34 | LUKE

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„Ich bring dich noch zur Tür", kam es von Kylie, während ich mich von der Couch hochwuchtete. Ihr Vater hatte seine Gitarre nun selber auf dem Schoß und versuchte die ersten Takte von „Highway to Hell" zu spielen. Nachdem er mich damit gesehen hatte, konnte er nicht wiederstehen es auch mal wieder zu versuchen. Ich hatte ihm kurz bei den Akkorden geholfen, da er sich nicht mehr genau daran erinnern konnte, aber jetzt klang es schon ganz gut. Deshalb hörte er auch gar nicht richtig zu, als ich mich verabschiedete. Nur Kylies Mum lächelte mich an und wünschte mir eine gute Nacht.

Ich war gut drauf, weil Kylie der Song gefallen hatte. Auch wenn ich es nicht auf die Reihe gebracht hatte ihr davon zu erzählen, dass ich ihn für sie geschrieben hatte. Stattdessen hatte ich nur Schwachsinn gestottert, der sie vermutlich verstört hatte. Bestimmt hatte sie nur aus reiner Höflichkeit gelächelt.

Manchmal war ich aber auch ein Trottel. Ich fragte mich, ob sich meine Brüder auch so dämlich gegenüber Mädchen aufführten, oder ob nur ich so war. Meine Mutter war früher bestimmt kein bisschen schüchtern und mein Vater wirkte eigentlich auch nie so. Doch von irgendwem musste ich es ja haben.

Gedankenversunken folgte ich Kylie zur Haustür und schlüpfte dann in meine Schuhe. Als ich wieder zu ihr hochblickte sah sie mich an, wirkte aber gleichzeitig angespannt. Was sie wohl gerade dachte?

„War schön heute Abend", sagte sie leise und ich nickte. Jetzt kam der Part, den ich am wenigsten mochte: Ich musste mich von ihr verabschieden. Am liebsten wäre ich ständig mit ihr zusammen und um ehrlich zu sein fragte ich mich, wie ich es nächste Woche schaffen sollte, sie gar nicht zu sehen.

„Find ich auch", antwortete ich ihr. Etwas besser fiel mir nicht ein. Ich wünschte, ich könnte besser mit Worten umgehen. Wieso war ich in der Lage Songs zu schreiben während mir in einem normalen Gespräch selten etwas Schlaues einfiel.

Sollte ich sie zum Abschied umarmen? Irgendwie taten wir das nie, aber wir kannten uns jetzt doch schon länger und eine Umarmung war ja auch eigentlich harmlos.

Ich blickte in Kylies Gesicht und hatte das Gefühl, dass sie auf etwas wartete. Und da fiel mir eine Sache ein.

Hatte ich nicht gefragt, ob sie vor Sydney mal mit mir ausgeht?

Danach hatten wir nicht mehr darüber gesprochen und jetzt blieb nur noch eine Woche Zeit, um sie nach einem Date zu fragen. In der Schule war ich ständig von Calum und Michael oder sie von Tricia umlagert. Es war viel zu peinlich, vor denen die entscheidende Frage zu stellen. Der perfekte Moment dafür war also jetzt.

Ich musste es nur noch laut aussprechen.

„Gehst du Freitag mit mir aus?" kam es viel zu schnell aus meinem Mund und ich hoffte, dass sie die Wörter trotzdem verstanden hatte. Erleichtert nahm ich zur Kenntnis, wie ihre Augen aufleuchteten und sie dann heftig nickte.

„Ja, gerne!" lächelte sie und ich meinte: „Also gehen wir zusammen ins Kino? Du kannst den Film auch aussuchen. "

Wenn ich Mum anpumpte, dann sollte vielleicht noch ein Eis danach drin sein.

Kylie nickte erneut.

„Klingt super. Soll ich dich abholen?" fragte sie nach und ich hatte das Gefühl rot zu werden. Stimmt ja leider, ich hatte nicht mal ein Auto. Aber ich wollte, dass es ein richtiges Klischeehaftes Date wird. Und da musste der Junge das Mädchen abholen.

„Ne, ich hol dich ab. Um halb Sieben", legte ich fest. Zur Not müsste ich die Jungs fragen, ob mir einer von ihnen ein Auto leihen konnte.

„Okay, ich freu mich schon", lächelte Kylie und kam näher zu mir. Und ehe ich mich versah umarmte sie mich. Ihr rechter Arm legte sich um meine linke Schulter, der linke Arm fand an meiner Hüfte Platz. Ich umarmte sie zurück und drückte sie ein bisschen an mich. Es war schon viel zu lange her, dass ich ihr so nah war.

Am liebsten hätte ich sie gar nicht losgelassen, doch irgendwann machte sich Kylie ein bisschen los und sah mir dann in die Augen. Ich wartete darauf, dass sie etwas sagte, doch es kam nichts aus ihrem Mund. Bis sie mir irgendwann einen merkwürdigen Blick zuwarf, sich komplett von mir löste und schnell: „Gute Nacht Luke", murmelte. 

***

„Mum, wie hoch stehen die Chancen, dass du mich Freitagabend dein Auto nehmen lässt?"

Ich lehnte mich im Türrahmen an und sah auf meine Mutter, die am Küchentisch saß und eine Zeitschrift las. Neben ihr stand ein kleiner Teller, auf dem nur noch Kuchenbrösel zu finden waren und eine Tasse, in der vermutlich Tee oder Kaffee war.

Ich hatte mich dazu entschlossen sie direkt zu fragen. Natürlich hätte ich auch erst eine einfache Konversation starten können und die Frage dadurch einleiten können. Aber um ehrlich zu sein standen die Chancen, das Auto zu bekommen, dadurch auch nicht besser. Deshalb sparte ich mir das.

Mum sah von ihrer Zeitschrift hoch zu mir. Es war erst Sonntagnachmittag, aber ich wollte lieber gleich eine Antwort haben. Außerdem hatte ich heute Mittag beim Abwasch geholfen. Hoffentlich konnte sich Mum daran noch erinnern.

„Wieso?" war ihre Frage und ich entschied mich dazu, bei der Wahrheit zu bleiben. Sie würde sowieso irgendwie herausfinden, dass ich mit Kylie ausging und wenn ich behauptete mit den Jungs wohin fahren zu wollen, würde sie mir das Auto ganz sicher nicht anvertrauen. Dabei waren die Chancen das Auto zu schrotten viel höher.

„Ich geh mit Kylie ins Kino und würde sie gerne von zu Hause abholen."

Eigentlich war es mir unangenehm mit meiner Mutter darüber zu sprechen, aber als ich es gesagt hatte, stellte ich fest, dass es sich ganz gut an hörte.

Mums Augen leuchteten auf und ihre Mundwinkel zogen sich nach oben.

„Ist sie etwa deine Freundin?" fragte sie nach, woraufhin ich, leider, meinen Kopf schütteln musste.

„Nein, aber wenn ich sie mit dem Fahrrad abhole, wird sie das wohl auch nicht werden", antwortete ich ihr und hoffte, dass sie nun endlich die erlösenden Worte „Du kannst das Auto haben" aussprach.

Aber das tat sie nicht. Stattdessen kam von ihr: „Ich glaube nicht, dass sich Kylie von unserem Familienauto beeindrucken lässt."

Ich seufzte.

„Ich will sie damit auch nicht beeindrucken. Ich will ihr nur ein besseres Transportmittel bieten, bei dem sie nicht nass wird, wenn es regnet."

„Die Chancen, dass es am Freitag regnet, stehen doch ziemlich niedrig."

„Mum..."

Jetzt war sie diejenige die seufzte.

„Okay, du kannst es haben. Aber fahr langsam und pass beim einparken darauf. Noch mehr Kratzer kann dieses Auto nicht mehr ab."

Erleichtert atmete ich auf.

„Danke und ähm... kann ich vielleicht noch einen kleinen Taschengeldvorschuss haben? Für Popcorn und so?" fragte ich vorsichtig nach.

„Du hast diese Woche ja noch Zeit etwas im Haushalt mitzuhelfen", kam es von ihr und ich unterdrückte ein genervtes Stöhnen. Hauptsache ich hatte das Auto.



Ticket outta LoservilleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt