38- Ich dachte du vertraust mir!

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_Zeitsprung: 2 Monate später_

Kim pov

Es war jetzt zwei Monate her, dass ich Ben kennengelernt hatte. Mittlerweile waren wir richtig gute Freunde und er war für mich wie der Bruder, den ich nie hatte. Natürlich war Markus weiterhin mein bester Freund, aber trotzdem hatte Ben mehr die Rolle des Bruders. Mit Maxi hatte ich in letzter Zeit nicht so viel gemacht, denn er hatte mich kaum noch gefragt und dann wollte ich ihn auch nicht nerven, indem ich fragte. Stattdessen trieb ich mich im Tierheim herum und das am liebsten mit Ben. Meistens gingen wir mit Fee und Dexter spazieren. Dexter oder auch Dex, wie Ben ihn nannte, hatte Ben sofort an seinen verstorbenen Hund erinnert und die beiden waren ein tolles Team, genauso wie Fee und ich. Die Hündin war mittlerweile wirklich zutraulich geworden und ließ sich auch mal von Gabi oder Ben streicheln. Auch jetzt gerade waren wir zu viert unterwegs und an der Wiese ließen wir die Hunde wie immer von der Leine und setzten uns ins Gras. Der April brachte dieses Jahr sehr gutes Wetter mit sich und ich hatte meine richtig dicken Klamotten bereits in die Tiefen meines Kleiderschranks geschoben. Ich lachte gerade über einen Witz von Ben, als ich eine Nachricht bekam. Ich entsperrt mein Handy und ging auf Whatsapp. Die Nachricht war von Maxi. "Wenn du mich ersetzt hast, dann sag es mir doch einfach und mach es nicht hinter meinem Rücken!", las ich erstaunt vor. Ich hielt Ben mein Handy unter die Nase und zeigte das beigefügte Bild. Ben und ich waren zu sehen, wie wir uns umarmten. "Maxi glaubt doch nicht etwa, dass wir zusammen sind, oder?" "Doch, ich fürchte schon", bestätigte ich. Schnell tippte ich eine Antwort an meinen Freund. Dann gab ich meinem 'Bruder' mein Handy und er las die Nachricht laut durch. "Lass uns darüber reden. Ich bin in 10 Minuten bei dir." Er nickte und wir standen auf. Einmal pfeifen und die Hunde kamen zu uns. Wir beeilten uns zurück zum Tierheim zu kommen, dort verabschiedeten wir uns und ich fuhr zu Maxi. Mein Motorrad stellte ich in der Einfahrt ab und hängte meinen Helm über den Lenker. Dann klingelte ich an der Haustür und Maxi öffnete. "Komm rein." Ich folgte ihm ins Haus und hoch in sein Zimmer. Dort fand er dann endlich seine Sprache wieder und plapperte mich voll. Irgendwas von Betrügen, Ben, Mistkerl, Liebe, mieser Aktion und einige andere Dinge, die ich akustisch nicht verstand. Jedesmal wenn ich ihn unterbrechen wollte, wurde seine Stimme lauter und ließ mich wieder verstummen. Mittlerweile schrie er mich schon fast an und dann reichte es mir. "Hör auf!", schrie ich und mein Freund verstummte tatsächlich. "Lass es mich erklären", bat ich. "Brauchst du gar nicht mehr. Du bist mit diesem blöden Ben zusammen und ich bin abgeschrieben. Anscheinend hatte der Freund deiner Mutter Recht, was deinen Verschleiß an Männern angeht." "Das hast du nicht gesagt." "Oh doch, das habe ich. Denn genau so ist es!" Seine Stimme war wieder lauter geworden. Und auch ich hob die Stimme als ich ihm antwortete. "Ich dachte du vertraust mir!" "Wie denn? Du triffst dich hinter meinem Rücken dauernd mit diesem Jungen! Es ist offensichtlich, dass ihr verliebt seid, wenn nicht sogar schon zusammen!" "Das stimmt doch gar nicht! Ich treffe mich nur immer mit ihm, weil du mich nicht mehr nach Treffen fragst und ich dich nicht nerven will! Ich dachte das wäre der Grund, warum du mich meidest!" "Und jetzt ratterst du auch noch irgendwelche billigen Ausreden runter! Glaubst ich nehme dir diese Geschichte ab? Du bist eine Lügnerin! Und ein Feigling! Du traust dich nicht mit mir Schluss zu machen!" "Ich will nicht mit dir Schluss machen, Maxi! Ich liebe dich!" "Nein tust du nicht. Du liebst Ben. Und deshalb ist es aus zwischen uns!" Entsetzt sah ich den Jungen vor mir an. "Ist das dein letztes Wort?", fragte ich mit tränenerstickter Stimme. Maxi nickte nur stumm. Ich drehte mich um, rannte die Treppe runter und fuhr weg. Die Tränen liefen meine Wangen herunter und mein Herz tat mehr als nur weh. Zu Hause stellte ich die Maschine ab und lief in mein Zimmer. Ich schrieb Markus, dass Maxi Schluss gemacht hatte und ich jemanden zum Reden brauchte. "Dann geh doch zu deinem Ben. Deinem Neuen." Geschockt las ich mir die zwei Sätze immer wieder durch. Das durfte einfach nicht wahr sein. Der Tränenfluss wurde größer. Ich tippte eine Nachricht an Vanessa, dass ich heute nicht zum Training kam und sie es Willi sagen sollte. Dann schrieb ich Ben und bat ihn herzukommen. Er bejahte sofort und 15 Minuten später stand er in meinem Zimmer. Als er mein verheultes Gesicht sah, nahm er mich sofort in die Arme. "Hey, Kleines, ssshhhhhh, was ist los? Was ist passiert?" "Maxi, ha-hat Sch-Schl-Schluss ge-macht", schniefte ich in sein Shirt. "Was? Wieso das denn?" Und dann erzählte ich ihm alles. Von Maxi und dem was er gesagt hatte, bis hin zu Markus und dem was dieser geschrieben hatte. Als ich endete nahm Ben mich noch fester in den Arm. "Die sind doch nur eifersüchtig. Sie haben Angst dich zu verlieren." "Nein Ben, Sie vertrauen mir nicht mehr. Die wichtigsten Personen in meinem Leben vertrauen mir nicht mehr. Jetzt hab ich nur noch dich, meinen Bruder." "Hey, jetzt sieh das alles nicht so schwarz, Maus. Morgen sieht die Welt schon anders aus. Dann haben die beiden Jungs sich bestimmt beruhigt und ihr könnt das alles klären." "Danke Ben. Dass du für mich da bist." "Jederzeit, das weißt du doch." Ich nickte. "Ja, das weiß ich." "Na komm. Du machst dich jetzt frisch und ziehst dir was schönes an und dann lade ich dich heute Abend auf ein Essen ein. Wenn die schon alle glauben, dass wir zusammen sind, dann können wir das ja einfach machen." "Gute Idee. Ich brauche jetzt dringend Ablenkung. Aber ich muss kein Kleid anziehen, oder?" "Nein keine Sorge. Aber etwas Warmes." "Okay, kommst du in einer Stunde und holst mich ab? Dann bin ich fertig." Ben nickte und verabschiedete sich. Ich ging ins Badezimmer unter die Dusche. Anschließend glättete ich meine Haare und flocht einen holländischen Zopf, der quer über meinen Hinterkopf ging. Ich schminkte mich etwas und ging dann in mein Zimmer. Auf frische Unterwäsche folgten eine schwarze Hose, ein rosa Pullover und schwarze Stiefel (Outfit oben). Die wichtigsten Kleinigkeiten packte ich in eine kleine Tasche, dann lief ich die Treppe runter. Meine Mutter grinste mich an. "Was ist los?", fragte ich irritiert. "Da wartet ein junger Mann auf dich. Ben." "Ich weiß, wir sind verabredet." "Und was ist mit Maxi?", fragte sie misstrauisch nach. "Der hat heute mit mir Schluss gemacht, aber ich bin trotzdem nicht mit Ben zusammen. Er ist einfach wie ein großer Bruder für mich." "Maxi hat Schluss gemacht? Wieso das denn?" Meine Mutter schien wirklich schockiert. "Das erzähle ich dir wann anders, jetzt bin ich verabredet." "Na klar, hier eine Jacke und vielleicht solltest du auch Handschuhe mitnehmen. Ben meinte es könnte kalt werden." Meine Mutter half mir beim Anziehen der Jacke und stopfte mir noch ein Paar Handschuhe in die Taschen. Dann ließ sie mich gehen, mit der Bitte nicht allzu spät nach Hause zu kommen. "Mama, es ist Freitag. Morgen ist Samstag, also kann ich ausschlafen." "Jaja, aber lass es bitte trotzdem nicht viel zu spät werden." Ich nickte ergeben und verließ dann das Haus. Ben wartete in der Einfahrt. Er trug eine Jeans und ein Shirt. Genauso wie ich hatte er ein dicke Jacke an und zu meinem Erstaunen einen Korb in der Hand. "Gehen wir picknicken oder was?", fragte ich belustigt. "Sowas ähnliches, aber nicht so kalt wie auf einer Decke." Er holte sein Motorrad aus dem Schatten und ich tat es ihm gleich. Ich zog vorsichtig den Helm über meinen Kopf, aus Rücksicht auf die Frisur, dann fuhren wir los. Ich folgte Ben bis ich irgendwann überhaupt keine Ahnung mehr hatte wo wir waren. In diese Richtung Grünwalds hatte ich mich bis jetzt noch nicht bewegt, aber ich wusste dass Ben hier in der Nähe wohnte. Irgendwann kam der dunkelhaarige Junge mit seiner Maschine zum Stehen. Wir stiegen ab, versteckten unsere Motorräder und die Helme etwas im Gebüsch und Ben nahm meine Hand. "Augen zu", befahl er und ich tat es. Er führte mich langsam und vorsichtig einen Hügel hinauf und blieb dann stehen. "Jetzt darfst du deine Augen aufmachen." Ich blinzelte vorsichtig und machte dann große Augen. Vor mir stand ein Wohnwagen und dahinter erstreckte sich ganz Grünwald und am Tag konnte man mit Sicherheit noch einige Orte mehr erkennen. "Mein Onkel und ich haben früher manchmal ein Wochenende im Wohnwagen irgendwo verbracht und wir haben ihn mitgenommen beim Umzug. Und da drin werden wir jetzt essen." "Das ist so cool. Ich wollte früher immer mal campen gehen oder sowas in die Richtung. Aber wir haben das nie gemacht." "Na dann hast du ja jetzt die perfekte Gelegenheit." Ich folgte Ben die letzten Schritte zum Wohnwagen, er schloss auf und wir gingen rein. Ben machte im ganzen Wagen viele elektrische Kerzen an, die den Raum in wunderschönes Licht tauchten. Wäre ich in Ben verliebt, wäre das mit Sicherheit ein tolles und sehr romantisches Date gewesen, aber so war es ein tolles Essen unter Geschwistern mit einer richtig coolen Aussicht auf die Lichter der Stadt. Wir setzten uns an den kleinen Tisch und Ben packte den Inhalt des Korbes aus. "Ich dachte Schnitzel und Pommes magst du bestimmt. Und natürlich Ketchup, weil du keine Mayonnaise und keinen Senf magst. Und zum Nachtisch gibt es Mousse au Chocolat." "Wo hast du das alles jetzt her?" "Meine Mutter war auf einem Geburtstag, wo es selbstgemachte Schnitzel und Pommes gab und hat etwas mitgenommen und weil sie eben erst zurückgekommen ist, ist es auch noch warm. Und das Mousse hat sie heute Mittag selber gemacht." "Wow, und der ganze Aufwand nur weil ich Liebeskummer habe. Das wäre doch nicht nötig gewesen." "Doch, das war unbedingt nötig. Ablenkung ist ganz wichtig und deshalb denken wir jetzt nicht mehr an die anderen, sondern essen Schnitzel." Mit diesen Worten lud er mir den Teller voll mit Essen und schon beim ersten Bissen konnte ich sagen, dass es super lecker war. Wir unterhielten uns die ganze Zeit über, teilweise, völlig unwichtige und abstrakte Themen. Der Nachtisch war auch total lecker und nach dem letzten Löffel fühlte ich mich richtig voll und auf jeden Fall satt. Ben schaute auf die Uhr. "Es ist schon echt spät, ich glaube es wäre besser wenn wir hier übernachten. Bis wir jetzt zu Hause sind-" "Hast du Sachen zum Schlafen hier?" "Ja, klar da finden wir was." "Okay, dann schreibe ich schnell meiner Mutter, dass ich bei dir übernachte." "Ich sage meiner Mutter auch Bescheid und mache dann hinten das Bett zurecht." Wir machten es so und ich entschied mich meiner Mutter nicht zu schreiben, sondern sie anzurufen, damit die Nachricht auch auf jeden Fall ankam. Meine Mutter nahm das relativ locker und wünschte mir einfach viel Spaß. Als ich aufgelegt hatte drehte ich mich um und knallte in Ben, der mir gerade Klamotten entgegenhielt. "Das ist ein Shirt von mir und die Hose ist eine Pyjamahose von meiner Mutter. Frag mich nicht, wo das Oberteil dazu abgeblieben ist." "Danke, ich gehe kurz aufs Klo und ziehe mich um. Ich zwängte mich in das kleine Bad, machte eine Katzenwäsche und machte dann Platz für Ben. Dieser hatte in der Zwischenzeit das Bett im hintersten Teil des Wohnwagens hergerichtet und ich ließ mich auf die eine Hälfte fallen. Meine Socken ließ ich an, da es ziemlich kalt hier drin war, und meine Füße immer sehr schnell kalt wurden und dann erkältete ich mich. Es dauerte nicht lange bis Ben sich neben mich legte. Er umarmte mich von hinten und ich kuschelte mich an seine Brust. "Danke. Für alles was du heute für mich getan hast und ganz besonders für diesen Abend." "Das war selbstverständlich, Kim. Du bist wie die kleine Schwester, die ich nie hatte, und ich würde alles für dich tun. Ich hoffe du weißt das." "Ja das weiß ich und das beruht auf Gegenseitigkeit." "Das ist schön. Schlaf jetzt, es war ein anstrengender Tag." "Ja, das war es wirklich. Gute Nacht, Ben." "Gute Nacht Kim." Kurze Zeit später war ich in einen ruhigen Schlaf abgedriftet.

Wörter: 2062

Die Wilden Kerle und die StilleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt