34- Jetzt wird es ernst

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Kim pov

Der nächste Morgen kam viel zu früh. "Aufstehen Kim! Wie spät war es denn gestern, dass du jetzt so müde bist?" "Willi, es war heute. Lass mich weiterschlafen", murmelte ich in mein Kissen. "Wenn du ohne Frühstück zum Spiel willst." "Ja will ich. Ich kriege sowieso nichts runter." "Steh bitte trotzdem auf. Die Anderen hab ich auch schon geweckt und die sind schon beim Frühstück. Außerdem musst du so oder so bald aufstehen, weil wir ein Spiel haben." Ich stöhnte genervt auf. Dann gab ich mich geschlagen, setzte mich auf, streckte mich und gähnte laut. "Du weißt ja wo der Speisesaal ist, kommst du da dann bitte hin?" Ich nickte und Willi verschwand. Erst da fiel mir auf, dass auch Vanessa und Klette nicht mehr da waren. Schnell stand ich auf und zog mir nochmal die Sachen von gestern an, denn es war ja nur fürs Frühstück. Ich joggte zum Speisesaal und entdeckte auch schnell die Mannschaft. Von der Theke nahm ich mir einen Apfel und ein Glas Wasser, dann lief ich zu den Wilden Kerlen und setzte mich zwischen Maxi und Markus. Um mich herum hatten alle Brötchen oder Müsli und ich hatte nur meinen Apfel, aber mehr schaffte ich um diese Uhrzeit einfach nicht. Wir mussten uns ziemlich beeilen mit dem Essen, denn um 8:50 Uhr war ja schon das erste Spiel für heute. Wir verließen das Frühstück diesmal nicht zusammen, sondern jeder dann, wenn er fertig war. Und so kam es, dass ich eine der ersten war, die wieder den Tisch verließ. In einer Umkleidekabine zog ich mich um und kurze Zeit später standen wir alle auf dem Platz und wärmten uns auf. Unsere Gegner kamen vom Fußball Club Regensburg, kurz FCR. Weil das Spiel so früh war, war die andere Mannschaft noch nicht ganz wach und sobald das Spiel begann, hatten wir die Oberhand. Die Wilden Kerle strotzten vor Energie, vor allem Joschka, der ja gestern Nachmittag auf der Bank gesessen hatte. Für ihn saß jetzt Klette auf der Bank. Ich beobachtete den Ball, der zwischen meinen Mitspielern hin- und hersauste. Plötzlich jubelten alle und erst da begriff ich, dass Raban gerade ein Tor geschossen hatte. Aber bevor ich mitfeiern konnte, ging es weiter. Die Regensburger schienen jetzt langsam aufzuwachen, denn sie nahmen uns immer öfter den Ball ab. Das Spiel verlief bis zur Halbzeit ziemlich unspektakulär. Wir hatten noch ein paar gute Torchancen, aber der andere Torwart war echt gut und hielt bis jetzt, bis auf den einen von Raban, jeden Ball. Bei Markus sah das heute leider etwas anders aus. Er rieb sich die ganze Zeit die Augen und schien noch sehr müde zu sein. Das schien jetzt auch Willi aufzufallen, denn er wechselte Markus gegen mich aus und Klette nahm meine Position ein. Das Spiel ging weiter und es sah ziemlich gut für uns aus. Die Spieler aus Regensburg waren nur noch selten am Ball und wenn sie es doch mal waren, kam sofort mindestens ein Wilder Kerl und nahm den Ball an sich. Es war dementsprechend nicht verwunderlich, dass es kurz vor Schluss 3:1 für uns stand. Gerade hatte Klette einem Gegner den Ball abgenommen, spielte zu Nerv und der schoss tatsächlich noch ein Tor! Im nächsten Moment pfiff der Schiedsrichter das Spiel ab und das Ergebnis stand fest. Wir hatten 4:1 gewonnen! "Leute, könnt ihr es glauben? Wir sind im Halbfinale!", rief Nerv, aber da wurde er schon von den Wilden Kerlen erdrückt. Wir feierten unseren Sieg. Lachend liefen wir zu der Sporthalle, wo Jungen und Mädchen sich trennten. "Wann ist nochmal das Halbfinale?", fragte Klette. "Um 11 Uhr. Jetzt ist es 20 Minuten nach 10." "Das ist ja gar nicht mehr lange!", stellte die Jüngste fest. "Tja, aber Willi meinte, wir müssen erst so 10 Minuten vorher da sein, weil wir von diesem Spiel hier noch relativ warm sind. Also haben wir jetzt eine halbe Stunde Zeit", erklärte ich. Die anderen beiden nickten. Wir machten uns alle ein bisschen frisch und verbrachten die restliche Zeit mit Quatschen. Irgendwann gingen wir dann los. Wir waren weder die ersten noch die letzten Wilden Kerle, die eintrafen. Wir warteten nur noch auf Maxi, Markus und Raban. Auf einmal sahen wir Maxi zu uns rennen. "Wir haben ein Problem. Markus ist ausgerutscht und auf seinen, irgendwie verrenkten, Arm gefallen. Er kann den Arm nicht ohne krasse Schmerzen bewegen." Es herrschte Stille. "Ein verletzter Torwart zum Halbfinale, genau das haben wir jetzt gebraucht", seufzte Vanessa ironisch. Willi und ich folgten Maxi zu Markus und Raban. Mein bester Freund saß mit Tränen in den Augen auf seinem Schlafsack und hielt sich den Arm. Wir knieten uns neben ihn und ich streichelte seine Wange und seinen Rücken, während Willi sich den Arm ansah. "Damit kannst du auf keinen Fall spielen", erklärte er irgendwann. "Dann gehe ich ins Tor", sagte ich schnell. Willi nickte. Wir halfen Markus auf und Maxi ging mit ihm zum Zelt der Sanitäter, während Willi, Raban und ich zurück zu den anderen Wilden Kerlen gingen. Wir erklärten kurz, was passiert war und wie es weitergehen würde, dann wärmten wir uns alle etwas auf. Maxi und Markus waren mittlerweile wiedergekommen und saßen jetzt zusammen auf der Bank. Markus reichte mir die Torwarthandschuhe und meine beiden Jungs wünschten mir viel Glück, bevor es dann endlich losging. Im Verlauf des Turniers war das Niveau unserer Gegner natürlich gestiegen und da wir uns jetzt im Halbfinale befanden, war es nicht verwunderlich, dass der FSV Fürth stark war. Ich musste ziemlich oft ein Tor verhindern und es war wirklich ein scheinbar ewiges Hin und Her auf dem Platz. Als der Schiedsrichter zur Halbzeit pfiff, kamen wir alle zu Willi. Die Feldspieler keuchten und zwar nicht nur die der Gegner, sondern auch die Wilden Kerle waren erschöpft. Willi zog USB alle zusammen in einen Kreis. "Ihr glaubt jetzt wieder an euch und gewinnt dieses Spiel, verstanden? Ihr seid die wildeste Fußballmannschaft der Welt!" Ein einstimmiges Nicken war die Antwort. Wir lösten uns wieder voneinander und gingen auf unsere Positionen auf dem Platz. Auch die Spieler aus Fürth stellten sich auf und das Spiel ging weiter. Aber keinesfalls so wie vorher! Nein, wir alle hatten neue Energie und spielten als ginge es um unser Leben. Es dauerte nicht lange, da schoss Leon das erste Tor. Wir jubelten und feierten Leon, dann ging es weiter. Unser Gegner schien müde und wütend. Die Spieler aus Fürth hatten damit gerechnet, dass wir jetzt genauso wenig Energie hatten wie sie. Dass wir ihnen jetzt allerdings überlegen waren, gefiel ihnen gar nicht. Sie schienen wie ausgewechselt. Plötzlich wurden die Wilden Kerle dauernd gefault und dann kamen drei von ihnen auf mich zu. Der Ball sauste zwischen ihren Füßen hin und her und ich hatte Schwierigkeiten hinterherzukommen. Plötzlich sah ich, wie der Junge ganz links ausholte und machte mich sofort bereit. Der Ball kam, allerdings in die Mitte des Tors und ziemlich schwach. Ich hielt die Kugel locker und spielte sie dann zu Joschka, der mir einmal zunickte, bevor er verschwand. Der Gegenspieler vor mir, dessen Tor ich gerade verhindert hatte, schaute mich überrascht an. "Hast du gedacht wir spielen Mädchenfußball, oder was?", fragte ich feixend und konzentrierte mich dann wieder auf das Spiel. Joschka hatte die Kugel Vanessa zugepasst und die lief jetzt zum Tor. Als sich mehrere Gegner auf sie stürzen wollten, spielte sie den Ball ab und zwar zu Nerv. Und der machte das Ding rein! Jetzt stand es 2:0 für uns. Der Ball kam wieder ins Spiel und landete sofort bei Klette, die zu Raban spielte. Oder spielen wollte, denn ein stämmiger Junge vom FSV Fürth schnappte sich die Kugel und rannte in meine Richtung. Der Junge rannte auf mich zu und ich ging schonmal leicht in die Knie. Kein einziger Wilder Kerl war in der Nähe und konnte ihm den Ball abnehmen, also lag es jetzt an mir, denn der Schuss würde kommen. "Alles ist gut, solange du wild bist", machte ich mir Mut und dann kam der Schuss. Ich schaute auf den Ball und bemerkte, dass er leicht nach rechts flog und nicht sehr hoch ging. Ich hechtete nach rechts und wehrte den Ball mit meinem Knie ab. "Das gibt es nicht!", hörte ich eine Stimme rufen, "Die kann noch gar nicht gesehen haben wohin der fliegt!" Ich kickte den Ball zu Joschka, der mittlerweile bei mir angekommen war, und das Spiel ging weiter. Ich entdeckte Willi, der schräg hinter mir stand und fragte ihn, wie lange wir noch zu spielen hatten. "Noch 20 Minuten. Den hast du eben übrigens wirklich gut gefangen." Ich nickte und bedankte mich, dann fokussierte ich mich wieder auf das Geschehen auf dem Spielfeld. Die Wilden Kerle beherrschten deutlich das Spiel und so hatte ich in der nächsten Zeit nichts mehr zu tun. Ich sah gerade, wie der Schiedsrichter die Pfeife in Richtung Mund hob und genau da, kam ein Junge mit dem Ball auf mich zu. Ich ging leicht in die Knie und hoffte auf den Abpfiff bevor der Schuss kam, aber ich wurde enttäuscht. Der Fürther holte aus und schoss. Ich beobachtete seinen Fuß und den Ball, dann sprang ich in die linke obere Ecke und tatsächlich flog der Fußball genau dorthin. Ich faustete den Ball weg und dann war das Spiel zu Ende. Die Wilden Kerle rannten alle zu Willi und ich schloss mich an. Wir machten eine große Gruppenumarmung. Maxi und Markus gratulierten mir zu dem gelungenen Spiel und ich küsste Maxi vor Freude. Wir feierten unseren Sieg, der uns ins Finale gebracht hatte. "So Leute, jetzt geht es erstmal zum Mittagessen. Das Finale ist erst um 14 Uhr, also in 1 1/2 Stunden." Wir gingen alle zusammen zum Mittagessen. Ich verlangte diesmal eine ziemlich große Portion zum Mittagessen und die Frau hinter der Theke strahlte. "Geht es dir besser?", erkundigte sie sich. "Ja, vielen Dank. Und wir sind im Finale!" "Wow, dann noch ganz viel Glück und lass es dir schmecken!" Ich bedankte mich lächelnd und setzte mich zu den anderen Wilden Kerlen. Wir redeten über unser gewonnenes Spiel und keinem von uns konnte man das Grinsen aus dem Gesicht wischen. Als alle fertig gegessen waren gingen wir zur Sporthalle und ich verbrachte die restliche Zeit bis zum Spiel mit Maxi und Markus. Ich würde auch beim Finale im Tor stehen und Maxi würde endlich wieder mitspielen. Joschka blieb erstmal draußen und Markus mit seinem Arm sowieso. Um 13:45 Uhr standen wir alle auf Platz 1. Wir hatten unsere besten Trikots an und konnten es kaum mehr erwarten endlich zu spielen. Für das Finale war extra ein Kommentator eingeflogen. Wir wärmten uns erstmal richtig auf, dann ertönte ein Räuspern. Der Kommentator hatte seinen Platz eingenommen und das hieß, dass es gleich los ging. "Jetzt wird es ernst", sagte Willi. Wir versammelten uns wieder in einem Kreis und machten uns Mut und Kraft.

Die Wilden Kerle und die StilleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt