4 | LUKE

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„Nimm das Piercing raus, kämm deine Haare ordentlich und dann komm runter, um etwas zu frühstücken!"

„Aber Mum...", wollte ich anfangen, aber sie schnitt mir sofort das Wort ab.

„Kein Aber. Wir haben dir das Piercing nur erlaubt, wenn du es in der Schule und ähnlichem herausnimmst. Du gehst zur Schule um zu lernen und brauchst dort niemand beeindrucken", sprach sie und drehte sich dann um. Ohne ein weiteres Wort verschwand sie aus meinem Zimmer und ich nahm dann doch das Piercing raus. Auch wenn meine Mutter ziemlich falsch lag, da die Schule so ziemlich das einzige war, wo ich jemanden beeindrucken musste. Schließlich würde ich Kylie heute wieder sehen und in der Schuluniform, die aus einem weißen unförmigen Polohemd und einer knielangen schwarzen Hose bestand würde ich sie definitiv nicht beeindrucken. Das Lippenpiercing war das einzige coole an mir.

Und das verbiete mir meine Mutter.

War es nicht schon schlimm genug, dass sie an meiner Schule unterrichtete?

Ständig schwirrte sie in der Schule herum und wusste immer als erste, wenn ich eine Prüfung verhaut hatte. Zum Glück durfte sie mich nicht unterrichten, denn dann würde ich wirklich durchdrehen.

„Luke! Komm jetzt! Du musst noch was essen und der Bus geht in zehn Minuten!" schrie sie von unten und nickte ein letztes Mal meinem bemitleidenswertem Spiegelbild zu. Dann packte ich meine Schultasche und polterte die Treppe hinunter. Anstatt mich an den Frühstückstisch zu setzen nahm ich einfach das belegte Brot, das auf meinem Platz lag und verabschiedete mich.

Ich aß lieber auf dem Weg zum Bus, da war es ruhig und friedlich. Meine beiden Brüder waren älter als ich und seit sie ausgezogen waren hatte sich Mum auf mich fokussiert. Was wirklich nervte. Manchmal hatte ich das Gefühl sie wäre kurz davor zu fragen, ob sie mit zur Bandprobe kommen könnte. Als Lehrerin mit Erziehungsauftrag sollte man eigentlich wissen, dass man sich nicht so an seine Kinder klammern sollte.

An der Bushaltestelle stand bereits Calum und spielte mit einem kleinen Stein Fußball. Natürlich könnte mich auch meine Mum mitnehmen, aber bevor ich mir die Blöße gab fuhr ich lieber Bus.

„Hey", grüßte ich ihn und schob das letzte Stück Brot in den Mund.

„Morgen", grinste er und schoss den Stein dann auf die andere Straßenseite, wo er gegen den Rand des Bürgersteigs prallte.

„Is' was?" fragte ich mit vollem Mund, aber er schüttelte nur grinsend den Kopf. Ich zog meine Augenbrauen in die Höhe und dann meinte er doch: „Naja fängt mit K an und hört mit ylie auf."

„Hat sie sich bei dir gemeldet?" entfuhr es mir schockiert. Ich hatte den ganzen Tag gestern überlegt, ob ich ihr eine Freundschaftsanfrage schicken sollte oder nicht. Ihr Profil war privat, ich konnte nur ihr kleines Profilbild ansehen und das nervte. Aber natürlich hatte ich mich dann doch nicht getraut.

„Ne, aber du siehst sie heute wieder. Bist du schön nervös?" fragte er nach und wackelte mit seinen Augenbrauen.

„Wieso sollte ich?" ich versuchte cool zu wirken, aber irgendwie klappte das nicht so, denn Calum lachte nur noch mehr.

„Weil du sie am Samstag am liebsten gar nicht mehr los lassen wolltest. Kein Ding übrigens, hab ich gern gemacht, dass du sie küssen musstest. Hatte schon den ganzen Abend das Gefühl, du findest sie heiß."

„Wie kommst du da drauf?" ich hatte sie den ganzen Abend nicht angesehen. Wenn ich sie heiß gefunden hätte, dann hätte ich doch wohl eher das Gegenteil getan.

„Weil du sie den ganzen Abend nicht angesehen hast. Ich kenn dich Lukey. Wenn du auf ein Mädchen stehst, dann bist du so krass schüchtern, dass du sie nicht mal ansiehst", grinste Calum und ich verschränkte beleidigt meine Arme vor der Brust. Ich war echt nicht so ein schüchterner Idiot, wie er jetzt tat. Also manchmal vielleicht, aber echt nicht immer.

Ticket outta LoservilleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt