58- Das soll wohl heißen: Sie haben Ihr Ziel erreicht

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Kim pov

Mein Wecker riss mich um acht Uhr morgens aus dem Schlaf. Noch im Halbschlaf entsperrte ich mein Handy und ließ somit die Stimme von Olly Murs verstummen. Es bedurfte einiger Blinzler bis ich meine Augen vollständig öffnen konnte. Helle Sonnenstrahlen durchfluteten mein Zimmer mit Licht und ich setzte mich auf. Auf ein ausgiebiges Strecken folgte ein noch ausgiebigeres Gähnen, dann stand ich auf. Meine Beine trugen mich in mein Badezimmer, wo ich mich erstmal unter die Dusche stellte. Summend shampoonierte ich meine Haare ein und wusch anschließend alles von meinem Körper. In ein kuscheliges Handtuch eingewickelt tapste ich zurück in mein Zimmer, zog mir frische Unterwäsche an und stellte mich dann vor meinen Kleiderschrank. Nach einer gefühlten Ewigkeit kam ich auf die schlaue Idee mal nach dem Wetter für heute zu schauen. Meine App verriet mir, dass es sowohl in Grünwald, als auch in Hamburg ziemlich warm werden sollte. Ich stellte mich also erneut vor den Kleiderschrank und hatte mich binnen zehn Minuten für etwas entschieden (Outfit oben). Ich zog mich an und ging dann ins Bad, wo ich meine Haare glättete. Etwas schminken, Haargummi ums Handgelenk, dann stand ich fix und fertig in meinem Zimmer. Ich kippte mein Zimmerfenster, um ein wenig durchzulüften und machte mein Bett, dann lief ich die Treppe runter in die Küche. Meine Mutter saß am Tisch und nippte gerade an ihrer Kaffeetasse. "Guten Morgen Mama", begrüßte ich sie lächelnd und setzte mich auf meinen Stuhl. Ich griff in die Tüte vom Bäcker und holte mein Lieblingsbrötchen heraus. Ich bestrich es mit Nutella und biss einmal kräftig ab. Sobald ich den ersten Bissen runtergeschluckt hatte, wandte ich mich an meine Mutter. "Wann kommt Ben?" "In einer Viertelstunde. Hast du gut geschlafen?" "Ja, danke. Und du?" "Mhm, ganz gut." Ich wusste, dass das gelogen war. Sie hatte Liebeskummer und keine Busenfreundin, die sie mit einer riesigen Schüssel Schokoladeneis und Unmengen an Nicholas Sparks Filmen aufheitern würde. Meine Mutter hatte nur mich, ich hatte sie, wir hatten uns. Ich beschloss, dass sobald wir wieder in Grünwald waren, ich eine große Packung Schokoladeneis kaufen würde. Das war das Lieblingseis meiner Mutter und davon hätte sie sich ernähren können. Mir ging es genauso, aber nicht mit Schokoladeneis, sondern mit Stracciatella,  dem leckersten Eis der Welt. Aber um über Eis nachzudenken hatte ich noch ein anderes Mal Zeit, jetzt beeilte ich mich mit dem Frühstücken. Das Brötchen war schnell gegessen, ich trank mein Glas Orangensaft aus und wusch mir einen Apfel. Mit dem eingeklemmten Apfel zwischen den Zähnen räumte ich den Tisch ab und die Spülmaschine ein. Gerade als ich fertig war, klingelte es. Ich joggte zur Haustür und öffnete. Ben umarmte mich sofort und ich erwiderte nur zu gerne. Wir waren ein Herz und eine Seele, vor allem seit wir wussten, dass wir wirklich Geschwister waren. Seine Mutter stand hinter ihm und beobachtete uns lächelnd. Ben und ich lösten uns voneinander und ich nahm den Apfel aus meine Mund. "Kommt doch rein." Ich ging einen Schritt zur Seite und Ben und seiner Mutter traten ein. "Mama, sie sind da!", rief ich laut und meine Mutter kam aus der Küche. Die beiden Frauen begrüßten sich und gingen nochmal ins Wohnzimmer, um einiges zu besprechen, Ben und ich gingen währenddessen in mein Zimmer. "Setz dich wohin du willst", sagte ich und ging zum Fenster, um es zu schließen. Dann setzte ich mich auf meine extrabreite Fensterbank und ließ ein Bein baumeln, während ich das andere an meinen Körper zog. "Glaubst du wir finden es?", fragte Ben, der es sich auf meinem Schreibtischstuhl bequem gemacht hatte. "Ich hoffe es. Ich hoffe, dass Juli uns helfen wird." "Glaubst du er passt auf die Erfindung auf und hilft uns, sie zu benutzen?", fragte mein Bruder. "Ja. Ich glaube es. Oder hoffe, das weiß ich noch nicht so genau. Glaubst du Papa freut sich, dass wir uns gefunden haben?" Die Frage war einfach aus meinem Kopf auf meine Zunge gerutscht, aber ich bereute sie nicht. "Wie kommst du darauf?" "Na ja, ich denke Juli passt jetzt auf Joschka auf und Papa passt vielleicht auf uns auf. Und er sieht uns vom Himmel aus und freute sich, dass wir uns jetzt gefunden haben. Vielleicht hat er das sogar irgendwie ins Rollen gebracht und dafür gesorgt, dass wir uns kennenlernen." "Ich hoffe es. Aber jetzt sollten wir über andere Dinge, als über Verstorbene reden." Ich nickte. "Was glaubst, was wir finden werden? Also wenn wir das Haus finden und da noch Sachen von ihm sind." Ben zuckte mit den Schultern und antwortete: "Ich weiß es nicht. Irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass wir die echte Besitzurkunde finden. Das wäre zu einfach. Vielleicht hat er sie in sein Testament mit eingebracht. Aber er hat ja nie in Hamburg gelebt, sondern nur seine Frau. Die Frage ist, ob sie überhaupt von dem Dokument wusste. Vielleicht hat er es ja doch hier in Grünwald versteckt. Ich habe keine Ahnung, wir sollten uns einfach überraschen lassen." "Ja, das denke ich auch." Der Ruf unserer Mütter ertönte und Ben und ich gingen runter ins Wohnzimmer, wo wir bereits erwartet wurden. "Wir müssen los", erklärte meine Mutter. Ben wurde gedrückt und geküsst, dann verließ seine Mutter unser Haus und wünschte uns viel Glück bei der Suche. Ich holte meinen Rucksack und meinen Koffer aus meinem Zimmer, schaute ein letztes Mal, dass ich nichts vergessen hatte und ging dann zu den beiden anderen. Wir verfrachteten die Koffer ins Auto und Ben und ich quetschten uns auf die Rückbank, da wir zusammensitzen wollten. Es dauerte etwas, bis wir den Bahnhof in München erreicht hatten. Wir schauten auf der großen Digitalanzeige nach unserem Zug und dem Gleis. "Ich hab es, Gleis 7!", rief ich stolz. Mit unserem Gepäck im Schlepptau machten wir uns auf den Weg. Das Gleis war nicht sehr voll, da es noch ziemlich früh war. Viele Menschen schauten uns komisch an. Wahrscheinlich dachten sie, wir müssten eigentlich in der Schule sein, was ja auch stimmte. Aber heute war eine Ausnahme. Wir mussten fünf Minuten warten, dann fuhr der ICE ein. Wir standen ziemlich gut, denn die Tür, durch die wir zu unseren reservierten Plätzen kamen, war nur zwei Meter neben uns. Wir gingen hin, die Rollen der Koffer hinterließen das bekannte Geräusch auf dem Boden. Es stiegen zwei Leute aus, dann konnten Mama, Ben und ich einsteigen. Meine Mutter ging voran und fand relativ schnell unsere Plätze. Wir hievten die Koffer auf die Ablagen und setzten uns. Ben und ich saßen nebeneinander und meine Mutter saß und gegenüber. Ich hatte den Platz am Fenster ergattert und schaute draußen dem Trubel zu. Wir warteten etwas und dann fuhr der Zug endlich los. Die allbekannte Begrüßung der Deutschen Bahn ertönte aus den Lautsprechern und Ben und ich grinsten uns an. Während die anderen jetzt in der Schule saßen, waren wir auf dem Weg nach Hamburg. Ich holte ein Fußballquartett aus meinem Rucksack und Ben und ich begannen zu spielen. Wir konnten uns eine ganze Weile damit beschäftigen. Eine Stunde lang spielten wir, dann packte ich die Karten wieder ein. "Ich sehe was, was du nicht siehst und das ist blau", sagte Ben. Ich schaute mich um und begann zu raten. "Die Sitze? Die Jacke von dem Mann da vorne? Meine Augen? Deine Jeans? Die Bluse meiner Mutter? Die Haargummis von dem Mädchen da? Das Brillengestell von dem Typ dahinten?" Jedesmal schüttelte Ben den Kopf. "Hell- oder dunkelblau?", fragte ich, um meine Chancen etwas zu erhöhen. "Hellblau." "Der Himmel?" Kopfschütteln. "Jetzt hab ichs,  das Kissen von dem kleinen Mädchen da!", rief ich und tatsächlich nickte Ben dieses Mal. "Ha! Jetzt bin ich dran. Ich sehe was, was du nicht siehst und das ist grün." Die nächsten zwei Stunden verbrachten wir mit "Ich sehe was, was du nicht siehst". "Wie lange noch?", fragte ich meine Mutter, nachdem ich erraten hatte, dass die Frau am Ende des Raumes rote Schuhe trug. "Noch zwei Stunden." "Willst du was mit uns spielen? Ich habe noch Carcassonne dabei." "Okay, das spiele ich nämlich auch gerne. Wann haben wir das eigentlich zum letzten Mal benutzt?" "Keine Ahnung, aber als ich es im Wohnzimmer gefunden habe, habe ich mich sofort erinnert, dass wir das früher immer gespielt haben. Welche Farbe möchtest du sein?" "Gelb bitte." Ben nahm die roten Männchen und ich die Grünen. Dann erklärten Mama und ich Ben, wie man Carcassonne  spielte. Da wir keine Erweiterung besaßen, spielten wir auch ohne Wiese. Ich hatte das mit den Wiesen sowieso nie so richtig verstanden. Es machte sehr viel Spaß die Karten aneinander zu legen und Burgen und Wege zu bauen, weshalb wir das Spiel noch einige Male wiederholten. Irgendwann schaute meine Mutter auf die Uhr. "Wahnsinn wie die Zeit vergeht, wir sind gleich da." Bewegung kam in uns. Wir packten alles zurück in die Rucksäcke und schon kam die Durchsage. Ich hörte mit halbem Ohr zu, während ich Ben und meiner Mutter half, das Gepäck von der Ablage zu hieven. Wir schauten nochmal, dass wir auch nichts vergessen hatten, dann stellten wir uns an die Tür und warteten auf die Einfahrt in den Bahnhof von Hamburg. Gespannt schaute ich durch das Fenster in der Tür und dann kam endlich der Bahnhof. Ich sah unzählige Menschen und regen Betrieb. Langsam kam der ICE zum stehen und dann erleuchtete endlich das grüne Symbol an der Tür. Ich drückte den Knopf und schon ging die Tür auf und ich kletterte die drei Treppenstufen nach unten. Ben und meine Mutter folgten mir und wir warteten erstmal bis der Betrieb etwas weniger geworden war. Dann verließen wir den Bahnsteig und auch das große Bahnhofsgebäude. Auf der Straße war nicht ganz so viel los. "Wir müssen über die Straße und dann rechts abbiegen", erklärte meine Mutter. Wir schauten nach links, nach rechts, wieder nach links und überquerten dann die Straße. Es dauerte nicht lange und wir standen vor dem Autoverleih. Ben und ich ließen uns auf zwei Sessel fallen, während meine Mutter das gemietete Auto holte. Es dauerte 20 Minuten, dann stand sie mit einem neongrünen Kleinwagen vor uns. "Es fällt bestimmt nicht auf wenn wir in einem neongrünen Auto hin- und herfahren", bemerkte ich sarkastisch. "Es gab kein anderes mehr und wenn dieses Ding in deiner Hand funktioniert, dann fahren wir ja nicht ziellos durch die Gegend. Und jetzt steigt ein." Ich seufzte und zwängte mich zusammen mit Ben und Hadschis Erfindung auf die Rückbank. "Was soll ich eingeben?", fragte ich ratlos. "Ich suche das Haus, in dem mein Vater und seine Mutter gewohnt haben", schlug Ben vor. Ich nickte und tippte es ein. Erst passierte nichts und ich machte mir Sorgen, dass das Gerät vielleicht kaputt sein könnte,  aber dann hörte ich ein leises Surren und die Nadel begann sich zu regen. Sie zeigte nach links. Meine Mutter startete den Wagen und fuhr aus der Einfahrt des Autohauses. Wir folgten einer gefühlten Ewigkeit der Pfeilrichtung, bis das Ding ein leises Fiepen von sich gab. "Das soll wohl heißen: Sie haben Ihr Ziel erreicht", scherzte Ben. Ich schaute aus dem Fenster und sah ein kleines, weinrotes Haus. "Das wird es dann wohl sein", sagte Mum. Wir standen auf, setzten unsere Rucksäcke auf und ich nahm die Erfindung ebenfalls mit. "Schmitt", las ich den Namen über der Klingel. Fragend schaute ich hinter mich, wo Ben und meine Mutter nickten. Ich atmete tief durch und klingelte. Im Haus kam etwas in Bewegung und kurze Zeit später wurde die Tür geöffnet. Eine relativ kleine Frau mit schneeweißen Haaren und einigen Falten im Gesicht öffnete die Tür. "Besuch?", fragte sie überrascht. "Können wir reinkommen und Ihnen alles erklären?", fragte ich unsicher. "Ähm, ja, immer hineinspaziert." Sie ging einen Schritt zur Seite und ich betrat dankend das Haus. Ben und meine Mutter folgten mir und wir wurden ins Wohnzimmer geführt. Wir setzten uns auf ein tannengrünes Sofa und die Hausbesitzerin setzte sich uns gegenüber auf einen Sessel. "Also, was führt euch zu mir?", fragte sie. "Ähm, also ich heiße Kim Steier, das ist mein Halbbruder Ben Brehmer und meine Mutter Katrin Steier. Es geht um dieses Haus. Der Vater von Ben und mir hat als Kind hier gelebt, zusammen mit seiner Mutter und sie hatten ein Dokument bei sich, das für uns sehr wichtig ist. Von wem haben sie dieses Haus gekauft?" "Mein altes Haus ist abgebrannt und dann hat eine gute Freundin von mir dieses Haus entdeckt und gesehen, dass es zum Verkauf frei stand. Und da habe ich zugeschlagen. Der Mann, der es mir verkauft hat, hieß Konrad Sichel und er hat hier auch vorher drin gewohnt. Aber dann hat er geheiratet und ist mit seiner Frau und seiner Tochter in ein größeres Haus gezogen." "Okay, vielen Dank Frau Schmitt", sagte ich und wandte mich dann an Mama und Ben, "Was machen wir jetzt?" "Hadschis Erfindung." Ich nickte und nahm das Ding auf meinen Schoß. "Was soll ich eingeben?" "Wo ist die Besitzurkunde vom Teufelstopf?", antwortete meine Mutter fragend. Ich tippte genau das ein und wir arteten wieder. Es dauerte nicht ganz so lang wie im Auto, dann bewegte sich die Nadel nach unten, wo ein Aufkleber klebte, auf dem "MÜDE" stand. "Das darf ja wohl nicht wahr sein", ärgerte ich mich. "Frau Schmitt, würden sie uns erlauben morgen nochmal zu kommen? Unsere Suchmaschine ist müde." "Natürlich, aber würden Sie mir vielleicht mal erklären, was sie überhaut suchen?" Und dann erzählten wir. Angefangen bei den Wilden Kerlen und Willi, unserem Trainer, bis hin zu Erik und dem Teufelstopf in Gefahr. Frau Schmitt hörte aufmerksam zu und holte sogar zwischendurch noch Kekse. Als wir fertig erzählt hatten schaute meine Mutter auf die Uhr. "Es ist schon relativ spät und wir müssen unser Hotel noch finden. Vielen Dank Frau Schmitt. Wenn es Ihnen Recht ist, kommen wir morgen Mittag wieder." Die alte Frau nickte und brachte uns zur Haustür. "Na ja, irgendwie war das ja schon ein Erfolg", sagte Ben und ich nickte seufzend. "Wir müssen sehen, was morgen passiert. Aber jetzt erstmal zum Hotel, ich bin nämlich müde und habe Hunger." Die Fahrt zum Hotel dauerte etwas und nachdem wir dort die organisatorischen Sachen geklärt hatten, bekamen wir unsere Zimmer zugewiesen. Es waren zwei Zimmer, ein Doppelzimmer und ein Einzelzimmer. Mum bekam das Einzelzimmer und Ben und ich würden zusammen schlafen. Ich kippte meinen Koffer neben meinem Bett um und zog seufzend den Reißverschluss auf. Eigentlich hatten wir heute viel erreicht, aber trotzdem konnte ich mich nicht freuen. Ich hatte Angst, was Erik wohl in diesem Moment tat und ob er vielleicht schon Maschinen bestellt hatte, um den Teufelstopf zu vernichten. Ich zog meine Schlafsachen und meine Toilettentasche heraus und ging ins Bad. Die Klamotten streifte ich mir langsam vom Körper, bevor ich mein Spiegelbild anschaute. Die blauen Haarsträhnen fielen mir wirr ins Gesicht, mein Augen-Make-Up war etwas verwischt, meine Augen trüb und meine Lippen spröde. Ich wusste nicht, warum ich so unglücklich war. Eigentlich war fast alles perfekt. Ich hatte einen Bruder, einen besten Freund, einen festen Freund, eine Fußballmannschaft und meine Mutter hatte ihren furchtbaren Freund in den Wind geschossen, aber trotzdem konnte ich mich nicht freuen. Seufzend hielt ich eine meiner Haarsträhnen hoch. Selbst die blaue Farbe brachte mich nicht zum grinsen. Ich stieg frustriert in die Dusche. Eiskaltes Wasser prickelte auf meine Haut und ließ mich im ersten Moment erschrocken zusammenfahren. Ich gewöhnte mich jedoch schnell daran und genoss die tausend kleinen Nadelstiche. Ich griff nach meinem Shampoo. Selbst der betörende Duft von Mango und Pfirsich könnte mir kein Lächeln auf die Lippen zaubern. Ich shampoonierte mich ein, dann wusch ich den gesamten Schaum wieder ab und verließ anschließend die Dusche. Ich zog meine Schlafsahen an und föhnte dann meine Haare am Ansatz etwas an. Für den Rest war ich zu faul, denn meine Haare waren mittlerweile ziemlich lang geworden. Ich räumte meine Sachen etwa beiseite und verließ dann das Bad, damit Ben sich auch noch fertig machen konnte. Ich setzte mich auf mein Bett und holte mein Handy hervor. Es gab jetzt eine Whatsapp-Gruppe mit dem Namen "Rettet den Teufelstopf!" und in dieser hatten die Wilden Kerle gefragt, was wir schon herausgefunden hatten. Ich machte ein Audio und erzählte, was heute alles passiert war, dann wartete ich auf Antworten. Die erste Nachricht die ich bekam war von Maxi im Privatchat. "Hey, du klangst in dem Audio nicht so gut. Hab mir Sorgen gemacht. Probleme?" Ich seufzte, dieser Junge merkte aber auch alles! "Nein, mir geht es gut. Nur müde", beeilte ich mich zu antworten und hoffte, dass er es mir abnahm. Es dauerte nicht lange bis er mir antwortete. "Ich weiß genau, dass du lügst. Dir geht es genauso wie mir und den anderen Wilden Kerlen. Der Teufelstopf ist unser Ort, unser Herz hängt daran und jetzt verlieren wir ihn vielleicht. Du bist nicht die Einzige, die unglücklich und deprimiert ist. Aber Kopf hoch, wir schaffen das! Ich liebe dich😘" Ertappt las ich mir die Nachricht durch und antwortete dann: "Sorry, ich wollte nur nicht, dass du dir Sorgen machst. Wie lief es denn heute in der Schule? Irgendwas Besonderes? Ich liebe dich auch😘" Er antwortete, dass der Tag ziemlich langweilig gewesen war und erzählte, welche Lehrer wir hatten und wie der Stundenplan war. Ben kam irgendwann aus dem Bad und nach einem Blick auf die Uhr entschied ich, dass es Zeit war Maxis und meine Konversation zu beenden. Ben legte sich in sein Bett, welches sehr weit von mir entfernt war. Wir wünschten uns eine gute Nacht und dann herrschte Stille. Ich konnte jedoch nicht einschlafen und wälzte mich von einer Seite auf die andere. Ständig drehte ich meine Decke um, strampelte sie vom Bett oder zog sie bis zur Nasenspitze hoch. Irgendwann schaute ich auf den rotleuchtenden Wecker auf meinem Nachttisch. Es war drei Uhr morgens und ich hatte noch kein Auge zugetan. Leise seufzend stand ich auf und tapste zu Bens Bett. "Ben?", fragte ich leise in die Dunkelheit. "Was ist los?", kam nuschelnd die Antwort. "Ich kann nicht schlafen. Kann ich zu dir?" Die Augen meines Bruders öffneten sich vollständig und sämtliche Alarmglocken schienen zu läuten. War es so verwunderlich, dass ich mal nicht schlafen konnte? Er rutschte zur Seite und hob die Decke an. Schnell krabbelte ich darunter und kuschelte mich an meinen Bruder. "Was ist los, Kleine?", fragte Ben, während er mir durch die Haare fuhr. "Ich bin irgendwie total unglücklich und frustriert und deprimiert. Maxi hat mir geschrieben, dass es im Moment allen Wilden Kerlen so geht, wegen der Sache mit dem Teufelstopf. Er ist einfach etwas Besonderes für uns und ihn zu verlieren-" Ich unterbrach. Den Teufelstopf zu verlieren, würde das Ende der Wilden Kerle werden. Ben kraulte mir leicht den Rücken und ich schloss meine müden Augen. "Wir werden den Teufelstopf retten, das verspreche ich dir. Und ich-" "Halte meine Versprechen. Genaus dasselbe sage ich auch immer." "Tja, wir sind eben Geschwister. Und damit du es weißt. Ich wäre auch traurig, wenn der Teufeltopf nicht gerettet werden kann. Er ist etwas Besonderes und unersetzlich. Aber jetzt versuch an etwas anderes zu denken und zu schlafen. Morgen wird ein anstrengender Tag." Er drückte mir einen liebevollen Kuss auf die Stirn und kuschelte sich dann an meinen Rücken. Ich schloss meine Augen und brauchte nicht mehr lange, bis ich in einen traumlosen Schlaf abdriftete.

Wörter: 3213

Die Wilden Kerle und die StilleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt