3- Ich hasse Fußball

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Kim pov

Zwei Tage später musste ich zum ersten Mal in die Schule. Mein neuer Lehrer stellte mich der Klasse vor. Ich setzte mich in die letzte Reihe an einen Einzeltisch. Ich wollte hier keine Freunde finden, denn dieser kleine Ort war nicht mein Zuhause und würde es auch nie sein. In der Pause beobachtete ich ein paar Jungs und zwei Mädchen beim Kicken auf dem Schulhof. Erinnerungen wurden in meinem Inneren geweckt und die Tränen glitzerten in meinen Augen. Ich war so in Gedanken, dass ich gar nicht bemerkte, dass einer der Fußballspieler zu mir herübergekommen war. "Hey, ähm, du bist die Neue, richtig? Wir sind in einer Klasse." Ich nickte bloß. "Du schaust die ganze Zeit zu uns und da wollten wir fragen, ob du vielleicht mit uns Fußballspielen willst?" Die erste Träne  rann meine Wange hinunter. "Nein,", krächzte ich," ich hasse Fußball!" Mein Gegenüber starrte mich geschockt an und ich drehte mich um und ging. In diesem Moment klingelte es und der Unterricht ging weiter.

Eine Woche später saß ich auf meiner Fensterbank, meinem neuen Lieblingsplatz, und heulte mir die Augen aus. Ich vermisste mein altes Zuhause, Fußball, die Mannschaft und ganz besonders Lukas. Mein Herz riss jede Sekunde ein bisschen mehr. Ich fühlte mich leer, machte gar nichts. In der Schule saß ich nur da, schrieb zwar mit, aber ich meldete mich nie. Ich schrieb gute Noten, was den mündlichen Beitrag wieder wettmachte. Jeden Tag nach den Hausaufgaben saß ich nun auf der Fensterbank und schaute raus. Vielleicht war es Zufall, vielleicht auch nicht, denn gegenüber von unserem Haus war ein Waisenheim und im Garten spielten immer zwei Jungs Fußball. Ich erkannte den einen. Es war der Junge, der mich in der Schule angesprochen hatte, am ersten Tag. Er hatte dunkelblonde Haare und wunderschöne grüne Augen. Er hieß Markus, das hatte ich mittlerweile herausgefunden. Ich beobachtete ihn und den anderen Jungen immer wenn sie spielten. Markus wohnte in dem Haus neben dem Waisenheim und der andere Junge war im Heim. Gedankenverloren sah ich zu Markus- der in diesem Moment genau in meine Richtung sah! Unser Blickkontakt schien ewig anzudauern, aber es konnte nur Sekunden gedauert haben. Er lächelte leicht. Seine geraden weißen Zähne waren bis hier oben zu sehen. Ich konnte nicht anders als auch zu lächeln. Sein Mitspieler hatte Markus gerade den Ball zugespielt, aber der war ja damit beschäftigt zu mir zu gucken und so bekam er den Ball gegen den Kopf und kippte um. Ich sprang auf, schlüpfte in meine Schuhe und rannte runter. Ich überquerte die Straße und schon kniete ich neben dem Jungen mit den dunkelblonden Haaren. "Markus, Markus, Hey wach auf!" Ich rüttelte an ihm und schlug leicht gegen seine Wangen. Nach einer gefühlten Ewigkeit machte er endlich die Augen auf. Er blinzelte ein paar Mal und machte dann große Augen als er mich sah. "Oh, sie spricht", grinste er wie ein Macho. "Solche Sprüche kannst du dir echt sparen, du sockenstinkendesrosawölkchenpupsendes Schweineaugenglipperkotznashorn!" Mit diesen Worten stand ich auf, drehte mich um und lief wütend über die Straße davon. Ich lief ins Haus zurück und ging wieder auf meinen Posten auf der Fensterbank. Das tolle an dieser Fensterbank war, dass sie extra breit war, sodass man richtig bequem sitzen konnte und, was mir in diesem Moment zu gute kam, Gitarre spielen konnte.  Leise stimmt ich die Noten von irgendeinem Lied an, dass mir gerade in den Sinn kam. Ich begann leise dazu zu Summen und ging irgendwann in Gesang über.
"I want to write you a song,
One as beautiful as you are sweet...
I want to write you a song",
endete ich leise. Ich erschrak als jemand klatschte. "Wow, tolle Stimme." Ich nickte nur. "Ich wollte mich entschuldigen. Also für den blöden Spruch. Aber du redest halt kaum." Er grinste. "Du könntest Maxis Schwester sein. Der redet auch kaum. Früher hat er gar nicht geredet." Wieder nickte ich nur. "Würdest du mir mit Worten antworten, wenn ich dich frage, ob du mir verzeihst?" "Ja", sagte ich leise. "Ja du würdest mir so antworten oder ja du verzeihst mir?" "Ja, ich verzeihe dir." Ein kleines Lächeln stahl sich auf meine Lippen. "Wenn du lächelst bist du noch hübscher." Ich würde leicht rot und murmelte ein leises danke. "Was hat es mit dem Fußball und dir auf sich?", fragte er plötzlich. Mein Lächeln verschwand. "Ich hasse Fußball und du solltest jetzt gehen", antwortete ich kalt. Markus schien etwas verdutzt, gehorchte aber und verließ ohne Widerworte mein Zimmer. Ich ließ mich wieder auf der Fensterbank nieder. Die Tränen brannten in meinen Augen und liefen meine Wange hinab, während ich beobachtete wie Markus zurück zu seinem Haus ging. Auf der anderen Straßenseite drehte er sich nochmal zu mir um und sah zu meinem Fenster hoch. In diesem Moment  war es mir egal, dass er mich weinen sah. Er lächelte mir traurig und aufmunternd gleichzeitig zu und dann verschwand er aus meinem Blickfeld.

Wörter: 821

Die Wilden Kerle und die StilleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt