Kapitel 13

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Ich sah Seth an. Er tat mir so leid, wie er da mit Tränen in den Augen saß. So geknickt und so, so... ich weiß auch nicht, wie ich es sagen sollte, aber ich glaube so verletzlich habe ich ihn noch nie in meinem Leben gesehen. Er wirkte so unschuldig. Leise aber sicher kullerte auch mir eine Träne über die Wange, die ich schnell wegwischte. Halt, Ally! Du darfst jetzt nicht weich werden... sonst hasst er dich... ich sah ihn an. "Seth... es... es tut mir so leid, aber du verstehst das nicht..."

"Was soll es denn daran nicht zu verstehen geben?! Warum auch immer ich dir zu unattraktiv oder was auch immer bin, du hast hinter meinem Rücken mit einem anderen geschlafen... denkst du etwa ich freue mich darüber?!?! Ich dachte, wir warten, bis wir beide bereit dafür sind und du treibst es einfach hinter meinem Rücken mit einem Bleichgesicht! Und jetzt glaubst du ich wäre noch stolz, auf dich geprägt zu sein?!?", seine zu Beginn zittrige Stimme wurde zum Ende hin immer lauter und bestimmter, bis ich irgendwann glaubte so etwas wie Hass in ihr zu spüren. Traurig blickte ich ihn an und ging wortlos zu meinem Rucksack. Dazu wollte ich nichts mehr sagen... es schmerzte zu sehr...

Kurz bevor ich das Haus ein letztes Mal verlassen wollte, sah ich ihn nochmal an. Ich öffnete meinen Mund als wollte ich etwas sagen, doch sofort schossen mir Tränen in die Augen. Ich schüttelte den Kopf: "Weißt du was?", schluchzte ich, stark bleiben Ally!, "Dann hass mich doch! Das ist mir doch egal! Ich habe zu dir nicht gesagt, dass du dich auf mich prägen sollst! Ich... ich...", Hilfe die Tränen kommen!, "Ich wollte das von Anfang an nicht! Ich hasse dich..." Danach stürzte ich aus dem Haus. Weinend. Die Tränen liefen mir wie Wasserfälle die Wangen herunter und ich bereute es ihm diese Worte an den Kopf geknallt zu haben... ich rannte hinter die kleine Hütte, wo ich weinend zusammenbrach.

Ein paar Stunden später schlug ich meine vom vielen Weinen zugequollenen Augen wieder auf. Ich lag auf dem Waldboden im Laub. Neben mir mein Rucksack mit meinen Klamotten. Langsam stand ich auf. Ich brachte meinen Rucksack in Billys Hütte und sah mich danach auf dem Platz um. Nirgendwo war jemand zu sehen. Ich horchte in ihre Gedanken. Doch hören konnte ich sie nicht. Scheiß Vampir gift!, fluchte ich innerlich und schlenderte langsam über den Platz im der Mitte zwischen den Häusern. Hinter einer Hütte betrat ich den Wald. Auch hier schlenderte ich einfach weiter. Ich hatte nicht einmal den Drang nach meinem Rudel, meiner zweiten Familie zu suchen. Ich hasste diesen Vampirkram. Ich wollte verdammt nochmal ein Wolf bleiben!

Ich rannte eine halbe Ewigkeit durch den Wald. Meine Sinne liefen auf Hochtouren. Naja, eigentlich nicht ganz meine Sinne, sondern die eines Vampires... genervt gab ich mich dem Trieb einfach hin und ließ meine Füße mich von selbst durch den Wald tragen. Hier ein Knacken und dort ein Knacken. Aber ich ignorierte alles. Der Vampir in mir hatte wohl eine Fährte von jemandem aufgenommen, der blutete. Ich schluckte und hatte das Gefühl gleich an einer trockenen Kehle zu ersticken. Nocheinmal versuchte ich zu schlucken. Doch mein Hals wurde immer trockener und der Drang nach Blut immer größer und unaufhaltsamer.

Ich hatte mir eine Sweatshirtjacke von Seth um die Hüfte gebunden, welche mir jetzt ziemlich von Nützen war, denn es begann zu regnen. Es regnete nicht nur, sondern ich hatte das Gefühl der ganze Himmel würde auf die Erde herabstürzen. Es regnete in Strömen und schnell zog ich mir die Jacke über und zog die Kapuze tief in mein Gesicht. Meine Füße liefen derweil immer schneller und ich hatte das Gefühl überhaupt keine Kontrolle mehr über sie zu haben. Was machte dieses blöde Vampirsgift nur mit mir?! Panisch, über meinen eigenen Körper, hielt ich mich an einem Baum fest und tatsächlich kamen meine Füße zum Stehen. Nun konnte ich auch wieder die Gedanken meines Rudels hören. Fröhliche Gedanken. Na klar, heute war Mondwanderung.... kein Wunder, dass sie alle so glücklich waren, denn auch wenn es erst Nachmittags war, heute Nacht war Vollmond und das Rudel würde die Strecke, das es am Tage zurück gelegt hatte in der Nacht im Mondlicht wieder zurück gehen. Schön zu wissen, dass sie auch ohne mich so glücklich sein konnte. So wusste ich wenigstens, dass nicht viel im Rudel fehlen würde, wenn ich nicht mehr dazu gehören sollte. Tränen stiegen in meine Augen. Hatte der Vampir in mir schon gesiegt?! War ich jetzt vollends ein Vampir? Langsam rutschte ich mit dem Rücken am Baum herunter, bis ich saß und mein Gesicht in meinen Händen vergraben konnte. "Das darf nicht wahr sein", schluchzte ich leise und ließ den Tränen freie Bahn. So gesellten sich zu den massen an Tropfen, die sowieso durch den Regen schon auf mein Gesicht tropften, noch etliche Tränen dazu.

Wolves - Eine von ihnenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt