19 | KYLIE

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Mums Stimme löste beinahe einen Herzinfarkt in mir aus. Wie von der Tarantel gestochen zog ich meine Füße aus dem Wasser und stand auf, Luke tat es mir gleich. Warum waren sie jetzt schon zuhause? Meinten sie nicht es würde nach Mitternacht werden?

Hinter Mum kam Dad durch die Terrassentür, beide waren schick gekleidet. Meine Mutter trug ein dunkelrotes Kleid, welches ihr bis zu den Knien ging und kaum Ausschnitt hatte und mein Vater trug einen schwarzen Anzug mit passender Krawatte. Es war nicht unüblich, dass sie in Abendkleidung unterwegs waren, da Dad oft irgendwelche Geschäftsessen hatte. Allerdings ärgerte es mich, dass Luke sie so sah, da er sie nun bestimmt für die totalen Snobs hielt.

„Kylie?" fragte meine Mum nach und mir fiel ihre Frage wieder ein.

„Ähm, die anderen konnten nicht kommen", antwortete ich ihr wahrheitsgemäß, aber ich sah meinen Eltern an, dass sie mir nicht glauben wollten.

„Die konnten nicht kommen?" fragte mein Vater nach und schmunzelte leicht. Er hatte mittlerweile ein paar graue Haare, die sich auch in seinem Schnauzer sichtbar machten.

„Tricia durfte plötzlich doch nicht mehr und einer von Lukes Freunden ist krank geworden und der andere konnte auch nicht", erklärte ich ihnen und Mum sah überrascht auf den blonden Jungen neben mir.

„Du bist Luke?" fragte sie nach und er nickte unsicher. „Luke Hemmings?"

Er nickte erneut und ich merkte, wie er mir einen kurzen Blick zu warf. Ich versuchte währenddessen darauf zu kommen, woher meine Mutter seinen Namen wusste.

Bis jetzt hatte ich ihn noch nicht erwähnt. Kannte sie vielleicht seine Mutter? Schließlich war sie Lehrerin in unserer Schule und es war gut möglich, dass sie sich mal getroffen hatten. Auch wenn der Zufall schon ziemlich groß wäre.

Meine Mutter warf meinem Vater einen wissenden Blick zu und als ich sie so grinsen sah wusste ich, woher sie Luke kannte.

Violet.

Natürlich hatte meine Schwester ihr erzählt, dass ich einen Luke Hemmings mit zur Hochzeit nehmen würde. Vermutlich hatte sie Mum sogar darauf angesetzt herauszufinden wer das war und ob er sich ins Hochzeitfoto gut einfügen würde.

Mum wollte gerade etwas sagen, da würgte ich sie mit: „Ich fahre Luke jetzt nach Hause. Nicht das er noch Ärger bekommt", ab.

Ich hatte keine Ahnung wie spät es war und ich wollte auch gerne noch, dass er länger da blieb, aber ich musste verhindern, dass Mum mit ihm über die Hochzeit sprach. Er hatte noch keine Ahnung, dass ich ihn dort quasi angemeldet hatte und wenn er es jetzt über meine Mutter erfuhr wäre das schrecklich peinlich.

Ich packte Lukes Hand und zog ihn fast schon an meinen Eltern vorbei, die mich verwirrt ansahen.

„Äh, war schön sie kennen zu lernen Mrs. und Mr. Fields!" rief er ihnen noch zu, während ich ihn durch unser Wohnzimmer zog.

„Meine Füße sind noch nass, ich mache bestimmt euren Boden dreckig", kam es von ihm und er klang dabei richtig besorgt. Meine Füße waren auch noch nass, aber im Moment war das egal. Luke durfte auf keinen Fall erfahren, dass ich ihn für die Hochzeit eingeplant hatte. Ich kannte ihn gerade mal drei Wochen, er würde mich für komplett verrückt halten. Vor allem, weil ich einfach so für ihn zugesagt hatte.

„Morgen kommt eh unsere Putzfrau", versuchte ich ihn zu beruhigen. Als ich den Satz ausgesprochen hatte wurde mir bewusst, wie dämlich das klang. Morgen kommt eh unsere Putzfrau. Gleich nach dem Gärtner und der Köchin.

„Oh", entfuhr es Luke und wir waren an der Haustüre angelangt.

„Ich... ähm... ich hab meine Socken noch auf eurer Terrasse", stellte er fest und ich hätte mir am liebsten selber gegen den Kopf geschlagen.

„Okay, warte hier, ich bin sofort wieder da", teilte ich ihm mit und lief den Weg wieder zurück auf die Terrasse, wo meine Eltern immer noch standen und mich nun verwundert anblickten. Lukes Socken lagen neben dem Pool und ohne lang nachzudenken packte ich sie einfach. Ich hoffte einfach mal für ihn, dass er frische angezogen hatten.

„Was genau war das gerade für ein Auftritt?" fragte Mum nach.

„Erkläre ich später", antwortete ich kurz und lief wieder zurück zu Luke, der verloren in unserer Eingangshalle standen.

„Hier."

Ich überreichte ihm seine schwarz-weiß geringelten Socken, die er mit einem schüchternen Grinsen und einem leisen „Danke", annahm, ehe er sie sich überzog. Währenddessen holte ich meinen Autoschlüssel und schlüpfte in meine Ballerinas, die neben der Tür standen. Als er dann endlich seine Schuhe trug öffnete ich die Haustüre und ließ ihn vor mir hinaustreten

„Ist ja in Ordnung, wenn ich dich heimbringe, oder?" fragte ich dann doch noch nach. Luke nickte nur.

***

Ihn nach Hause zu bringen war nicht mehr besonders ereignisreich. Ich versuchte mit ihm zu reden, aber er sagte nicht mehr allzu viel und ich wurde das Gefühl nicht los, dass er sauer war. Als ich ihn vor seinem Haus absetzte wünschte er mir auch nur noch eine gute Nacht und ging dann. Nicht das ich einen Abschiedskuss erwartet hätte, aber eine Umarmung wäre schon schön gewesen.

Nachdem ich zuhause die Haustüre wieder geöffnet hatte hörte ich meine Mutter bereits meinen Namen rufen.

Vorher war ich noch wirklich gut drauf gewesen. Es war schön mit Luke gewesen, doch jetzt hatte ich ein ungutes Gefühl im Magen. Als hätte ich es verbockt. Ich musste ihm unbedingt noch schreiben, damit er die ganze Aktion nicht in den falschen Hals bekam.

Doch zuvor zog ich meine Schuhe aus und ging durch die Küche in unser Wohnzimmer, wo meine Eltern auf der Couch saßen und der Fernseher gerade die Nachrichten zeigte.

„Ich möchte gerne eine Erklärung. Zum einen, warum du einen Jungen alleine zu Besuch hattest und zum anderen, warum du den armen Jungen dann so plötzlich weggezerrt hast. Vor allem da er anscheinend der Junge ist, den du zur Hochzeit deiner Schwester eingeladen hast. Wir würden ihn alle gerne mal kennen lernen, bevor er bei diesem wichtigen Familienfest dabei ist."

Meine Mutter sah mich auffordernd an und das erste was ich tat, war zu seufzen.

Aber das machte meine Eltern nur noch neugieriger und beide richteten sich von ihrer bequemen Position auf, um mich besser ansehen zu können. Dad stellte den Fernseher auf lautlos und ich fing an grob zu erklären: „Es war wirklich nicht so geplant, dass Luke alleine hier ist. Keine Ahnung, was mit den anderen passiert ist. Oder nein, eigentlich hab ich schon eine Ahnung davon. Sie haben es mit Absicht gemacht, damit wir alleine sind. Aber wir haben nur einen Film gesehen und sind dann am Pool gesessen. Wir waren nicht einmal in meinem Zimmer."

Meine Eltern nickten verstehend, wobei ich nicht kapierte, warum es überhaupt ein Problem war. Schließlich war Harry öfters bei mir, aber vielleicht lag es auch daran, dass sie ihn besser kannten als Luke.

„Und warum hast du den Jungen so schnell von uns weggebracht?" fragte Dad nach und ich kratzte mich verlegen an der Stirn. Eine Notlüge fiel mir so schnell nicht ein, weshalb ich es mit der Wahrheit probierte.

„Ähm ja. Also. Es ist möglich, dass er noch nichts weiß. Also von der Hochzeit."

„Wie meinst du das?" kam von meiner Mum und ich stöhnte innerlich. So schwer zu verstehen war das dann doch nicht, oder?

„Ich hab ihn noch nicht gefragt. Violet wollte unbedingt einen Namen haben und ich hab seinen genannt. Ich hatte einfach Angst, ihr würdet darüber reden, dass er mich zur Hochzeit begleitet, wenn er selber noch gar nichts davon weiß", gab ich zu. Ich sah zu meinen Eltern und beide fingen fast gleichzeitig an zu lachen.

Klasse, jetzt machten sogar die sich über mich lustig.

„Ach Kylie, du hast es wirklich nicht leicht", witzelte mein Vater und ich zog beleidigt ab in mein Zimmer.

***

ich habe zwei Logiksachen geändert: Das Konzert ist erst in ein paar Wochen und die Hochzeit ist nun in zwei Monaten und einer Woche (zu Beginn des Buches heißt es jetzt, dass die Hochzeit in drei Monaten ist)

Wieso, weshalb, warum wird im weiteren Verlauf der Geschichte klar.



Ticket outta LoservilleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt