12- Ich weiß nicht was ich machen soll!

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Willi pov

Ich musste nicht lange warten, da kam Kim über den Hügel gefahren. Sie rollte runter zu meinem Wohnwagen und blieb schließlich stehen. "Vielleicht muss ich doch mal reden", sagte sie leise und mit gesenktem Blick. "Setz dich", deutete ich auf den Platz neben mir. Sie ließ sich neben mir im Gras nieder. Ich sagte nichts, denn ich wusste, dass sie jeden Moment anfangen würde zu sprechen. Und ich sollte Recht behalten. Wenige Sekunden später brach es aus ihr heraus. "Ich weiß nicht was ich machen soll! Markus macht sich Sorgen um mich, aber ich will das nicht. Er soll glücklich sein und mich anlächeln und nicht so besorgt ansehen. Ist das zu viel verlangt? Ich hab mich nicht mehr unter Kontrolle, Willi! Ich will ihn anschreien und ihm sagen, dass ich es genauso haben will wie früher und dann will ich weinen, weil die Welt ohne ihn farblos ist und die Sonne von grauen Wolken verdeckt wird. Ich will wieder sein Lachen sehen, denn das vertreibt die Dunkelheit und lässt mich die Sonne sehen. Ohne ihn bin ich nichts. Ohne ihn lebe ich nicht mehr." Zum Schluss liefen ihr Tränen über die Wangen. Ich nahm sie vorsichtig in den Arm. "Du solltest Markus genau das sagen." "Das kann ich nicht." "Dann schreib es auf. Schreib ihm einen Brief. Als die Jungs Vanessa an Gonzo Gonzales verloren haben, haben sie ihr auch einen Brief geschrieben. Sie haben ihre tiefsten Gefühle und Gedanken darein gesteckt und genau so musst du es auch machen." "Aber ich kann sowas nicht, Willi." "Doch, du musst nur eins tun. Du musst aufschreiben, was dein Herz dir sagt." Sie nickte. Ich klopfte ihr kurz auf den Rücken, dann standen wir auf und Kim fuhr nach Hause. Ich war zuversichtlich, dass die beiden wieder zusammenfinden würden. Ich wollte gerade zurück in meinen Wohnwagen, da hörte ich schon wieder Motorengeräusche. Ich sah hoch zum Hügel und da stand Markus. Ich schmunzelte. Sie waren eben Seelenverwandte. Der dunkelblonde Junge kam auf mich zugerollt und blieb kurz vor mir stehen. "Kann ich mit dir reden?" Ich nickte und wir setzten uns an eben jene Stelle, an der Kim und ich noch vor kurzem gesessen hatten. "Was ist los?", fragte ich, denn Markus hätte von alleine nicht angefangen zu reden. "Ich vermisse sie. Jede Faser meines Körpers will sie zurück. Ich will sie umarmen, ihr Lachen sehen und mich nicht mehr mit ihr streiten. Wieso versteht sie nicht, dass ich mir einfach Sorgen um sie mache?" "Oh Markus, sie weiß ganz genau, dass du dir Sorgen um sie machst, aber das ist das, was sie nicht will. Sie will, dass du dein Leben lebst und deine Zeit nicht mit besorgt sein verschwendest. Sie will dich auch wieder glücklich sehen, da bin ich mir sicher." "Und was soll ich jetzt machen?" "Erinnerst du dich an die Geschichte mit Vanessa und Gonzo Gonzales? Ihr habt eure Gefühle in einen Brief geschrieben. Ihr habt alles zu Papier gebracht und Vanessa ist zurückgekommen." Markus nickte. "Und wie soll das gehen?" "Ganz einfach: Du nimmst einen Zettel und einen Stift und schreibst auf, was dein Herz dir sagt. Du kannst nichts falsch machen. Und wenn es nicht funktioniert, dann überleg, wie ihr es damals bei Vanessa gemacht habt. Du schaffst das schon, ich glaub an dich!" Mit diesen Worten stand ich auf und ging in meinen Wohnwagen. Kurze Zeit später hörte ich, wie Markus den Teufelstopf verließ.


Kim pov

Verdammt! Ich saß bereits eine gefühlte Ewigkeit auf meiner Fensterbank und um mich herum lagen tausende zusammengeknüllte Zettel. Ich versuchte mich zu erinnern. Markus hatte mir mal erzählt, wie sie Vanessa damals diesen Brief geschrieben hatten. Sie hatten die Augen geschlossen und an Vanessa gedacht. Ich wollte es wenigstens versuchen. Ich schloss meine Augen und dachte an Markus. Als erstes dachte ich an den Tag in der Schule, wo er mich angesprochen hatte. Dann der Tag, wo er mir mit diesem blöden Spruch gekommen war und sich anschließend in meinem Zimmer bei mir entschuldigt hatte. Dann als er mich nach meinem Abenteuer in den Graffiti- Burgen umarmt hatte. An unser stundenlanges Schweigen auf der Fensterbank. Ich lächelte bei dem Gedanken an den Morgen, wo wir unsere Mütter zum Quietschen gebracht hatten. Ich öffnete die Augen und auf einmal wusste ich ganz genau, was ich schreiben wollte.

Lieber Markus,

ich vermisse dich. Ich fühle mich leer, weil du nicht da bist. Ohne dich fehlt meinem Leben der Sinn, meinem Lebensmut das Feuer. Ich weiß, dass ich Fehler gemacht habe. Du hast dir Sorgen um mich gemacht und ich habe dich abgewiesen. Du wolltest für mich da sein, aber ich habe eine Mauer um mich herum gebaut.Ich möchte dir einen Hammer in die Hand geben, damit du diese Mauer zerstören kannst, aber er ist zu schwer, um ihn dir rüber zu werfen. Wenn ich meine Augen schließe und an dich denke kommen mir so viele schöne Momente in den Sinn. Als du mich umarmt hast, nachdem ich aus den Graffiti- Burgen zurückkam. Und am liebsten denke ich an das Bild auf meinem Nachttisch. Der Fotograf hat genau den richtigen Moment erwischt und mit diesem einen Foto unsere gesamte Beziehung perfekt dargestellt.Ich will, dass es zwischen uns wieder so wird wie früher. Ich will mit dir Lachen können und reden ohne Ende. Ich will mit dir zusammen eine Schauspielkarriere starten und unsere Mütter noch öfter zum Hyperventilieren bringen.
Ich kann dich nicht zwingen mir zu verzeihen, aber ich bitte dich. Denn ohne dich habe ich keinen Grund mehr,hier zu sein.

Deine Kim

Ich faltete das Blatt zusammen, schrieb fein säuberlich Markus vorne drauf und schob es diesem in den Briefkasten. Dann ging ich hoch in mein Zimmer und las ein Buch.

Markus pov

Sobald ich zuhause ankam setzte ich mich in meinem Zimmer an den Schreibtisch und kramte Papier und Stift heraus. Ich tat alles, was Willi mir sagte. Ich erinnerte mich an den Tag, an dem wir Vanessa den Brief geschrieben hatten und dachte dieses Mal an Kim. Ihr Gesicht kam mir in den Sinn. Die klaren blauen Augen, so tief wie das Meer und ihr blonden Haare, die mittlerweile fast so dunkel wie meine geworden waren. Ich dachte an all unsere schönen Erlebnisse. Unsere Stunden auf der Fensterbank. Ein Lächeln stahl sich auf meine Lippen als ich an den Tag dachte, an dem wir zusammen im Gras gelegen hatten, bevor wir den Wilden Kerlen die Motorräder präsentierten. Ich dachte an die vielen Stunden, die wir gemeinsam in der Werkstatt verbracht hatten und wie sie mich als Bezahlung für das Motorrad auf die Wange geküsst hatte. Ich öffnete meine Augen wieder und griff nach dem Stift. Dann begann ich zu schreiben.

Liebe Kim,

ich vermisse dich. Ohne dich ist meine Welt nur schwarz und weiß. Sie ist leblos und hohe Wellen ragen über meinem Kopf. Aber wenn du bei mir bist, bekommt die Welt ihre Farbe zurück, die Sonne scheint wieder und das Meer beruhigt sich. Als du ein Wilder Kerl wurdest, gab ich dir heimlich einen Beinamen. Alle Kerle haben einen, aber du hast nur einen in meinem Kopf. Kim, die Stille. Das passt zu dir. Du bist still und strahlst dennoch eine unglaubliche Macht aus. In deiner Nähe ist es warm, egal ob wir lachend oder schweigend auf der Fensterbank sitzen. Ich will, dass alles wieder wie früher ist. Wenn du in gewissen Dingen nicht mit mir reden willst ist das okay, aber du kannst mir nicht meine Sorgen verbieten. Du bist ein Teil meines Herzens und dieser Teil tut unglaublich weh, wenn du leidest. Solltest du irgendwann mit mir reden wollen, bin ich immer für dich da.
Ich bitte dich aus tiefstem Herzen, mich wieder zu dir zu lassen, denn ohne dich kann ich nicht leben. Ohne dich bin ich bloß eine leere Hülle.
Ich bitte dich.

Dein Markus

Ich faltete den Zettel zusammen, schrieb den Namen meiner besten Freundin drauf und warf ihn dann auf der gegenüberliegenden Seite in den Briefkasten. Jetzt musste sie ihn nur noch lesen.

Wörter: 1337

Die Wilden Kerle und die StilleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt