8 | LUKE

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„Nein, Mum! Das geht einfach nicht! Du kannst nicht einfach ein Mädchen ansprechen und ihr dann auch noch mein Pausenbrot mitgeben! Ist dir überhaupt bewusst wie krass peinlich das war?"

Ich spreche, oder besser gesagt schreie, viel zu laut und bin selber überrascht davon, dass Mum es sich bis jetzt noch gefallen lässt.

Erst hatte ich überlegt es einfach zu vergessen, aber als ich nach Hause gekommen war, wartete Mum mit einem breiten Grinsen in der Küche auf mich und der erste Satz den sie aussprach beinhaltete gefühlt fünfzehnmal den Namen Kylie. Mum war verrückt. Weil ich jetzt plötzlich zu einem Mädchen Kontakt hatte. So hatte sie das genannt. Ich wusste schon, warum ich ihr Sam und Lucy noch nie vorgestellt hatte. Meine Mum war viel zu sehr an meinem Leben interessiert, was seit dem Auszug meiner älteren Brüder noch schlimmer geworden war.

„Jetzt reg dich nicht so auf Luke. Ich hab ja nicht gesagt, dass du ständig über sie sprichst. Lediglich, dass ich euch beide zusammen gesehen hab", meine Mum unaufgeregt und ich konnte ein verärgertes Schnauben nicht mehr unterdrücken.

Merkte sie das selber wirklich nicht wie schrecklich peinlich sie war?

Jetzt dachte Kylie zwar nicht, dass ich zuhause von ihr erzählte, dafür war sie der Meinung ich hätte eine observierende Mutter, die jeglichen Kontakt zu einem Mädchen notierte.

„Ernsthaft Mum?" fragte ich genervt nach und verschränkte die Arme. Sie lernte es einfach nicht.

Mums amüsierter Blick wurde einen momentan lang streng und sie sagte: „Klappe jetzt Luke, oder du darfst heute nicht weg."

Ich stierte sie an.

Das war so unfair. Meine Mum durfte peinlich sein, mich vor dem Mädchen das ich toll fand bloß stellen und sich dann auch noch über mich lustig machen. Aber wenn ich sie ein bisschen anmotzte gab es gleich Ärger.

Genervt ging ich aus der Küche, die Schultasche hatte ich in den Gang geworfen und hob sie nun auf.

„Luke! Ich hab gekocht und du hast jetzt gar nichts gegessen!"

Als ich mich auf der Treppe noch einmal umdrehte sah ich Mum im Türrahmen stehen.

Jetzt machte sie wieder einen auf nett.

„Kein Hunger", murrte ich und stapfte die Stufen weiter nach oben und den Gang entlang in mein Zimmer.

Das erste was ich tat war die grässliche Schuluniform auszuziehen.

Stattdessen zog ich eine kurze Trainingshose an, die auf meinem Bett lag und ein T-Shirt, das ich auf dem Boden neben meinem Schrank fand. Ordnung war nicht so mein Ding, denn wenn ich mal was aufräumte fand ich es danach nie wieder. In meinem Chaos war mir bislang noch nie etwas verloren gegangen.

Nachdem ich im Netz gecheckt hatte, wie viele Klicks unser neuestes Video hatte und mich über drei neue Leute, die unseren Youtube-Kanal abonniert hatten, gefreut hatte, legte ich mich aufs Bett und hörte Musik. Ich musste immer über Kopfhörer hören, weil meine Mutter sonst verrückt wurde. Dad fand es nicht so schlimm, aber der war tagsüber ja auch in der Arbeit. Dank Mums Job als Lehrerin war sie allerdings immer zu denselben Zeiten wie ich zuhause.

***

Ich war eingeschlafen und viel zu spät wieder wach geworden. Weil mein Handy alle Lieder durch hatte und ich Mum hörte, wie sie vor meinem Zimmer staubsaugte. Im Normalfall wäre ich sauer gewesen, aber jetzt war ich ihr sogar dankbar. Calum und Michael würden bald auftauchen und kurz darauf würde Kylie uns abholen kommen. Ich fand es immer noch unrealistisch, dass sie mich gefragt hatte, ob ich mitkommen wollte. Ich hoffte sie hatte es nicht nur aus Mitleid getan, oder weil sie das Gefühl hatte nett zu mir zu sein, weil ich ihr die Kirschen geschenkt hatte. Ich hoffte sie hatte es getan, weil sie mich gerne auf der Party dabei haben wollte.

Ticket outta LoservilleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt