass war mir völlig egal. Ich folgte einfach nur Carters Spur und genoss meine wieder gewonnene Freiheit. Irgendwann merkte ich wie die Spur immer frischer wurde und ich wurde langsamer und aufmerksamer. Carter durfte mich auf gar keinen Fall unter gar keinen Umständen sehen. Mex schon. Aber Carter nicht. Mit Mexs Hilfe würde ich bestimmt nach Hause finden und wenn ich ihm nur hinterherlief. Ich würde es endlich nach Hause schaffen. An den Ort, an den ich gehörte. Zu meiner Familie. Meinem Rudel. Meinem Seth. Ein Ort von Liebe und Geborgenheit, der momentan wohl von Trauer geprägt war.

Ich lief weiter und schaute mich um. Da sah ich plötzlich Mex und Carter. Sie stritten sich etwas weiter von mir entfernt auf der großen Brücke, die hier über die Meerenge führte. DAS war meine Chance!

Wolves - Eine von ihnenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt