Wie wird man ein Gott

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"Ich werde eine Göttin?" Schockiert sah ich die blauhaarige an. Ich? Ich sollte ein Gott werden, wie sollte das denn funktionieren? Und warum gerade ich? Mit irritiertem Ausdruck erwiderte Selja meinen Blick. "Willst du mir wirklich sagen, dass du das nicht wusstest?" Unglaube schwang in ihrer Stimme mit. "Ehm.... naja... ich..." Ich konnte nicht sofort antworten, musste mich zuerst einmal selbst ordnen. Ein Gott, warum sollte ich denn ein Gott werden, was hatte das alles zu bedeuten? Ich atmete noch einmal tief durch, wendete meinen Blick der Leere des Ganges vor uns zu. "Um ganz ehrlich zu sein wusste ich vor dem gestrigen Tag noch nicht einmal, dass es Götter gibt. Ganz zu schweigen davon, dass das irgendetwas mit mir zu tun haben könnte." Ein leichtes verlegenes Grinsen lag auf meinen Lippen als ich zu der Blauhaarigen sah. Es war mir nun schon etwas peinlich so etwas nicht zu wissen. Ganz besonders da hier wohl alle davon ausgegangen waren, dass ich schon vieles darüber wusste. Ein leicht amüsiertes Kichern war von Selja zu hören als sie ihren Kopf hinter sich an die Tür lehnte. "Oje, da haben wir wohl ganz schön was nachzuholen. Ich sollte dich wohl besser mal aufklären." Sie seufzte leicht. "Wo fang ich denn am besten an?" Sie schloss ihre Augen um nachzudenken, doch schon wenige Augenblicke später fuhr sie fort. "Die Götter der Elemente waren ursprünglich alle Menschen. Sie unterschieden sich nur davon von anderen, dass ihre Meister ab dem Moment ihrer Geburt spürten, dass es sie gab. Nachdem der Meister seinen Schüler gefunden hat holt er ihn in diese Welt und bildet ihn aus so, dass er nach dessen Tod den Platz des Gottes einnehmen kann." Sie sah kurz zu mir um sicherzustellen, dass ich alles verstand. "Wer der Schüler ist steht von vorne herein fest, der Gott muss ihn dann nur noch finden. Er wird ihn garantiert sofort erkennen wenn er ihn sieht, er wird dann einfach spüren, dass es der Richtige ist."
Wir waren so in Gedanken, dass wir den Mann der vor uns stand erst bemerkten als ein paar Wassertropfen vor uns auf den Boden fielen. Erschrocken sprang Selja auf und verbeugte sich hastig. "W-willkommen zurück Meister." Er lachte für einen Moment leicht auf, dann legte er eine Hand sanft auf Seljas Kopf. "Wie oft soll ich dir denn noch sagen, dass du nicht immer so nervös sein sollst." Ein sanftes Lächeln zierte seine weichen Gesichtszüge. Er war kaum einen halben Kopf größer als das Mädchen ihm gegenüber. Aus seinen kurzen blauen Locken, die am Ansatz schon etwas lichter zu werden schienen, tropfte stetig ein wenig Wasser. Auch die knielange Badehose die er trug und der dunkelblaue Umhang über seinen Schultern waren noch nass. Mir fiel ein Funkeln am Verschluss seines Mantels ins Auge. Dort befand sich ein Stein, nicht viel größer als eine Fingerkuppe. Er hatte die Form eines Tropfens, schimmerte in einem klaren Blau. Ich konnte meinen Blick kaum von ihm abwenden, war wie in Bann gezogen von der Schönheit dieses Kristalls. Es war mir als könnte ich darin die Bewegung von Wasser sehen, fallenden Regen, reißende Flüsse und die Untiefen des Ozeans. Das alles zur gleichen Zeit, das alles in diesem kleinen Stein. Eine Hand schob sich in mein Sichtfeld und unterbrach so meine Gedanken. Der Gott von mir nahm den Stein von seinem Mantel ab, tippte damit leicht gegen die Tür die vor uns stand. Ich dachte für den Bruchteil einer Sekunde zu sehen wie der Stein aufleuchtete und noch im selben Moment öffnete sich die Türe und schwang wie von selbst auf. "Ich hoffe ihr musstet nicht zu lange auf mich warten." Sagte er noch als er den Raum bereits betrat. Wir folgten ihm hinein. Der Gott hatte sich an seinen Schreibtisch gesetzt und nachdem er sich noch kurz mit einem Handtuch durch die Haare gefahren hatte richtete er das Wort an mich. "Zu allererst zu mir. Ich bin Leron Aqua der Gott des Wassers. Und jetzt zu dir. Habe ich das eben richtig gehört, dir hat bisher noch niemand etwas von deiner Bestimmung erzählt?" Ich schüttelte leicht den Kopf. "Nein..." Er seufzte angestrengt, ließ seinen Kopf in den Nacken fallen und fuhr sich einmal mit der Hand durch die Haare. Dann richtete er sich wieder an mich. "Wie Selja eben schon richtig erklärt hat, hat jeder Gott einen Schüler an den er nach seinem Tod alles übergibt. Der Schüler kann allerdings erst zum neuen Gott werden, wenn er auch den jeweiligen Elementstein erhalten hat." Er deutete an den funkelnden Kristall an seinem Mantel. "Dieser Elementstein besitzt große macht, erst durch diesen wird der Gott wirklich Göttlich. Bis zur Geburt seines Schülers und bis er ihn zum ersten mal gesehen hat ist der Gott unsterblich." Seine Mine wurde etwas ernster als er weiter sprach. "In deinem Fall gab es dort leider ein kleines Problem. Dein Meister war schon lange tödlich erkrankt und starb durch den Verlust seiner Unsterblichkeit schon wenige Minuten nach deiner Geburt." Stille legte sich in den Raum. Eine Spur von Schmerz war in Lerons Augen zu erkennen als er mich ansah. Nach einiger Zeit fuhr er fort. "Im Normalfall hättest du dann sofort der neue Gott werden sollen, doch zu unserem Unglück ging dein Elementstein an diesem Tag verloren. Dein Vater wollte dich nicht in unsere Obhut geben, deshalb ließen wir dich unter der Bedingung bei ihm, dass er dir das Nötigste beibringt bis wir dich zu uns holen würden."

Als ich mich auf den Weg zurück in mein Zimmer machte war es draußen bereits dunkel. Lerons Erzählung hatte mich nachdenklich gestimmt. Ich war so allein. Alle anderen Schüler hatten ihre Meister. Aber ich? Ich war allein, hatte keinen Meister an meiner Seite. Wie sollte ich das alles nur lernen, wie sollte ich jemals ein guter Gott werden? Als ich vor meiner Türe ankam blieb ich stehen. Es war wie in jedem anderen Bereich auch. Das Zimmer des Schülers des Gottes. Und da drüben. Ich sah zur nächsten Tür im Raum, setzte mich langsam in Bewegung dort hin. Ist der Raum des Gottes selbst. Vor der Tür blieb ich stehen, betrachtete das feine weiße Porzellan. Ich hob meine Hände legte sie leicht an die kalte Tür. Ich senkte meinen Kopf, schloss meine Augen. "Meister..." Meine Stimme war leise, selbst in der Stille der Nacht kaum zu hören. "Wie soll ich das denn schaffen. Warum... warum hast du mich allein gelassen?" Ich spürte wie eine Träne langsam meine Wange herunter lief. "Warum... warum hast du mich allein gelassen?" Wieder lief eine Träne meine Wange hinab. Etwas Warmes legte sich auf meine Stirn, was mich erschrocken die Augen öffnen ließ. Die große Hand  zog meinen Kopf sanft nach hinten, drückte meinen Hinterkopf gegen eine breite warme Brust. "Keine Sorge Gottesschüler, du bist hier nicht allein." Die vertraute Stimme beruhigte mich, ließ mich ruhig atmen. Leicht strich er mir über die Wangen, wischte meine Tränen von dort weg. Einige Momente blieb ich schweigend dort stehen, genoss die Wärme des Körpers die meine Einsamkeit beendet hatte. Langsam entfernte sich der Mann wieder von mir, schenkte mir sein breites warmes Lächeln. "Du solltest schlafen gehen Kind, es ist schon spät." Mit diesen Worten wendete sich der Gott wieder von mir ab, schlug die Richtung zu seinem eigenen Bereich ein. Ein Lächeln hatte sich auch auf meine Lippen geschlichen. "Ich danke dir Relo." Ich danke dir du strahlend heller Mond in der Finsternis meiner verzweifelten Nacht.

Die Götter der ElementeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt